Ein umstrittener Transgender-Text richtet den Blick aufs Fernsehen. Und da sollte die „Sendung mit der Maus“ ruhig an Lebensrealität heran führen. Eine Meinung.
Die Maus klärt auf, zu (fast) allem.Foto: WDR
Ach ja, die „Sendung mit der Maus“. Woche für Woche erklärt sie uns und vor allem unseren Kindern im Fernsehen das Funktionieren der Welt. Wozu mittlerweile ein bisschen mehr gehört als die Beschaffenheit eines Bleistifts oder die Frage „Wie kommt der Rasen ins Stadion?“. Die Maus erklärt immer etwas. Damit die Kinder es verstehen. Also hat sie in einem Beitrag vor Wochen aufgezeigt, was Transsexualität ist: „Eine Transperson ist ein Mensch, der zum Beispiel als Mädchen geboren wurde, aber eigentlich ein Junge ist. Oder andersrum, als Junge geboren wurde, sich aber eigentlich wie ein Mädchen fühlt.“
Das hat zuerst Ex-„Bild“-Chef Julian Reichelt aufgeregt. Er fürchtet, die Kinder könnten mit diesem ARD-Beitrag angestiftet werden, ihr Geschlecht in Frage zu stellen. Die elaborierte Version dieser Sichtweise lieferte zuletzt ein heftig diskutierter Gastbeitrag in der „Welt“. Da machten fünf Autoren ARD und ZDF den Vorwurf, „unsere Kinder“ zu indoktrinieren. In der „Sendung mit der Maus“ gebe es eine „Transgender-Ideologie“, öffentlich-rechtliches Fernsehen wolle Kinder „sexualisieren und umerziehen“.
Das hat nicht nur die queere Gemeinde aufgeregt, sondern auch Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner, der in einem Brief an die Mitarbeiter die Pauschalität monierte, mit der die öffentlich-rechtlichen Sender für ihre Berichte über transsexuelle Identitäten bei Kindern und Jugendlichen kritisiert würden.
Wenn das eine Anstiftung zur Infragestellung des Geschlechts ist
Außerdem missfiel ihm, dass der Gastbeitrag suggeriert, dass es nur zwei Geschlechtsidentitäten gibt. Wissenschaftlich sei der Text bestenfalls „grob einseitig“, der „ganze Ton oberflächlich, herablassend und ressentimentgeladen. Nicht weit entfernt von der reaktionären Haltung: Homosexualität ist eine Krankheit.“
Die Debatte zur Meinungsfreiheit hier mal beiseitegelassen, würde diesem Streit sicher helfen, wenn auf allen Seiten etwas Entspannung einkehren könnte. Wer sich in der ARD-Mediathek oder auf Youtube die inkriminierte Maus-Sendung anschaut, wird sich fragen: Wenn das eine Anstiftung zur Infragestellung des Geschlechts ist, dann müssten wir alle nach der Sendung mit dem Bleistift – ein Bleistift werden wollen.
[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Im Ernst: Weshalb sollten Kinder nicht an dieses Thema herangeführt werden? Zumal das nicht im luftleeren Raum steht. Es gibt überall Diversity-Debatten, vermehrt öffentliche Aufklärung und Coming-outs. Auch das könnte jungen Menschen, die sich ihrer sexuellen Identität nicht gewiss sind, die sich als Junge wie ein Mädchen fühlen oder umgekehrt, helfen, mit dieser kritischen Situation umzugehen, sich Hilfe zu suchen, auf Verständnis zu bauen.
Die Maus weckt Mitgefühl für Menschen, die nicht zur Mehrheitsgesellschaft gehören, also auch für trans Personen. Das ist die Lebensrealität. Die gehört in die „Sendung mit der Maus“.
Eine Quelle: www.tagesspiegel.de