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51,55 Euro für die 57 Gramm-Tafel : Der Hype um die neue Ritter Sport

Die Schoko, die keine Schoko sein darf: Die “Cacao y nada” ist ausverkauft, das Interesse ist riesengroß. Doch stimmt die Geschichte dahinter überhaupt?

51,55 Euro für die 57 Gramm-Tafel : Der Hype um die neue Ritter Sport

Kaum zu bekommen: die “Cacao y Nada” von Ritter Sport.Foto: Ritter Sport

51,55 Euro für eine 57-Gramm-Tafel – solche Preise werden für Schokolade selten gezahlt. Doch es ist auch nicht irgendeine Schokolade, die für diese Unsumme über den virtuellen Ladentisch von Ebay gegangen ist. Streng genommen ist es vielleicht gar keine Schoko. Es ist die „Cacao y nada“ (übersetzt: Kakao und nichts) von Ritter Sport. Die Schokolade, die keine sein darf.

Die Neuheit ist erst seit wenigen Tagen auf dem Markt. Doch schon jetzt hat sie einen unglaublichen Hype ausgelöst und dem deutschen Familienunternehmen viel Aufmerksamkeit beschert. Denn die neue Sorte sieht zwar aus wie Schoko und schmeckt auch wie eine anständige Zartbitterschokolade, sie enthält aber keinen Zucker. Gesüßt wird sie mit dem Fruchtsaft der Kakaofrucht. Natürlicher geht es kaum, könnte man meinen. Doch das kollidiert mit dem deutschen Lebensmittelrecht, sagt Ritter Sport.

Schokolade ohne Zucker dürfe in Deutschland nicht Schoko heißen. Obwohl die „Cacao y nada“-Tafel zu hundert Prozent aus Zutaten der Kakaofrucht besteht, wird sie nun als Kakaofruchttafel verkauft. „Das ist absurd“, sagt Ritter-Sport-Chef Andreas Ronken.

Ministerium: Das Produkt darf Schokolade heißen

Doch inzwischen gibt es Zweifel, ob die Geschichte wirklich so stimmt oder ob hinter der Kakaorebellion nicht eher eine gut gemachte Marketing-Aktion steckt. Das Bundesernährungsministerium sieht die Sache zumindest anders. Die Kakaoverordnung, nach der sich Schokoladenhersteller richten müssen, besage zwar, dass Schokolade aus Kakaoerzeugnissen und Zuckerarten bestehen müsse, aber sie schreibe keine bestimmten Zuckerarten vor, heißt es im Hause Klöckner.

Das Ministerium „kann daher nicht erkennen, dass bei der Herstellung von Schokolade nicht auch natürlicher Kakaosaft zum Süßen verwendet und das Erzeugnis unter der Bezeichnung „Schokolade“ in den Verkehr gebracht werden darf“, sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. So wie auch Süßstoffe wie Xylit oder Stevia verwendet werden dürften.

Die Ware ist knapp: Es gibt nur 2300 Tafeln

Was den Reiz des neuen Kakaoprodukts ins Unermessliche steigen lässt, ist, dass man es praktisch nicht kaufen kann. Die Tafeln werden nur online und am Stammsitz von Ritter Sport im schwäbischen Waldenbruch verkauft, doch online sind sie vergriffen. Gerade einmal 2300 Tafeln hat man produziert, die sind schnell weg. Das erklärt auch die Mondpreise im Netz. Denn regulär kostet die „Cacao y nada“ nur 4,99 Euro.

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Unternehmenssprecherin Petra Fix erklärt das knappe Angebot mit dem fehlenden Nachschub an Rohstoffen. Die Zutaten für die neue Tafel kommen ausschließlich von der unternehmenseigenen Plantage in Nicaragua, und die werfe bisher nur überschaubare Mengen an Kakao und Kakaofruchtsaft ab. Wann neue Lieferungen eintreffen, kann Ritter Sport nicht sagen. Vorerst verlost das Unternehmen 50 Tafeln bei Gewinnspielen auf den eigenen Social-Media-Kanälen.

51,55 Euro für die 57 Gramm-Tafel : Der Hype um die neue Ritter Sport

Viel Aufmerksamkeit: Ritter Sport hat mit der Neuheit einen Coup gelandet. Anders als die traditionellen Sorten enthält sie keinen…Foto: dpa

“Wir wollten eine Diskussion anstoßen”, sagt Ritter Sport

Dass man ein „gewisses Maß an Aufmerksamkeit“ erhofft hatte, gibt Ritter Sport zu. „Das war aber nicht unsere Intention“, betont Sprecherin Fix. „Wir wollten den Anstoß für eine Diskussion geben“, sagt sie. Auf Innovationen sei das deutsche Lebensmittelrecht nicht eingestellt. Nach der Kritik aus dem Agrarministerium habe man die Rechtslage noch einmal geprüft und bleibe dabei, dass die „Cacao y nada“ nicht als Schokolade verkauft werden dürfe. „Es lohnt sich, das Lebensmittelrecht zu überdenken“.

Ist das Lebensmittelrecht noch zeitgemäß?

Das sehen viele so. Denn das Recht hinkt in diesem Bereich gesellschaftlichen Entwicklungen allzu oft hinterher. Das beginnt beim Zucker in der Schoko und hört bei der Diskussion auf, ob man Patties aus Erbsenproteinen „Veggie-Burger“ nennen darf.

Für einige Lebensmittel schreiben Verordnungen vor, was sie enthalten müssen und in welchem Verhältnis die Zutaten zu einander stehen. Das betrifft neben dem Kakao etwa die Milch und Milchprodukte. Der Begriff „Milch“ ist seit 1987 per EU-Recht geschützt. Das sollte die Milchbauern einst vor der Konkurrenz der Margarineproduzenten schützen.

Milch: Hafermilch wird zurückgedrängt

Heute macht es Milchimitaten aus Hafer oder Mandeln das Leben schwer. Sie dürfen nicht als Milch verkauft werden. Die pflanzlichen Alternativen sollen nun aber noch weiter zurückgedrängt werden. Das Europaparlament hat beschlossen, dass ihnen künftig jeglicher Hinweis auf Milchprodukte untersagt werden soll, um Verbrauchertäuschungen zu vermeiden. Bezeichnungen wie „Frei von Milch“ dürften dann auf den Verpackungen von Hafer- oder Mandelgetränken verboten sein.

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Geschützter Begriff: Milch muss vom Tier kommen.Foto: dpa-tmn

Noch ist das nicht Gesetz, der EU-Ministerrat muss noch zustimmen. Der Haferdrinkhersteller Oatley versucht nun, das zu verhindern. Zu diesem Zweck haben die Schweden gemeinsam mit der GfK eine Meinungsumfrage in Deutschland durchgeführt. Danach haben lediglich fünf Prozent der Teilnehmer und Teilnehmerinnen angegeben, schon einmal versehentlich ein veganes Produkt gekauft zu haben, teilte Oakley kürzlich mit. Also: kein Handlungsbedarf.

Lemonaid: zu wenig Zucker

Auch ein anderes Unternehmen hadert mit dem Lebensmittelrecht und das wiederholt. Das Hamburger Start-up Lemonaid Beverages GmbH hatte schon mehrfach Ärger mit der Lebensmittelüberwachung. Die Behörden in Hamburg und Bonn bemängelten, dass die Limos zu wenig Zucker enthalten, um als Limonade verkauft werden zu dürfen. Statt sieben Prozent Zucker sind es bei Lemonaid – je nach Sorte – nur 5,5 bis 6,8 Prozent.

Dass man in einer Zeit, in der dem Zucker der Kampf angesagt wird, Probleme bekommt, wenn man wenig davon verwendet, wollten die Lemonaid-Macher Paul Bethke und Co-Gründer Felix Langguth nicht akzeptieren. Im vergangenen September fuhren sie nach Berlin und stellten vor dem Bundesagrarministerium eine Statue von Ministerin Julia Klöckner aus Zucker auf.

Immerhin will auch die CDU-Politikerin, dass die Menschen weniger Zucker zu sich nehmen und hat dazu eine nationale Reduktionsstrategie ins Leben gerufen. Dazu gehört, dass die Lebensmittelindustrie neue gesündere Rezepturen entwickeln sollen. „Wir haben das klare Ziel, den Zuckergehalt in Fertiglebensmitteln und Erfrischungsgetränken deutlich zu reduzieren“, sagte Klöckner dem Tagesspiegel.

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Zu wenig Zucker: Lemonaid hatte deshalb wiederholt Ärger mit den Behörden.Foto: Heike Jahberg

Hier kommt eine Kommission ins Spiel, von der die meisten Bundesbürger noch nichts gehört haben dürften. In den Fällen, in denen keine Verordnungen bestehen, ist die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission am Zug. Sie legt in sogenannten Leitsätzen fest, wie Lebensmittel hierzulande hergestellt werden oder beschaffen sein müssen. Die Grundsätze sollen die aktuelle Verkehrsauffassung widerspiegeln und Herstellern wie Lebensmittelüberwachung Sicherheit geben.

Das Problem: In vielen Fällen geht die Wahrnehmung des Gremiums an der Erwartung der Konsumenten vorbei. So muss Heringssalat nur zu einem Fünftel aus Hering bestehen, bei der Kalbsleberwurst darf 50 Prozent der Lebermenge vom Schwein kommen.

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Wer blickt da noch durch: Veggie-Burger darf es geben, Veggie-Filets nicht.Foto: Getty Images/iStockphoto

Bei der Frage, ob ein pflanzliches Fleischersatzprodukt Veggie-Burger oder -Schnitzel heißen darf, haben die Experten eine so differenzierte Lösung gefunden, das man sie für salomonisch oder für Haarspalterei halten kann, je nach Standpunkt. Ein „Veggie-Filet“ oder „-kotelett“ bleiben verboten, ein „Veggie-Schnitzel“ ist erlaubt. Die Idee: Wenn es um Teile vom Tier geht, ist die Kombination mit Veggie verpönt, wenn die Verarbeitungsweise (Nuggets, Geschnetzeltes) gemeint ist, ist sie okay.

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Klöckner: Neue Rezepturen sollen weniger Zucker enthalten

Für Erfrischungsgetränke wie Limo hat das Gremium, das zu gleichen Teilen aus Vertretern und Vertreterinnen der Lebensmittelhersteller, der Verbraucherschützer, der Wissenschaft und der Lebensmittelüberwachung zusammengesetzt ist, festgelegt, dass mindestens sieben Prozent Zucker enthalten sein müssen. Zeitgemäß ist das nicht mehr. Das findet auch Klöckner. „Die Kommission hat sich bereit erklärt, bei den Beschreibungen in den Leitsätzen auch die Ziele unserer Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten zu unterstützen“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Ich erwarte, dass sie das auch umsetzt und die Regelungen dahingehend kritisch überprüft.“

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Gesünder essen: Bundesernährungsministerin Julia Klöckner will weniger Zucker, Fett und Salz im Essen.Foto: imago images/Metodi Popow

Davon ist auszugehen. Der Mindestzuckergehalt von Erfrischungsgetränken werde aktuell in der Lebensmittelbuch-Kommission diskutiert, berichtet Stephanie Wetzel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV). Die Verbraucherschützerin sitzt in der Kommission. Sie glaubt, dass bestehende Gesetze und Leitsätze die Diskussion über eine Reduzierung des Zuckerkonsums aufgreifen werden.

Allerdings gäben Gesetze den Lebensmittelherstellern, der -überwachung und den Verbrauchern auch Verlässlichkeit. „Man muss sicher nicht gleich die Vorschriften ändern, nur weil ein neues Produkt auf den Markt kommt“, sagte Wetzel dem Tagesspiegel.
Ritter-Sport-Chef Andreas Ronken hat dafür kein Verständnis. „Unser Lebensmittelrecht muss mit Innovationen Schritt halten“, meint er. „Wenn Wurst aus Erbsen sein darf, braucht Schokolade auch keinen Zucker.“

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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