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Angeblich unrechtmäßige Polizei-Gewalt in Berlin : Geht der UN-Beauftragte für Folter den Querdenkern auf den Leim?

Der UN-Sonderberichterstatter zu Folter hat sich wegen der Querdenken-Proteste eingeschaltet. Die Berliner Polizei gibt sich gelassen – und wundert sich.

Angeblich unrechtmäßige Polizei-Gewalt in Berlin : Geht der UN-Beauftragte für Folter den Querdenkern auf den Leim?

Rangeleien zwischen Polizisten und Querdenkern am Sonntag in Berlin.Foto: REUTERS/Christian Mang

In Berlins Polizei ist die Verwunderung groß. Nach den massiven Angriffen auf Beamte bei der verbotenen Querdenker-Demonstration gegen die Corona-Schutzmaßnahmen vor einer Woche meldete sich Nils Melzer. Der Schweizer Rechtsprofessor ist UN-Sonderberichterstatter zu Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung. Er twitterte ein Video von einem Einsatz und bat um Zeugenaussagen.

Zu sehen ist auf dem Video, wie eine ältere Demo-Teilnehmerin durch die Polizeikette gehen will. Ein Beamter ergreift sie und wirft sie zu Boden. Später sagte Melzer: „Die hätte sterben können.“ Von der Frau sei keine Gefahr ausgegangen, der Beamte habe Selbstverteidigung angewendet statt schlicht eine Ordnungswidrigkeit zu verhindern.

Polizisten sehen das anders, ein erfahrener Beamter erklärte: „Sauber ausgeführter Kopf-Hebel-Griff, bis kurz vor Bodenkontakt gehalten, um Kopfverletzung zu vermeiden.“ Der Beamte hielt die Frau auch am Rücken fest.

Auf anderen Videos ist laut Melzer ein Mann zu sehen, der blutig geschlagen wurde, obwohl er in Handschellen am Boden lag. Oder jemand, der von hinten vom Fahrrad gerissen wurde. „Es sind einige Videos verbreitet worden, die Besorgnis erregend sind“, sagte Melzer. „Die Hinweise sind stark genug, dass möglicherweise Menschenrechtsverletzungen begangen wurden.“

Er habe bereits mit Augenzeugen gesprochen. Es gehe womöglich um ein Dutzend Vorfälle. Nun will Melzer in der kommenden Woche bei der Bundesregierung um eine Stellungnahme bitten. Die Bundesregierung hat dann 60 Tage Zeit für eine Antwort.

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Teile der Querdenker-Szene stehen unter Extremismusverdacht und werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Darauf ging Melzer jedoch gar nicht ein. Er sagte, bei einer Demonstration mit Tausenden Menschen, die angeordnete Maßnahmen ignorierten, aber nicht gewalttätig seien, müsse anders reagiert werden. „Das ist ein Kommunikations-, kein Gewaltproblem. Da ist eine gepanzerte Polizeitruppe vielleicht nicht die richtige Antwort.“

Polizeisprecher Thilo Cablitz zeigt sich gelassen. Die Behörde stehe der Bitte um Stellungnahme aufgeschlossen gegenüber und ermittle ohnehin zu sämtlichen Verdachtsfällen zu Körperverletzungen im Amt. Diverse Videoaufnahmen werden derzeit ausgewertet. Bei der Polizei waren nach dem Demo-Einsatz zahlreiche Anzeigen wegen angeblich unrechtmäßiger Polizeigewalt eingegangen.

Polizei: Keine Kommunikation mit Demonstranten mehr möglich

Cablitz stellt aber auch klar: Die Demonstrationsteilnehmer seien zumeist für Kommunikation nicht mehr zugänglich gewesen. Er selbst habe die Querdenken- und Corona-Proteste von Beginn an begleitet und etwa 800 Gespräche mit Anhängern der Bewegung geführt. Seine persönliche Bilanz: “Gut erinnern kann ich mich an die Anzahl kommunikativ und argumentativ Zugänglicher – es waren drei.”

Der unmittelbare Zwang zur Verfolgung von Straftaten und zur Gefahrenabwehr sei eingesetzt worden „wegen fehlender Kommunikationsbereitschaft, der fortwährenden Verstöße gegen die Versammlungsverbote und gegen die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung“. Weisungen der Polizei seien missachtet, Beamte angegriffen worden.

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Cablitz sagte: „Unmittelbarer Zwang ist Gewalt, Gewalt schmerzt, Gewalt verletzt, Gewalt sieht gewalttätig aus. Unmittelbarer Zwang auch mit all seinen Bildern ist dennoch Teil unseres Rechtssystems“ – ebenso, dass juristisch überprüfbar ist, ob Einsätze recht- und verhältnismäßig waren.

Und die von Melzer kritisierte Schutzausstattung der Beamten „diente lediglich dazu, sie vor schweren Folgen der gegen sie verübten Angriffe zu bewahren“ Und dennoch seien mehr als 60 Polizisten verletzt worden – „in Teilen schwer“, sagte Cablitz.

Die Querdenker feiern den UN-Sonderberichterstatter

Der UN-Sonderberichterstatter Melzer wird von den Querdenkern als Held gefeiert. Einige hatten am Freitag eine Eilversammlung in Kleinmachnow, kurz hinter der Berliner Landesgrenze in Berlin, angemeldet. „Wir gedenken zusammen mit dem UN-Sonderbeauftragten Nils Melzer den Opfern von Gewalt im Zusammenhang mit Demonstrationen“, lautete das Motto der Versammlung.

Hinter vorgehaltener Hand fragt man sich in der Polizei, was den UN-Sonderbeauftragten getrieben haben mag. Eine Szene von den Querdenken-Demos zeigt das Missverständnis, dem der UN-Beauftragte aufsitzen könnte – wie beim angeblichen Schubsvideo.

In einem anderen Film ist zu sehen, wie ein Beamter bei den Protesten vor einer Woche einer Frau ins Gesicht greift. Dass die Querdenker-Demonstrantin den Polizisten angespuckt haben soll, wohlgemerkt in Corona-Zeiten, kam erst später heraus. Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin, gibt sich aber gelassen mit Blick auf Melzers angekündigte Untersuchung.

GdP warnt Sonderbeauftragten vor Instrumentalisierung

„Wenn beim UN-Folterbeauftragten derartige Beschwerden eingehen, ist es seine Pflicht, dem nachzugehen und sich die Sachen unparteiisch ohne vorzuverurteilen und in aller Ruhe und Sorgfalt anzusehen”, sagte Jendro. „Im Rechtsstaat müssen derartige Vorwürfe zu rechtswidrigem Verhalten untersucht werden und das wird es auch.“

Jendro ordnet die Vorgänge auch noch in einen größeren Rahmen ein. Es sei Kern von Verschwörungstheorien, gewisse Institutionen zu diskreditieren und damit zu destabilisieren. „Dass man dabei versucht, den eigenen Aussagen durch angesehene Persönlichkeiten Legitimation uns scheinbar Wahrheit zu verleihen, ist auch kein Geheimnis.”

Daher sei es „durchaus clever, den UN-Folterbeauftragten mit ins Boot zu holen”, sagte Jendro. „Aber wir hoffen, dass er seiner Arbeit professionell nachkommt und sich nicht durch Videosequenzen triggern und instrumentalisieren lässt.“

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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