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Warum entsteht Impfneid gerade jetzt?

Warum entsteht Impfneid gerade jetzt?

Plakat am Corona-Impfzentrum in Berlin-Tempelhof
Foto: picture alliance / Global Travel

Impfneid: Der Berliner Philosph Dr. Christian Weilmeier erklärt das negative, aber logische Gefühl.

„Dass zwei geimpfte Paare sich nicht zum Abendessen treffen dürfen, kann nicht sein“, sagte diese Woche der ZDF-Rechtsexperte Felix W. Zimmermann. Neid zu vermeiden, könne dabei verfassungsrechtliches Gut sein.

Das ist die juristische Seite. Auf menschlicher Ebene sei das Gefühl aber ganz normal, erklärt der Berliner Philosoph Dr. Christian Weilmeier im B.Z.-Interview:

Warum entsteht Impfneid gerade jetzt?

Am Anfang bestand die oberste Priorität darin, extreme Risikogruppen zu schützen. Betrifft ein Vorteil nur ganz wenige, entsteht meistens kein Neid. Außerdem: Kaum jemand beneidet einen 85-Jährigen im Pflegeheim.

Aber einen 60-Jährigen mit Vorerkrankungen?

Jetzt geht die Impfung ja an die breite Masse. Jeder kennt jemanden, der den Pieks schon bekommen hat und vergleicht ihn mit sich selbst. Warum der, warum ich nicht? Dazu kommt, dass viele ihre Impfung posten als wäre sie das Abitur. Was den Vergleich noch einfacher macht.

Warum entsteht Impfneid gerade jetzt?

Philosoph Dr. Christian Weilmeier (Foto: Harald Treitl)

Am Anfang waren die Deutschen doch eher skeptisch dem Covid-Impfstoff gegenüber…

Auf Bedrohung reagieren Menschen mit dem Wunsch nach Kontrolle. Das macht die Impfung so begehrenswert, sie scheint das einzige wirksame Mittel gegen die Pandemie zu sein. Wir sehen, dass es in anderen Ländern funktioniert. Ganz wichtig ist auch der Umstand, dass davon nicht genug da ist. Wenn etwas knapp ist, entsteht immer Neid. Eigentlich ist es die beste Verkaufsstrategie.

Fördern die geplanten Lockerungen für Geimpfte die Missgunst noch zusätzlich?

Natürlich. Jeder Mensch hat Angst, Vorteile zu verpassen. Und in diesem Fall sind es sogar nicht nur Vorteile, sondern unsere Grundrechte.

Warum entsteht Impfneid gerade jetzt?

Eine Corona-Impfung wurde im Impfpass vermerkt (Archivfoto: picture alliance / CHROMORANGE)

Gibt es einen Unterschied, ob ich den anderen die Freiheiten und den Spaß nicht gönne? Oder, ob ich es den anderen gönne, es aber es für mich auch gerne hätte?

Letzteres ist kein Neid, sondern gesunder Menschenverstand. Hier muss man aufpassen: Wie viele Menschen sind wirklich impfneidisch und missgönnen dem anderen den Pieks? Wahrscheinlich gar nicht so viele. Die meisten finden die aktuelle Lage ungerecht, Und da ist es mehr als normal, eine kritische Haltung zu haben.

Warum entsteht Impfneid gerade jetzt?

Aber wenn die anderen mehr Freiheiten haben, lebe ich ja persönlich davon nicht schlechter? Lockerungen für Geimpfte wären gut für die Wirtschaft, es werden wieder Steuern gezahlt…

Es ist ein richtiges, aber auch ein sehr rationales Argument. Respekt, wer es schafft, so zu denken. Die meisten haben aber Angst vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Es hat sich viel aufgestaut in den Menschen während der Pandemie.

Aber ist es die Aufgabe der Regierung, Impfneid zu vermeiden?

Natürlich muss die Regierung nicht die Aufgabe des schlichtenden Kindergarten-Erziehers übernehmen, aber sie sollte auch keinen Keil zwischen den Geimpften und den Nicht-Geimpften treiben – solange sie nicht allen Bürgern ein Angebot machen kann.

Was wären da die konkreten Vorschläge?

Geimpfte können ohne Tests und Quarantäne reisen? Super! Dann sollten die teuren PCR-Tests für alle anderen Reisenden aber auch umsonst sein. Geimpfte können zum Friseur und in Restaurants? Das war auch für negativ Getestete geplant.

Ein kostenloser Antigentest ist für alle zumutbar…

Klar, aber Merkel hat diese Woche verkündet, dass Geimpfte auf Dauer anders zu bewerten seien als nur negativ getestete Menschen, da die Tests keine 100-prozentige Sicherheit hätten. Natürlich nicht, sie sind eine Momentaufnahme. Aber muss es immer so perfektionistisch sein? Irgendwann muss doch Schluss sein und man geht einen Weg, der für alle fair erscheint. Etwas Restrisiko bleibt immer. Sonst unterscheidet man irgendwann auch noch zwischen den gut Geimpften oder schlecht Geimpften. Es gibt doch jetzt schon nicht nur den Impfneid, sondern auch schon den Impfstoffneid.

Eine Quelle: www.bz-berlin.de

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