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Wenn das Zuhause zum Klassenzimmer wird – so ist Homeschooling für Familien

Wenn das Zuhause zum Klassenzimmer wird – so ist Homeschooling für Familien

Noura (11) und Jasmin (15) beim Homeschooling im Haus ihre Mutter in Dallgow-Döberitz. Jasmin ist in der 10. Klasse und geht deshalb vormittags auch noch in die Schule
Foto: Olaf Selchow

Kinderzimmer statt Klassenzimmer. Die Schulen in Berlin und Brandenburg sind seit zwei Wochen geschlossen – unterrichtet wird trotzdem. Wenn es gut läuft: digital, per Internet und Videochat. Wenn es schlecht läuft – die Lehrer sich nicht so richtig auskennen mit der neuen Unterrichtsform oder die Schul-Cloud mal wieder streikt – auch ganz analog, indem man seine Aufgaben auf dem Schulhof abholt.

Rund 400.000 Schüler und Schülerinnen lernen so gerade in Berlin, weitere 100.000 in Brandenburg. Klar ist: Deutschland ist darauf nicht vorbereitet. Die Schulen sind größtenteils digitale Analphabeten, viele Lehrer fremdeln mit Online-Meetings, Cloud-Plattformen und Videochats. Unterricht 2021 heißt vor allem: Ausnahmezustand.

Zu groß sind die Defizite: Es gibt zu wenig Lehrkräfte, zu wenig Platz, zu wenig Bandbreite. Stattdessen müssen die Eltern ran. Sie spielen Aushilfslehrer. Weil es nicht anders geht. Und das klappt erstaunlich gut. Väter und Mütter bringen mit, was oft fehlt: Improvisationstalent, Anpassungsfähigkeit und ganz viel Geduld. B.Z. hat vier von ihnen besucht.

Halber Lockdown im Havelland

Zwei lernen zu Hause, eine geht in die Schule. Bei Katrin Ben Aoun (47) und ihren drei Töchtern in Dallgow-Döberitz (Havelland) gibt es einen halben Lockdown – das Homeschooling ist zweigeteilt. Die beiden jüngeren Kinder Sarah (12) und Noura (11) lernen seit Ende der Weihnachtsferien zu Hause in ihren Zimmern, die älteste, Jasmin (15), ist in der zehnten Klasse und kann deshalb in Brandenburg trotz Lockdown in die Schule.

„Die Klasse ist in zwei Gruppen aufgeteilt, die Lehrerin wechselt von einem Zimmer ins andere“, sagt Katrin Ben Aoun. „In der Schule ist Maskenpflicht, es wird ständig gelüftet und die Schüler dürfen sich Decken mitnehmen.“

Wenn das Zuhause zum Klassenzimmer wird – so ist Homeschooling für Familien

Katrin Ben Aoun arbeitet in der Kundenbetreuung eines großen Berliner Unternehmens und kann ihren Job ebenfalls von zu Hause aus machen (Foto: Olaf Selchow)

Zu Hause stehen alle gemeinsam spätestens um halb acht auf und die beiden Jüngeren machen bis mindestens 13 Uhr Unterricht. „Mir ist wichtig, dass die Mädchen den Rhythmus behalten“, sagt die alleinerziehende Mutter. „Die Pausen können sie sich selbst einteilen, aber fünf Stunden lang wird gearbeitet.“ In dieser Zeit gibt es keine Freizeitmedien: „Kein Fernseher, keine Apps und kein TikTok.“

Nachmittags treffen sich die Kinder regelmäßig mit Freundinnen im Freien und machen Spaziergänge. „Außerdem stehen sie natürlich über das Handy in Kontakt.”

Wechselschicht mit Wut im Bauch

Unterricht im Kinderzimmer: im Wechsel arbeiten Annette (50) und Ulrich von Wedel (54) wie die meisten Eltern gerade als Aushilfslehrkräfte für ihre beiden Söhne. „Einer arbeitet, der andere betreut die Kinder“, sagt Ulrich von Wedel (54). „Anders geht es nicht.“

Wenn das Zuhause zum Klassenzimmer wird – so ist Homeschooling für Familien

Ulrich und Annette von Wedel unterrichten morgens ihre Söhne Anton und Vincent tageweise im Wechsel (Foto: Thomas Spikermann)

Der Unterricht für ihre beiden Kinder Anton (9, geht auf die Freie Schule Potsdam) und Vincent (14, geht auf die Montessori-Oberschule Potsdam) läuft nicht nebenbei. „Zusätzlich noch eigene Termine zu machen oder an Konferenzen teilzunehmen, ist oft zu viel“, sagt Annette von Wedel, „dafür muss man doch zu oft mal eine Frage beantworten oder Aufgaben kontrollieren.“

Dabei hat die Potsdamer Familie den Vorteil, dass beide Eltern selbstständig sind und im Homeoffice arbeiten können. Er ist Personalberater und Coach, sie Unternehmensberaterin. „Trotzdem war die erste Woche wirklich hart“, sagt die Mutter. „Wir kamen ganz entspannt aus den Weihnachtstagen und auf einmal war wieder alles wie am Anfang der Pandemie, und wir Eltern sollten auffangen, was von Seiten der Politik schiefläuft. Ich war richtig wütend.“ Dann hakte es zu Beginn auch bei der Brandenburger Schul-Cloud.

Wenn das Zuhause zum Klassenzimmer wird – so ist Homeschooling für Familien

Anton (9) bekommt morgens seine Aufgaben über die Schul-Cloud und arbeitet am eigenen Laptop (Foto: Thomas Spikermann)

Mittlerweile glaubt sie manchmal immer noch, wahnsinnig zu werden, „aber insgesamt haben wir einfach akzeptiert, dass die Situation eben für alle Anpassung und die Bereitschaft zur Veränderung erfordert.“

Konkret heißt das bei den von Wedels: „Wir drehen morgens eine Runde mit dem Hund, dann ist Schule“, sagt der Vater. Etwa vier Stunden am Tag, schätzt Annette von Wedel, sind die Eltern als Aushilfslehrer im Einsatz. „Mittlerweile klappt es auch von Seiten der Schulen immer besser“, sagt sie. „Die Kinder werden durch den Tag geführt. Es gibt Videokonferenzen oder Sport per Videochat.“

Trotzdem warnt sie: „Der Lockdown zeigt, dass es einfach zu wenig Lehrer und viel zu wenig digitale Kompetenz an den Schulen gibt. Aber selbst wenn das alles da wäre: Ein richtiger Ersatz ist der Fernunterricht nie, dafür fehlt der Kontakt zu den Mitschülern und den Lehrern.“

Online bei der Oma

„Unsere Lehrer geben sich richtig viel Mühe, aber das Internet nervt“, Chantal Boutin (11). Sie geht in die 6. Klasse der Bücherwurm-Grundschule in Hellersdorf. Zurzeit lernt sie vor allem bei ihrer Oma Katrin (46) und geht dort jeden Tag online, um die Aufgaben von der Schul-Cloud runterzuladen. „Aber bei den Videokonferenzen fliegt man regelmäßig raus“, sagt sie.

Wenn das Zuhause zum Klassenzimmer wird – so ist Homeschooling für Familien

Oma Katrin Boutin (46) kann bei Deutsch und Mathe helfen, muss nur bei Englisch passen (Foto: Charles Yunck)

Während sich ihre Mutter Daisy Boutin (26) zu Hause noch um den kleinen Bruder Elias (6) kümmert, können die Schwestern einzeln oder gemeinsam bei Oma in Ruhe lernen. Jeden Morgen beginnt der Tag mit einer Klassenkonferenz per Video. Bei ihrer Schwester Leonie (9) meldet sich jeden zweiten Tag die Lehrerin per Telefon. „Trotzdem ist es natürlich schwieriger zu Hause zu lernen“, sagt Chantal, „in der Schule bekommt man einfach mehr mit“. Weil sie nach den Sommerferien auf die Gesamtschule wechseln will, um ihr Abi zu machen, ist das ein Problem. „Deshalb hoffe ich, dass wir bald wieder in die Schule können.“

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Chantal (11, hinten) und ihre Schwester Leonie (9) mit Laptop und Tablet in Omas Wohnzimmer in Hellersdorf (Foto: Charles Yunck)

Weil es bei Oma keinen Drucker gibt, gehen sie und ihre kleine Schwester regelmäßig in das nahe gelegene Kinderhilfswerk Arche. Dort können sie ihre Aufgaben ausdrucken, „und es ist auch immer jemand da, den wir zu den Aufgaben fragen können“, sagt Chantal. „Zum Beispiel in Englisch, das kann meine Oma nicht.“ Die Arche bietet auch Nachhilfe per Telefon oder Videochat. „Vor dem Lockdown waren die Kinder auch schon bei der Arche“, sagt Oma Katrin, „jetzt ist das Angebot eine große Hilfe.“

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Zum Ausdrucken der Aufgabenblätter gehen die Mädchen in die Hellersdorfer Arche. Per Telefon geben deren Mitarbeiter auch Nachhilfe (Foto: Charles Yunck)

Chantal hofft trotzdem, dass sie bald wieder in die Schule kann. „Mir fehlen meine Freunde und der Sport“, sagt sie.

Online-Yoga in Weimar

Lernexil in Weimar. Karlotta (15), Lilou (11) und Masha (9) Anclam gehen eigentlich auf die Waldorfschule in Mitte, lernen aber gerade im Haus der Familie in Weimar. „Wir nutzen die Möglichkeit, dass Homeschooling eigentlich von jedem Punkt in Deutschland aus möglich ist“, sagt ihre Mutter Katja (46).

Nach einigen Anfangsschwierigkeiten (der Einsatz von Online-Unterricht war in der Waldorfschule nicht unumstritten) funktioniert das digitale Lernen gut. „Die Oberstufe hat ganztags und die Mittelstufe zeitweise online Unterricht. Und die Unterstufe hat diese Woche mit der ersten Online-Stunde begonnen“, so die Mutter.

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Karlotta (15), Lilou (11) und Masha (9) lernen statt in Mitte gerade in Weimar (Foto: Privat)

Der Eurythmieunterricht wird durch Yoga-Stunden per Videokonferenz ersetzt, „außerdem bewältigen die Kinder neben Mathe und Deutsch praktische Aufgaben wie Schneemann bauen, Meisenknödel basteln und Vogelbestimmung im Garten.“ Sie und ihr Mann Steffen (51) arbeiten Vollzeit und sind tagsüber meistens in Videokonferenzen: „Wir sind ansprechbar, aber nicht wirklich verfügbar“, sagt die Mutter, „deshalb helfen sich die Kinder auch viel gegenseitig.“

Eine Quelle: www.bz-berlin.de

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