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Tourismusbeauftragte der Bundesregierung : „Ja, ich würde jetzt meinen Sommerurlaub buchen“

Grünen-Politikerin Claudia Müller über Reisewünsche in Kriegszeiten, die Abhängigkeit Deutschlands vom russischen Gas und die Zukunft der deutschen Werften.

Tourismusbeauftragte der Bundesregierung : „Ja, ich würde jetzt meinen Sommerurlaub buchen“

Einfach mal abschalten: Reisen ist einfacher geworden, seitdem Deutschland alle Länder von der Liste der Corona-Hochrisikogebiete…Foto: imago images/mblach

Darf man an Urlaub denken, wenn in der Ukraine Menschen um ihr Leben kämpfen? Ja, sagt Claudia Müller. Die Grünen-Politikerin, 1981 in Rostock geboren, ist Beauftragte der Bundesregierung für maritime Wirtschaft und Tourismus.

Der Krieg muss aufhören, fordert Müller, aber die Sehnsucht nach Erholung ist legitim. Ein Gespräch über Reisewünsche in Kriegszeiten, die Zukunft der deutschen Werften und Wege, die Abhängigkeit Deutschlands vom russischen Erdgas zu beenden.

Frau Müller, viele Bundesbürger möchten endlich wieder verreisen. Macht der Krieg den Reisewünschen einen Strich durch die Rechnung?
Zunächst einmal: Die Urlaubsfrage ist mit Blick auf den Krieg wirklich keine, die für irgendwen im Vordergrund stünde. Der Krieg muss aufhören, Putin muss ihn beenden – alles andere ist zweitrangig. Nun zu Ihrer Frage: Natürlich hat der Krieg Auswirkungen auf den Tourismus in der Ukraine, in Russland und in den umliegenden Ländern, aber das sind nicht die Hauptreiseziele für deutsche Urlauber.

In den meisten Teilen der Welt wird das Reisen sicher sein. Für die Reisebranche ist die Frage, wie sich Corona entwickelt, der kritischere Punkt.

Tourismusbeauftragte der Bundesregierung : „Ja, ich würde jetzt meinen Sommerurlaub buchen“

Claudia Müller ist im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz für den Tourismus und die deutsche Schifffahrtsindustrie…Foto: Stefan Sauer/picture alliance/dpa

Der Luftraum über Russland ist für deutsche Fluggesellschaften gesperrt. Wie gravierend ist das für Airlines und Reiseveranstalter? Oder spielt diese Route praktisch keine Rolle?
Nach Russland und in die Ukraine fliegt im Moment von Deutschland aus ohnehin niemand, die Menschen fliehen ja derzeit zu uns. Was weiter entfernte Reiseziele und Routen angeht, muss man abwarten, wie sich die Lage entwickelt.

Aber noch mal: Entscheidend ist jetzt nicht die schnellste Route von A nach B. Entscheidend ist, dass wieder Frieden herrscht in Europa.

Würden Sie jetzt Sommerurlaub buchen?
Ja, das würde ich tun. Wir werden alle Urlaub brauchen. Die letzten Jahre waren sehr belastend, vor allem für Familien. Der Krieg ist nun eine weitere zusätzliche Belastung, die die Menschen mitnimmt. Wir alle haben Erholung nötig.

Das ist wichtig. Man muss abschalten, sonst stoßen wir alle irgendwann unsere Grenzen.

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Vom einfachen Reisen sind wir weit entfernt. Vor jeder Reise muss man studieren, welche Vorschriften bezüglich Impfungen, Tests oder Anmeldungen bestehen. Eigentlich sollten ab Februar einheitliche Regelungen in der EU gelten, aber davon kann nicht die Rede sein. Ändert sich das noch?
Wir passen unsere Vorgaben den europäischen Regeln an. Seit Donnerstag gelten als Hochrisikogebiet nur noch Gebiete, in denen eine hohe Inzidenz einer Variante mit besonderer Gefährlichkeit des Infektionsgeschehens vorliegt.

Da dies bei Omikron nicht der Fall ist, fallen alle bisherigen Hochrisikogebiete weg. Außerdem müssen Kinder nach der Rückkehr aus Hochrisikogebieten nicht mehr in Quarantäne. Die Erleichterungen sind damit rechtzeitig für den Osterurlaub in Kraft.

Am 19. März läuft das Infektionsschutzgesetz aus. Wird es auch danach noch Virusvarianten- und Hochrisikogebiete geben?
Theoretisch ja. Im Moment ist Omikron aber überall die herrschende Variante, das heißt derzeit gibt es keine Hochrisiko- oder Virusvariantengebiete. Aber das kann sich ja wieder ändern. Allerdings sind inzwischen ja doch viele Menschen geimpft, so dass das Gesundheitssystem nicht vor einer Überforderung steht. Die Zeichen stehen daher auf Lockerungen.

In vielen Ländern darf die letzte Impfung nur 270 Tage zurückliegen. Brauchen Geboosterte, deren dritte Impfung länger her ist, eine vierte Impfung?
Das ist noch nicht ganz klar. Genauso wie die Frage, welche Impfstoffe anerkannt werden. Nicht alle Impfstoffe, die auf der Liste der Weltgesundheitsorganisation stehen, sind in der EU zugelassen. Wir müssen das mit unseren europäischen Partnern klären, im März treffen sich die Tourismusminister in Dijon.

Tourismusbeauftragte der Bundesregierung : „Ja, ich würde jetzt meinen Sommerurlaub buchen“

Kreuzfahrtriese: Das Schiff sollte von der Werft in Wismar zu Ende gebaut werden, doch dann mussten die MV Werften Insolvenz…Foto: Annegret Hilse/Reuters

Fallen nach dem 19. März alle Einschränkungen zumindest für den Deutschland-Urlaub weg? Können Hoteliers und Wirte dann die Korken knallen lassen?
Mal sehen. Die Länder hätten ja schon gern noch Möglichkeiten, in Risikosituationen zu reagieren. Es ist gut, dass Einschränkungen zurückgenommen werden.

Nicht nur für Hoteliers und Wirte, sondern auch für den gesamten Kulturbereich, der ja auch wichtig ist für den Tourismus. Es ist Zeit, dass dieses Angebot wieder hochgefahren wird. Große Veranstaltungen brauchen einen langen Vorlauf, hier ist Planungssicherheit wichtig.

Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga berichtet über Umsatzeinbußen von 70 Prozent durch Corona. In welchem Maße haben die staatlichen Hilfen geholfen?
Die Kurzarbeiterregelungen waren sehr hilfreich. Und auch die staatlichen Hilfen haben Insolvenzen und Betriebsaufgaben verhindert. Rund 43 Prozent aller Corona-Hilfen sind in den touristischen Bereich und in die Gastronomie geflossen. Viele Hotelbetreiber haben mir gesagt, die Unterstützung sei genau das, was sie gebraucht haben.

Derzeit wird ein Großteil der Fixkosten erstattet. Natürlich fand die Branche die November- und Dezemberhilfen großartig, weil dort auch Umsatzausfälle kompensiert worden sind. Aber das ist nicht die Aufgabe von Wirtschaftshilfen. Sie sollen das Unternehmen absichern.

Der Staat hat dem Reiseveranstalter Tui mehrere Hilfsmaßnahmen gewährt, darunter eine Kreditlinie über rund drei Milliarden Euro gewährt. Wie viel haben Sie an den Zinsen verdient?
Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Staats vergibt verzinste Kredite. Das Geld gibt es nicht zum Nulltarif. So lange die Tui die Kredite hat, bekommt der Staat Zinsen. Die Höhe ist vertraulich. Aber die Tui will ja zum 1. April 700 Millionen Euro zurückzahlen.

420 Millionen Euro der Staatshilfe ließen sich in Aktien umwandeln. Wollen Sie das tun?
Das werden wir zu gegebener Zeit prüfen. Derzeit gibt es dazu keine Entscheidung.

Beeinflusst die Tatsache, dass der russische Großaktionär der Tui, Alexej Mordaschow, wegen des Kriegs auf der Sanktionsliste steht, Ihre Entscheidung?
Auch das werden wir uns anschauen.

Auch die MV Werften hätten gern staatliche Hilfen. Wollen Sie alle Standorte retten?

Es gibt derzeit ein großes Interesse an den Standorten, auch an dem Kreuzfahrtschiff „Global One“, das in Wismar gebaut wird. Für die drei Standorte in Mecklenburg-Vorpommern ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Die Interessenten kommen aus dem maritimen Bereich, ich bin daher optimistisch, dass wir vor Ort weiterhin maritime Wirtschaft haben werden. Die Standorte werden aber voraussichtlich nicht mehr in einer Hand liegen, sondern sie werden unterschiedliche Eigentümer bekommen mit unterschiedlichen Konzepten. Aber das ist ja nicht schlecht. Bei der Energieversorgung sehen wir ja jetzt, wohin eine zu große Abhängigkeit führt.

Nun soll ja Flüssiggas das russische Erdgas ersetzen.
Wir müssen uns von Russland lösen. Dazu brauchen wir Schiffe. Die Importkapazitäten der europäischen LNG-Terminals sind noch nicht ausgeschöpft, aber wir haben nicht genug Tankschiffe. Und um Offshore-Windanlagen auszubauen, sind nicht nur Plattformen nötig, sondern auch Serviceschiffe, um Leitungen zu verlegen.

Wir brauchen also unbedingt in Deutschland Standorte für Werften. Die werden wahrscheinlich vorerst keine Kreuzfahrtschiffe mehr bauen, aber andere Schiffe. In Zukunft könnten aber vielleicht auch Kreuzfahrtschiffe wieder gefragt sein, immer mehr Gäste legen Wert auf umweltfreundliche Antriebe. Das können deutsche Werften bauen.

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Können Investoren auf Hilfe vom Staat bauen?
Das EU-Beihilferecht gibt einen klaren Rahmen vor. Direkte Beihilfen an Werften sind schwierig. Wir haben aber allgemeine Wirtschaftsförderungsinstrumente, wie die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, kurz GRW. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen ist Unterstützung möglich.

Außerdem hilft die KfW-IPEX-Bank, und für den Export gibt es Hermes-Bürgschaften. Für den Weiterbau der „Global One“ in Wismar könnte ein Investor bei Vorliegen der Voraussetzungen auf diese Instrumente zurückgreifen.

Also 600 Millionen Euro allein vom Bund?
Ja, aber das geht nur, wenn der Investor seinerseits Eigenkapital mitbringt. Und das Geld muss beim Wirtschaftsstabilisierungsfonds bis zum 30. April beantragt sein.

Viel Zeit ist nicht mehr.

Ja, aber es passiert im Moment einiges. Die Werft in Stralsund ist kürzlich an die Hansestadt verkauft worden, sie ist jetzt in kommunaler Hand, der Insolvenzverwalter ist raus. Es gibt schon erste Interessenten für Pachtverträge. Das alles stimmt dann doch verhalten optimistisch.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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