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Ulrich Tukur spielt Maestro-Macho : Vorhang zu, alle Fragen offen

Der Opernfilm „Die Unschuldsvermutung“ bleibt in der Hinterbühne stecken. Echte Fans schauen “Don Giovanni” bei Arte

Ulrich Tukur spielt Maestro-Macho : Vorhang zu, alle Fragen offen

So viel Rache muss sein. Managerin Ada (Daniela Golposhin) „verziert“ ein Festspielplakat mit ihrem Kommentar zu Stardirigent…Foto: dpa

Was ist aufregender: die Oper auf der Bühne oder eine über die Intrigen hinter der Bühne? Michael Sturmingers deutsch-österreichischer ARD-Film „Die Unschuldsvermutung“ lässt den Vorhang meist zu und das Wichtigste offen. Der TV-Oper vom Entstehen einer „Don Giovanni“-Inszenierung in Salzburg und dem Sturz eines eitlen Stardirigenten (Ulrich Tukur) fehlt es an Tiefe. Eine gefühlte Ewigkeit verbringen wir Fernsehzuschauer damit, all die Verrückten kennenzulernen, die hinter der Salzburger Festspielbühne laut, eitel und selbstverliebt ihrer Aufgabe nachkommen.

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Panoptikum-Alarm: Opernleiter können wir Laien uns noch als so samtpfötig und hinterlistig vorstellen, wie sie den Intendanten Christoph Winterblum (August Zirner) und seine Präsidentin Hedi (Michou Friesz) hier vorführen. Aber einen Verführer wie den Dirigenten und Machomaestro Marius Atterson?

Fast hätte hier Tatterson gestanden. Denn der sonst so verlässlich aufregende Schauspieler Ulrich Tukur wird bei Sturminger in die Rolle eines abgewrackten Machos gepresst. Vor allem: Wo sollen solche Frauen gewachsen sein, die sich von säftelnden Schmeicheleien, von Champagner und von einem Fußmassageangebot im Hotel-Sacher-Ambiente herumkriegen lassen und dann noch glauben würden, da sei Liebe im Spiel? Wenn Atterson das Muttersöhnchen gibt, läuten die Glocken von früher, aber Selbstironie stellt sich nicht ein. Der Mutter – wunderbar von Christine Ostermayer gespielt – hätte das ein Anlass gewesen sein können, sich selbst und den Klamauk auf die Schippe zu nehmen. Aber denkste.

[ „Die Unschuldsvermutung“, ARD, Mittwoch, 20 Uhr 15; „Don Giovanni“, in der Arte-Mediathek]

Geprägt ist die larmoyante Hinterbühnengeschichte, in deren Verlauf Atterson-Verfolgerinnen den Frauen-Flachleger-Methusalem zum besiegten MeToosalem umformen werden, von reichlicher Derbheit. Weil ein ursprünglich als Regisseur vorgesehener Borderliner übergeschnappt und in der Klapsmühle gelandet ist, kommt die scharfkantige Beate Zierau (Catrin Striebeck) zum Zuge.

Die ist alles andere als ein Tränentier. Sie war mal mit Atterson verheiratet, hat ihren Kummer über den notorisch Treulosen in Rotzigkeit verwandelt und gibt jetzt die Ensemble-Tyrannin. Identifikation mit dem Aggressor nennen das Psychologen. Striebeck spielt diese Kompensation überzeugend, aber weichere Seiten von sich zu zeigen, lassen Buch und Regie nicht zu. Als wäre Ambivalenz der Feind der Frauenbefreiung.

Die anderen Gesellinnen, die mit auf Kaperfahrt wider Atterson gehen, sind bemüht, aber erwartbar: eine Journalistin (Marie-Christine Friedrich), kalte Info-Engelin mit Mikro im Ausschnitt, sowie die von Eifersuchtsattacken nicht geheilte Atterson-Managerin Ada (Daniela Golpashin).

Schwanger vom Pultcharmeur

Fürs mitleidige Gemüt wird als vierte MeToodistin Karina (Laura de Boer) eingesetzt: Meisterschülerin von Atterson, ehrgeizig, aber schwanger vom Pultcharmeur. Die Dirigentenaushilfe sieht der Film öfter zum Lokus rennen als den Taktstock schwingen.

Die finale Strafaktion gegen Atterson verläuft in der Film-Oper harmlos. Der Taktstock, den die MeToo-Attentäterinnen dem darniederliegenden Frauenversehrer ursprünglich durchs Auge ins Hirn bohren wollten, bleibt unbenutzt. Dafür muss er sich vom Boxhandschuh k. o. schlagen lassen und wird von den Damen ins Hotelbett gebracht. Wie man ihn so bettet, macht sich im Zuschauer Ermüdung bemerkbar. Irgendetwas fehlt.

Es herrscht Mozart-Entzug. Nur für wenige Momente erklingt dessen Musik. Das Ego-Gelärme der Macher stoppt musikalische Erlösungswünsche.

Adorno bewundert Mozart

An den Bildungstankstellen aber gibt es Hilfe, in der auf die Größe der Wahnsinnsoper verwiesen wird. Adorno bewundert: Ein Thema klinge bei Mozart so, „als hätte Musik aller Kontrollen, der Schmach aller Bindungen sich entäußert und entschwebte der Erde mit der Seligkeit von Amoretten“. Kierkegaard schwärmt von Don Giovannis „sinnlicher Genialität“.

Und wer nicht lesen will, kann sich sogar im Fernsehen bilden. Da läuft in der Arte-Mediathek die faszinierende neue Salzburger „Don Giovanni“-Inszenierung von Teodor Currentzis (Dirigat) und Romeo Castellucci (Regie). Ein Auto fällt vom Schnürboden, auch ein Klavier, Bälle zum Zerschneiden. Die berühmte Registerarie kommt aus dem Drucker, Doppelgänger der Akteure erklären die Psyche der Figuren, Mozarts Musik darf schweben, die Sänger singen.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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