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Sind wir gut genug, um die Pandemie zu bestehen? : Es ist falsch, also tun wir’s

Wasserknappheit, Obdachlosigkeit, politische Uninspiriertheit: Corona führt vor Augen, wie weit wir von der Lösung globaler Probleme entfernt sind.

Sind wir gut genug, um die Pandemie zu bestehen? : Es ist falsch, also tun wir’s

Abbruchkante. Ein Abschnitt des Highway 1 ist nach einem schweren Regensturm in der Nähe von Big Sur eingestürzt.Foto: Caltrans/AP/dpa

In jedem der letzten zehn Jahre gab es Waldbrände in Kalifornien. Der Bundesstaat im Westen Nordamerikas verbraucht zu viel Wasser, das ist eine Ursache der Dürre, die Klimakrise ist eine zweite. Kalifornien ist die Heimat von Google, Apple, Facebook – innovativ, wohlhabend. Doch Kalifornien funktioniert nicht mehr.

Die hohe Obdachlosigkeit ist ein würdelos unnötiges Problem; die liberalen Kalifornier klagen gegen jedes Vorhaben, dass das ewige Versprechen sozialen Wohnungsbaus zur Tat werden ließe. Betrachten wir also Kalifornien, wenn wir über den Zustand der Demokratie nachdenken.

Tattoo-Studios öffnen? Das wäre ein Fehler. Und trotzdem …

Und betrachten wir Österreich. Bundeskanzler Sebastian Kurz weiß, dass nach Wochen des radikalen Lockdowns die radikale Öffnung ein Fehler ist. Tattoo-Studios, jetzt? Die Regierung weiß, was geschehen wird, wenn sie tut, was sie nicht tun sollte – und tut’s doch.

Oder betrachten wir Deutschland. Fällt Ihnen auch auf, dass in den Feuilletons dieser Tage eine ganz und gar grundsätzliche Debatte beginnt: Sind wir noch, wer wir zu sein glaubten?

Die Welt lacht über Deutschland. Das hat auch Vorteile

Harald Welzer schreibt in der „F.A.S.“, warum die Überzeugung, Deutschland denke präziser, handle effektiver als andere Länder, Illusion sei; der Zustand unserer Autoindustrie, verglichen mit Tesla (Tesla ist kalifornisch), oder der Flughafen, der fertig wurde, als niemand mehr flog – Welzers Beispiele sind endlos. Peter Richter erzählt in der „SZ“, dass die Welt über Deutschland lache, was auch Vorteile habe, unsere Beliebtheit betreffend.

Sind wir noch gut genug? Gut genug, erstens, für den Kampf gegen die Pandemie?

Uns bleiben nicht viele Monate für das Impfen

Das Land steht starr und still, trotzdem sterben zu viele Menschen. Politische Reden, die inspirierten, motivierten, hält niemand mehr, da längst auch Berlin erschöpft ist; und weiter geht es im halbherzigen Dauer-Lockdown. Da das Virus sich wandelt, haben wir nicht viele Monate, um die Nation zu impfen, doch wir lassen diese verstreichen.

Das Gefühl für verdichtete Zeit, das Soldaten oder Sportlerinnen entwickeln, das Gefühl für jene Augenblicke und Phasen, in denen sich alles fügt oder alles zerbricht, kennen zu wenige Politiker und Politikerinnen.

Ist die Demokratie noch zeitgemäß? Ja, aber häufig zu zaghaft

Sind wir, zweitens, gut genug für größere, erst noch kommende Aufgaben wie die Klimakrise?

Die „New Yorker“-Kollegin Elizabeth Kolbert schreibt über das Anthropozän, also jenes Zeitalter, in dem der Mensch Natur und Erde dominiert – die Gegenwart. Sie berichtet von Geo-Engineering, das ist der Versuch, beispielsweise durch das Sprühen lichtreflektierender Partikel hinauf ins All das Klima zu steuern; es gibt leider kein Geo-Engineering ohne wieder neue Nebenwirkungen.

Eine konstruktivere Staatsform ist noch nicht erfunden

Der Kollege Ezra Klein fragt Kolbert in seinem Podcast, ob der Moment gekommen sei, das Undenkbare zu denken: Ist die Demokratie nicht mehr zeitgemäß; was sollte sie ersetzen? (Kolbert weicht aus.) Meine Antwort: Eine konstruktivere Staatsform ist nicht erfunden worden, doch die existierende Demokratie ist zu langsam, zu zaghaft und macht Kompromisse auch dort, wo es keine geben dürfte.

Sind wir gut genug, um die Pandemie zu bestehen? : Es ist falsch, also tun wir’s

Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.Foto: Tobias Everke

Pandemie-Historiker übrigens sagen, wir in Europa seien nicht sicher, solange Inder oder Südafrikaner nicht sicher seien. Aus Indien und Südafrika kommt die Bitte, Patente freizugeben, damit die Impfstoffe weltweit hergestellt werden könnten – haha, antwortet Europa, undenkbar für unsere Wirtschaft. Und dann kommt der Klassiker unter den Ablehnungen: So etwas haben wir noch nie gemacht. An dieser Stelle muss ich eine traurige Nachricht überbringen: So wird das nichts.
Klaus Brinkbäumer ist Programmdirektor des Mitteldeutschen Rundfunks in Leipzig. Sie erreichen ihn auf Twitter unter @Brinkbaeumer.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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