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Stichwahl im ungarischen Oppositionsbündnis : Wer tritt 2022 gegen Viktor Orbán an?

An diesem Sonntag endet in Ungarn die gemeinsame Urwahl von sechs Oppositionsparteien. Sie haben im April 2022 nur als Einheit eine Chance gegen Orbán.

Stichwahl im ungarischen Oppositionsbündnis : Wer tritt 2022 gegen Viktor Orbán an?

Mögliche Kandidatin gegen Orbáa: Klara DobrevFoto: Reuters/Bernadett Szabo

Ein letzter Akt der Einheit, trotz zahlreicher politischer Differenzen. Die ungarische Opposition steht vor ihrer womöglich letzten Chance gegen Viktor Orbán, der Ungarn als Ministerpräsident seit elf Jahren regiert und politisch wie gesellschaftlich grundlegend umkrempelt.

Der Plan: Sechs oppositionelle Parteien schließen ein Bündnis, von der rechten Jobbik-Partei über die liberale Bewegung „Momentum“ bis zum linksgrünen „Dialog für Ungarn“ und halten offene Vorwahlen in zwei Runden ab. Die Oppositionsparteien schwören, sich hinter den Sieger:innen zu vereinen, für die Direktmandate in den 106 Wahlkreisen sowie für das Amt des Ministerpräsidenten. Damit hoffen sie, die Fidesz-KDNP-Koalition von Orbán in der Parlamentswahl im April 2022 zu besiegen.

An diesem Sonntag endet die zweite Runde, eine Stichwahl. Eine Woche lang konnten Wähler:innen online und in zahlreichen Wahlzelten im ganzen Land erneut ihre Stimme abgeben für den oder die Spitzenkandidat:in des Bündnisses. Wird es Péter Márki-Zay, Bürgermeister der südungarischen Stadt Hódmezövásárhely, der sich mit seiner selbst gegründeten „Bewegung für ein Ungarn für Alle“ rechts der Mitte verortet? Oder Klára Dobrev, Vizepräsidentin des Europaparlaments, die der „Demokratischen Koalition“ (DK) links der Mitte angehört?

Politischer Neuling gegen Orbáns Erzfeind

Péter Márki-Zay, wie Klára Dobrev 49 Jahre alt, steht für viele für einen politischen Neuanfang: Er will den Aufbruch aus dem polarisierten Ping-Pong zwischen dem rechten Viktor Orbán und dem linkeren Ferenc Gyurcsány, das die letzten zwei Jahrzehnte des ungarischen politischen Diskurses bestimmt hat.

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Márki-Zay ist promovierter Wirtschaftswissenschaftler und hat mehrere Jahre in Kanada gelebt. 2018 gewann er überraschend das Bürgermeisteramt in Hódmezövásárhely, seit der Wende eine Fidesz-Bastion, mit einem breiten oppositionellen Bündnis im Rücken.

Stichwahl im ungarischen Oppositionsbündnis : Wer tritt 2022 gegen Viktor Orbán an?

Budapests Bürgermeister Karácsony, rechts, räumt seinen Platz und unterstützt Péter Márki-Zay.Foto: REUTERS/Marton Monus

Nach der ersten Vorwahlrunde im September landete Márki-Zay mit rund 20 Prozent der Stimmen auf Platz drei, hinter dem linksgrünen Budapester Bürgermeister Gergely Karácsony (27 Prozent). Auch deshalb traf es das linke oppositionelle Lager unerwartet, als Karácsony ankündigte, seinen Platz in der Stichwahl zugunsten von Márki-Zay aufzugeben.

Letzterer steht für eine marktliberale Politik und gilt vielen Linken in seinen gesellschaftlichen Ansichten als zu rechts. Er hat sieben Kinder und vertritt ein klassisch-konservatives Familienbild.

Als Siegerin der ersten Runde kam Klára Dobrev mit knapp 35 Prozent der Stimmen hervor. Besonders auf dem Land konnte sie einen Großteil Wahlkreise für sich gewinnen. Sie profitiert von ihrer weitaus größeren Bekanntheit im Gegensatz zum Opponenten Márki-Zay, trotzdem hat sich der Großteil der sechs Bündnispartner für letzteren ausgesprochen.

Denn Dobrev repräsentiert auch die Politik des DK-Vorsitzenden Ferenc Gyurcsány, der von 2004 bis 2009, damals als Ministerpräsident der sozialistischen Partei MSZP, Ungarn regierte und vielen als Synonym für Korruption und Lüge gilt. Eine Aufnahme einer fraktionsinternen Sitzung vom Sommer 2006 lastet Gyurcsány besonders an: Darin gab er zu, die Wähler jahrelang belogen zu haben.

Stichwahl im ungarischen Oppositionsbündnis : Wer tritt 2022 gegen Viktor Orbán an?

Fühlt sich sicher: Ministerpräsident Viktor Orbán bei einem Treffen der Visegrád-Staaten.REUTERS/Bernadett Szabo

Die Figur des „Lügner Gyurcsány“ ist ein Hauptdarsteller in Fidesz‘ Regierungspropaganda. Auch jetzt, während des Vorwahlkampfs, wurden Kandidaten wie Karácsony und Dobrev auf Riesenplakaten als Marionetten Gyurcsánys dargestellt, neben den Wahlzelten wurden Unterschriften für eine „Stop Gyurcsány“-Kampagne gesammelt. <?xml version=”1.0″ encoding=”ISO-8859-1″?><hugo-resources><hugo-resource type=”picture” id=”83766963″>https://hugoapi-prd.tagesspiegel.de/huGOAPI-resource/picture-83766963?user=KAI.PORTMANN&amp;signature=66eef8f34e7941068dc570b51751fb66f2273945</hugo-resource></hugo-resources>Nun ist Karácsony aus dem Rennen, aber Dobrev kann sich nur schwer von Gyurcsány abgrenzen: Er ist ihr Ehemann.

Erfolgreiche Mobilisierung und gestärkte politische Debattenkultur

So liegen im breiten Oppositionsbündnis schon am Ende der zweiten Vorwahlrunde Differenzen offen, Uneinigkeiten werden klarer benannt, Sticheleien und Angriffe blieben auch in TV-Duellen zwischen Márki-Zay und Dobrev in der letzten Woche nicht aus.

Gleichzeitig haben die letzten Monate des Vorwahlkampfs den Oppositionsparteien in Ungarn eine lange nicht dagewesene Plattform zur demokratischen Debatte geboten. Die Einschaltquote bei dem TV-Duell der Spitzenkandidaten im Fernsehsender RTL Klub war so hoch, wie zuletzt die EM-Teilnahme der ungarischen Fußballnationalmannschaft. Bei der Beteiligung an der zweiten Runde der Vorwahl melden die Organisator:innen täglich neue Rekorde.

Eine parteiunabhängige Plattform für Online-Petitionen, ahang.hu, übernahm die Organisation der Online-Registrierungen und -Abwicklung durch Ehrenamtliche. In den Wahlzelten und auf der Straße mobilisierten Aktivist:innen aller Parteien allein in der ersten Runde knapp 600.000 Wähler:innen, weitere Hunderttausend stimmten online ab.

Diese Zahlen können als Zeichen gewertet werden, dass die ungarische demokratische Opposition, die im letzten Jahrzehnt unter Orbán nur stark beschränkt agieren konnte, neuen Antrieb bekommt. Der landesweite Vorwahlkampf, eine Premiere für Ungarn, bringt oppositionellen Kandidat:innen schon Monate vor dem tatsächlichen Wahlkampf gesteigerte Aufmerksamkeit, vor allem in unabhängigen und regierungskritischen Medien. Die Berichterstattung in den staatlichen und Fidesz-nahen Medien, die ein großes Monopol in der Presse haben, war dagegen gering bis gar nicht sichtbar.

Einheit ist ihre einzige Chance

Die mediale Übermacht der Fidesz führt im Wahlkampf zu sehr ungleichen Ausgangspositionen für Parteien der Opposition. Zudem wurde schon 2011 das Wahlgesetz reformiert. Die Zahl der Abgeordneten wurde auf 199 Mandate halbiert, Direktmandate haben im Zweistimmensystem fortan mehr Gewicht. Außerdem wurde eine Gewinnerkompensation eingeführt, womit größere Parteien gestärkt werden. Die Oppositionsparteien haben gegen die mächtige Fidesz-KDNP-Koalition nur als Bündnis eine Chance.

Die Vorwahl kann das oppositionelle Bündnis also als Erfolg verbuchen, sowohl was die Wählermobilisierung als auch die inhaltlichen Debatten angeht, die unter Orbán großteils verstummt waren. Doch das ist erst der erste Schritt: Die sechs so unterschiedlichen Parteien müssen noch bis April 2022 und darüber hinaus durchhalten und Einheit zu wahren.

Vor Fernsehkameras beteuerten letzte Woche die Kandidaten Dobrev und Márki-Zay, den jeweils anderen zu unterstützen, egal was das Ergebnis sein wird. Sie sind aufeinander angewiesen. Die Chancen auf einen oppositionellen Wahlsieg wären in jedem Fall sehr knapp. Wenn diesen Sonntag Wahl wäre, hieße der Ministerpräsident Ungarns den meisten aktuellen Umfragen zufolge: Viktor Orbán.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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