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Vertrauen beschädigt? : Die Nüßlein-Affäre gefährdet die deutsche Corona-Politik

Deutschland ist stolz auf seine dröge, aber ehrliche politische Klasse. Dieses Bild bekommt jetzt Risse – zur Unzeit. Ein Kommentar.

Vertrauen beschädigt? : Die Nüßlein-Affäre gefährdet die deutsche Corona-Politik

Georg Nüßlein in der 203. Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude am 13.01.2021.Foto: imago images/Future Image

Der Fall Georg Nüßlein könnte zu einem Wendepunkt in der deutschen Corona-Politik werden. Auf dem Spiel steht nicht nur das Ansehen Nüßleins, sondern das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die politische Klasse insgesamt, ausgerechnet jetzt.

In der ziemlich skandalfreien deutschen Politik sticht der Fall heraus und ist gerade deshalb so gefährlich. Gegen den CSU-Politiker und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Union wird wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und der Bestechung ermittelt. Er soll eine Provision von 660.000 Euro dafür berechnet haben, im Frühjahr 2020 Geschäfte über Corona-Schutzmasken mit Behörden vermittelt zu haben.

Das bayerische Gesundheitsministerium bestellte Masken eines Unternehmens, für das er sich einsetzte. Auch an das Bundesgesundheitsministerium hat Nüßlein ein Angebot übermittelt, das Geschäft kam zustande. Der Skandal könnte sich ausweiten. Mindestens eine weitere Lobbyistin aus CSU-Kreisen soll Kontakte in das Bundesgesundheitsministerium und in die Länder genutzt haben, um für Maskenverkäufer zu werben. Das berichtet der „Spiegel“.

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Die Nachrichten kommen zur Unzeit. Die weitgehende Skandalfreiheit der deutschen politischen Klasse ist die Grundlage für das im internationalen Vergleich hohe Vertrauen der Deutschen in die Politik. Gerade in Zeiten von Corona ist dieses Vertrauen ein zentraler Faktor für die Erfolge in der Pandemiebekämpfung – und derzeit sinkt die Zustimmung zu den Maßnahmen ohnehin.

Politiker beschworen das “Wir” und lebten es

Um die Bürger zum Mitmachen zu bewegen, haben Politikerinnen immer wieder drastische Vergleiche bemüht. Angela Merkel sagte, dies sei die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, Jens Spahn sprach von einem „Jahrhundertereignis“. Um dem zu begegnen wurde ein großes „Wir“ beschworen. Und die Bürger machten mit – nicht zuletzt, weil die meisten Politiker dieses „Wir“ selbst leben.

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Mehrere Kabinettsmitglieder und auch die Kanzlerin begaben sich in Quarantäne, als Personen in ihrem Umfeld positiv getestet wurden. Das große politische Business wurde in Videokonferenzen verlegt.

Während in den USA Donald Trump auf dem Höhepunkt der Pandemie Tausende Anhänger zu einem Indoor-Wahlkampfevent versammelte und in Großbritannien Dominic Cummings, ein Top-Berater des Premierministers, in den Urlaub fuhr, obwohl die Bürger Reisen unterlassen sollten, saßen deutsche Politiker mit wuscheligen Corona-Frisuren in Talkshows. Deutschland war wieder einmal stolz auf seine dröge, aber ehrliche politische Klasse. Dieses Bild droht nun Risse zu bekommen.

Jens Spahn und das Spenden-Dinner

Auch jenseits der womöglich strafrechtlich relevanten Vorgänge um Lobbyarbeit für Maskenverkäufer waren manche offenbar weniger „Wir“ als andere, nämlich der Gesundheitsminister. Wie jetzt bekannt wurde, hat Spahn noch am 20. Oktober an einem Dinner teilgenommen, das ein Bekannter in Leipzig für den Minister ausgerichtet hat. Ein Dutzend Unternehmer sollen anwesend gewesen sein, sie sollen aufgefordert worden sein, an Spahns Wahlkreis-CDU zu spenden.

Aus rechtlicher Sicht hat das mit dem Fall Nüßlein nichts gemein, Spahn beging damit nicht einmal eine Ordnungswidrigkeit, verschärfte Kontaktbeschränkungen wurden erst wieder am 28. Oktober beschlossen. Für die Glaubwürdigkeit der Politik ist es dennoch fatal, denn im Oktober stiegen die Zahlen stark an, Verschärfungen wurden längst diskutiert.

In den vergangenen Jahren wurden teilweise zu hohe moralische Standards an Politiker angelegt, Christian Wulff musste wegen eines geschenkten Bobbycars zurücktreten. In der Pandemie aber sind hohe Standards richtig. Das gilt für Lobbyismus, aber auch für persönliches Verhalten. Der Alltag der Bürger wurde radikal politisiert – das Verhalten jedes Einzelnen gilt als entscheidend für den Erfolg. Umso wichtiger ist jetzt Aufklärung. In der Pandemie ist Vertrauen das wichtigste politische Kapital.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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