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Tagebuch aus Kiew – Teil 1 : „Wir wollen kein Sklave Putins sein“

Sie leben in Angst vor russischen Soldaten und kommunizieren mit ihrem Verwandten in Hamburg. Anton Brushkivskyy berichtet, wie es der Familie in Kiew geht.

Tagebuch aus Kiew – Teil 1 : „Wir wollen kein Sklave Putins sein“

Angriff auf Kiew. Bei den Kämpfen zwischen der ukrainischen Armee und den russischen Invasoren wurden Öltanks getroffen. Die…Foto: Ukrinform/dpa

Anton Brushkivskyy (25) ist in der Ukraine geboren, arbeitet als Anlageberater in Hamburg und ist Mitglied des Berliner Fanklubs des FC Barcelona. Anton steht mit Verwandten und Freunden in der Region Kiew in ständigem Kontakt über die Messengerdienste WhatsApp und Telegram.

Seine Angehörigen leben in einem Haus in einem Vorort von Kiew. Die Verwandten sind Antons Tante Larissa und ihr Mann Anatolij, die Tochter Aljona mit Ehemann Viktor, Enkelin Viktoria (10) und Enkel Roman (6) sowie Aljonas Bruder Evgenij.

Die Familie hat zugestimmt, dass Anton in den kommenden Stunden und Tagen Fragen des Tagesspiegels beantwortet und auch Teile der Kommunikation bei WhatsApp und Telegram weiterleitet. Auf diese Weise wird eine Art Tagebuch der Familie in der Ukraine entstehen. Der erste Eintrag stammt vom 27. Februar.

Einzige Bedingung: der Name des Vororts solle nicht genannt werden, damit russische Stellen, die womöglich auch die Website der Zeitung lesen, keine Erkenntnisse über Positionen ukrainischer Soldaten in der Umgebung von Kiew erhalten.

Sonntag, 27. Februar, am Nachmittag:

Anton, wie geht es Deinen Verwandten?
Mein Cousin Evgenij schreibt, “wir haben Angst. Die Kinder springen in der Nacht auf und weinen. Wir schlafen auf dem Boden der ersten Etage unseres Familienhauses, um vor einem Einsturz des Daches geschützt zu sein”. Meine Verwandten geben den Soldaten bei uns Wasser zum Trinken. Die Kinder haben für die Soldaten Bilder gemalt.

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Was bekommt die Familie von den Kämpfen mit?
Jeden Morgen, sagt Evgenij, werden wir um zirka sieben Uhr von Explosionen geweckt. Er schreibt, “das Ganze geht mindestens zwei Stunden. Danach ist erstmal Stille. Gefolgt von Schüssen auf dem Land. Gerade jetzt hört man es wieder. Etwa 30 Kilometer von uns entfernt. Jeden Morgen warten wir auf den Abend und auf die Nacht und jeden Abend und jede Nacht auf den Morgen. Wenn die Sonne untergeht, gibt es wieder Raketenbeschuss. Heute Nacht wurde ein Öldepot getroffen, etwa 15 Kilometer weg. Die ganze Anlage brennt. Man sieht Rauch aufsteigen und das Feuer wird wahrscheinlich noch Wochen andauern.”

Viktor, der Mann meiner Cousine, hat sich vor zwei Tagen freiwillig für die territoriale Verteidigung von Kiew gemeldet. Er konnte nicht einfach tatenlos zusehen. Er will unbedingt sein Land, seine Heimat, verteidigen. Viktor kontrolliert nachts Autos am Stadtrand, die ankommen oder herausfahren. Gott sei Dank gab es bis jetzt keine Vorfälle.

Wollen Deine Angehörigen in der Region Kiew bleiben oder denken Sie daran, das Land zu verlassen?
Sie sagen, sie möchten in der Ukraine leben. Sie schreiben, “uns ging es gut hier. Wir wollen auf keinen Fall ein Teil von Russland sein und schon gar nicht ein Sklave Putins. Es wäre sehr schwierig, Kiew zu verlassen. Wir müssten mit mehreren Autos fahren. Viele Straßen und Brücken, die aus der Stadt führen, sind beschädigt. Es gibt kein Benzin an den Tankstellen. Wir müssen warten.”

Die Freundin meines Cousins Evgenij ist vor mehreren Tagen in den Westen der Ukraine gefahren. Aber Evgenij wollte nicht weg und seine Eltern und seine Schwester alleine lassen.

Anton, wie kommst Du selbst mit der Anspannung zurecht?
Ich kann es nicht in Worte fassen. Ich mache mir große Sorgen um meine Verwandtschaft, Freunde und Bekannte. Das Thema ist so präsent, dass ich an nichts anderes denken kann. Man versucht sich abzulenken, aber die Gedanken an die Menschen dort gehen nicht weg. Die ersten zwei Tage war es noch schlimmer. Ich habe geweint und nur aufs Handy geschaut, auf Nachrichten von meinen Verwandten gewartet.

Langsam gewöhnt man sich, leider gesagt, an das Ganze. Ich möchte helfen. Deshalb danke ich jedem, der mir schreibt und zur Seite steht.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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