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„Ungeimpft“-Sterne und KZ-Sprüche bei Coronademos : Wie strafbar wird, was unerträglich ist

Zunehmend geht die Justiz gegen Demonstrierende vor, die Deutschlands NS-Vergangenheit für ihren Protest verzwecken. Sind es Volksverhetzer? Ein Kommentar

„Ungeimpft“-Sterne und KZ-Sprüche bei Coronademos : Wie strafbar wird, was unerträglich ist

Verdacht auf Volksverhetzung. So markieren sich manche Demonstranten auf Demos gegen Coronamaßnahmen.Foto: Boris Roessler/dpa

Impfgegner, die ihren Protest über Vergleiche mit der Judenverfolgung unter den Nazis artikulieren, bekommen verstärkt Ärger mit der Justiz. So hat jetzt das Amtsgericht München einen Mann wegen Volksverhetzung verurteilt, weil er den zynischen Spruch „Arbeit macht frei“, der über Eingangstoren an Konzentrationslagern zu finden ist, auf seinem Facebook-Auftritt in „Impfung macht frei“ abwandelte. Auch im Zusammenhang mit der Verwendung eines gelben Davidsterns und der Aufschrift „Ungeimpft“ nehmen Strafverfahren zu. Nach Recherchen des „Mediendienst Integration“ kamen in fünf Bundesländern schon Fälle vor Gericht. Allerdings, was manche überraschen mag, mit unterschiedlichem Ausgang. Wird Strafverfolgung hier beliebig?

„Unter Hitler war nicht alles schlecht“, meinen manche

Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Die Differenzen haben ihre wesentliche Ursache in den Nuancen des Tatbestands der Volksverhetzung, Paragraf 130 des Strafgesetzbuchs. Strafbar ist danach unter anderem, den Massenmord an Jüdinnen und Juden zu verharmlosen. Strafbar macht sich indes auch, wer abstrakt die nationalsozialistische Gewaltherrschaft als solche „billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.“ In dieser Variante fehlt das Merkmal „verharmlosen“. Die Folge: Im Prinzip ist es bisher erlaubt, die Naziherrschaft weniger schlimm erscheinen zu lassen, als sie war. Standardbeispiel ist ein Satz wie „unter Hitler war nicht alles schlecht“ – eine Aussage übrigens, der bei einer repräsentativen Umfrage in Österreich vor neun Jahren noch mehr als vierzig Prozent der Bevölkerung zustimmen konnten. Zudem stellt sich beim Volksverhetzungs-Tatbestand regelmäßig die Frage, ob durch die Tat der öffentliche Friede gestört wurde oder gestört werden konnte.Fehlt es daran, kann es zum Freispruch kommen.

Strafen drohen, wenn Protestler auf den Holocaust anspielen

Strafbar sind Nazi-Anspielungen daher vor allem dann, wenn sie sich konkret auf den Holocaust beziehen lassen. Genügt dafür das Zeigen oder Tragen eines gelben Davidsterns, wie die Nazis ihn nutzten, um die Verfolgten zu markieren? Das müssen nun anhand von Einzelfällen die Gerichte entscheiden. Auch historisch Forschende werden mitzureden haben. Einfacher wird es, wenn mutmaßliche Täter Stern und Völkermord selbst klar in Beziehung setzen. So wurde ein Mann verurteilt, weil er bei einem Parteitag der AfD 2018 ein Plakat hochhielt, das auf der einen Hälfte den Stern und die Zeitangabe „1933 – 1945“ zeigte und auf der anderen das AfD-Logo mit dem Zeitraum „2013 – ?“. Der Mann sah in dem Urteil seine Meinungsfreiheit bedroht, scheiterte aber mit einer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht.

Ähnlich ist es mit dem verfremdeten Nazispruch „Impfung macht frei“. Manche Corona-Demonstranten sahen einen Reiz darin, ihn gerade in jener Schriftform zu präsentieren, wie er über den KZ-Toren geschmiedet war. Auch der Mann, der jetzt in München verurteilt wurde, hat die Aussage mit einem KZ-Foto gezeigt. Man kann gut argumentieren, dass solche obszönen Äußerungen direkt darauf zielen, den Holocaust zu verharmlosen – und nicht darauf, sich lediglich selbst als politisch verfolgtes Opfer in Szene zu setzen.

Die Justiz ist unabhängig, aber nicht frei von Druck

In mehreren Landesregierungen wurde entschieden, dass schon das bloße Tragen eines Ungeimpft-Sterns den Anfangsverdacht einer Volksverhetzung begründet. Manche richteten entsprechende Erlasse an ihre Polizei. Es ist deshalb damit zu rechnen, dass der Stern aus dem Corona- Demobild verschwinden wird. Wahrscheinlich werden diese Ansagen auch eine indirekte Wirkung auf die Gerichte entfalten. Justiz ist unabhängig, aber sie ist nicht frei von Druck.

So werden die Fälle wohl ein Beispiel dafür bilden, wie mit zunehmender Selbstverständlichkeit als unerträglich empfundene Aussagen und Darstellungen mit Mitteln des Strafrechts beschränkt werden. Was früher ein Holocaustleugner war, kann heute auch ein Impfsternträger sein. Oder gibt es Unterschiede, die man übersehen hat?

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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