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Vor Polizeieinsatz in Friedrichshain : Geisel, Grüne und Schmidt – der Kampf um die Rigaer 94

Baustadtrat Schmidt will Brandschutzexperten nicht alle Räume im Linksextremisten-Haus prüfen lassen. Innensenator Geisel hält dagegen, die Grünen sperren sich.

Vor Polizeieinsatz in Friedrichshain : Geisel, Grüne und Schmidt – der Kampf um die Rigaer 94

Im vergangenen Jahr wurden in der Rigaer 94 mehrere Wohnungen von der der Polizei durchsucht.Foto: Paul Zinken/dpa

Etwa eine Woche vor dem geplanten Polizeieinsatz zur Brandschutzprüfung im teilbesetzten Haus in der Rigaer Straße 94 liefern sich Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD), der rot-rot-grüne Senat und das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg einen Kampf um das genaue Vorgehen.

Der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), hat am Montag seine im Dezember erteilte Prüfanordnung an den Eigentümer der Immobilie eingeschränkt. Demnach soll für die Untersuchung durch einen staatlich anerkennten Gutachter nicht mehr das gesamte Haus untersucht werden.

Parallel will Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Dienstag eine Entscheidung des Senats herbeiführen, die eine Begehung des gesamten Hauses nach sich ziehen würde. Doch besonders die Grünen sperren sich dagegen, um ihren Parteikollegen Schmidt zu schützen. Geisel will „Bezirksaufsichtsmaßnahmen gegen das Bezirksamt“ durchsetzen, weil sich Schmidt weigert, eine sogenannte Duldungsanordnung gegen alle Nutzer des Hauses und für alle Räume zu erlassen.

Rechtlich ist dafür ein Senatsbeschluss nötig. In der Runde der Staatssekretäre plädierten einige für eine Verschiebung der Entscheidung. Am Ende stand ein Kompromiss: Für die Senatssitzung am Dienstag ist nur eine „politische Erörterung“ geplant. Die Linke übte sich in Zurückhaltung und befand, Geisel könne das selbst durchsetzen.  

Insbesondere für die Grünen steht viel auf dem Spiel. Dabei hatte Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch hatte ihre Parteifreunde in Friedrichshain-Kreuzberg Mitte Januar gemahnt: „Der Brandschutz muss gewährleistet werden.“ Sie erwarte, dass das Bezirksamt das mit Eigentümer und Innensenator Andreas Geisel (SPD) „ermöglicht und gewährleistet“.

Doch die Senatoren und die Fraktionsspitze der Grünen wollen lieber, dass das Bezirksamt selbst den Brandschutz im Haus prüft und dann Mängel beseitigt. Aus den Reihen der Grünen wird Geisel vorgeworfen, mit einem Senatsbeschluss und einer Weisung an das Bezirksamt „juristisches Harakiri“ zu betreiben. Tatsächlich hat Geisel aber das Gesetz auf seiner Seite.

Es sieht vor, dass zunächst der Eigentümer verpflichtet werden muss, Brandschutzmängel zu beseitigen. Erst wenn das nicht klappt, kann der Staat selbst tätig werden.

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Die zentrale Frage ist nun: Soll das gesamte Haus, Hotspot der gewaltbereiten linksextremistischen Szene, von einem staatlich anerkannten Gutachter überprüft werden, was einen Großeinsatz nach sich ziehen würde? Oder soll der Gutachter nur die ohnehin zugänglichen Flächen wie Keller, Hof und Treppenhaus sowie zwei Gewerberäume betreten dürfen? Von Letzterem verspricht sich Schmidt eine Deeskalation der Lage – und dass damit kein Großeinsatz der Polizei nötig wird.

Schmidt sagte dem Tagesspiegel, das Bezirksamt suche weiterhin eine rechtskonforme Lösung für Brandschutzbegehung. Die Innenverwaltung habe seine Vorschläge „aus nicht nachvollziehbaren Gründen“ abgelehnt. „Die Forderung des Eigentümers und der Innenverwaltung, dass alle Wohnungen in der Rigaer Straße zum jetzigen Zeitpunkt begangen werden müssen, dürfte einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten“, sagte Schmidt.

Der Baustadtrat hat am Montag nun die ursprüngliche Anordnung an den Eigentümer vom 11. Dezember, den Brandschutz um das Haus zu prüfen und Mängel zu beseitigen, geändert. Er habe konkretisiert, welche Räume begangen und überprüft werden sollen. Demnach sollen neben den zugänglichen Flächen wie Treppenhaus, Hof und Keller nur noch eine Wohnung sowie die Kneipe „Kadterschmiede“ und der Jugendclub „Keimzelle“ überprüft werden.

„Sollte eine deeskalative Lösung weiterhin vom Innensenator abgelehnt werden, wird so zumindest etwas mehr Rechtssicherheit geschaffen“, sagte Schmidt. Geisels Forderungen, dem Eigentümer Zutritt zu sämtlichen Privatwohnungen zu verschaffen, selbst dort, wo gar keine Mängelanzeige vorliege, sei rechtlich fragwürdig.  

Verstellte Fluchtwege, Wanddurchbrüche, offene Stromleitungen, Sperren und Falltüren

Die Anwälte des Eigentümers und auch der von ihnen beauftragte Gutachter halten es nicht für möglich, mit dieser Einschränkung den Zustand des Gebäudes zu begutachten. Allein die bisherigen Hinweise stammen lediglich aus früheren Polizeieinsätzen, seien aber gravierend. Es sei davon auszugehen, dass im gesamten Haus enorme Brandschutzmängel bestehen. Um das zu überprüfen, müssten alle Räume begangen werden.

Schmidt hatte die Anordnung an den Eigentümer erlassen, nachdem die Bezirksaufsicht in einem im März 2020 gestarteten Verfahren Druck gemacht hatte. Schmidt und Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) wussten seit 2016 von konkreten Hinweisen auf Brandschutzmängel, hinderten die eigene Bauaufsicht aber daran, ein offizielles Verfahren einzuleiten. Es geht um Fluchtwege, Wanddurchbrüche, von Laien verlegte Stromleitungen, Sperren in Treppenhäusern und Falltüren.

[Tür-Klau im Berliner Besetzerkiez? :Das Geheimnis um die Haustür in der Rigaer Straße 94 – weiterlesen bei Tagesspiegel Plus]

Zunächst hatte das Kammergericht im Februar entschieden, dass ein Teil der Bewohner den Zugang des Gutachters und des Eigentümers zu ihren Räumen dulden müssen. Das Verwaltungsgericht entschied danach, dass die Polizei dem Eigentümer beim Begehen des Hauses Schutz gewähren müssen. Und es befand, dass im gesamten Gebäudekomplex Brandschutzmängel bestehen.

Zudem rückten beide Gerichte den Umgang mit der Eigentümerfirma, hinter der sich ein Berliner aus Angst vor Attacken der Linksextremisten verbirgt, zurecht: Sie haben entschieden, dass die Anwälte über ausreichende Vertretungsbefugnisse verfügen. Damit lag die vom Innensenator stets geforderte Rechtssicherheit vor.  

Die Brandschutzaffäre in der Rigaer 94

  • Seit Februar 2016 wusste die Spitze des Bezirksamts von den Brandschutzproblemen
  • Innensenator Geisel prüfte seit März 2020, ob das Bezirksamt seiner Pflicht zur Gefahrenabwehr nachgekommen ist.
  • Im Herbst 2020 widersprach die oberste Landes-Bauaufsicht den Hinhaltemanövern von Herrmann und Schmidt.
  • Die ganze Story: Chronik eines Rechtsbruchs – so schützte Florian Schmidt die Autonomen in der Rigaer 94.
  • Schmidt gibt nach und verpflichtet Eigentümer: Doch Geisel will den Bezirk losschicken.
  • Bezirk sieht Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung – doch die Polizei will nichts tun.
  • Justiz bringt die Wende – Gerichte erkennen den Eigentümer an.
  • Baustadtrat Schmidt will Polizei-Großeinsatz in Rigaer 94 verhindern
  • Innensenator Geisel gegen Baustadtrat Schmidt: Das ganze Haus oder nur ein paar Räume?

Nach dem Berliner Baurecht, sind die Behörden berechtigt, „zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung auch Wohnungen zu betreten“  – und zwar ohne Richterbeschluss. Dafür können die Behörden sogenannte Duldungsanordnungen gegen Bewohner erlassen.  

Dass Schmidt diese Duldungsanordnung nicht für das gesamte Haus erlassen will, wird in der Innenverwaltung für rechtswidrig gehalten. Das Verwaltungsgericht habe auch entschieden, dass das Bezirksamt eine Duldungsanordnung für das gesamte Haus anordnen muss, damit der Brandschutz überprüft werden kann.

Es sei fahrlässig und nicht sachgerecht, die Duldungsanordnung auf wenige Räumlichkeiten zu beschränken, „da es um die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben von Menschen geht“, sagte Geisels Sprecher. „Dies umfasst das gesamte Gebäude.“

Indes mobilisiert die linksextremistische Szene gegen den Polizeieinsatz am 11. und 12. März. „Aus dem Winterschlaf in die Eskalation“, steht auf Plakaten, die im Kiez hängen. Und darüber: „Unsere Leidenschaft für die Freiheit ist stärker als jede Autorität.“ Bei Twitter fordern Unterstützer auf, Plakate abzuholen und aufzuhängen. „Die Stadt hat viele Wände und Fassaden, die nur darauf warten.“

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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