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Sicherheit von medizinischen Daten : Wie viel Digitalisierung verträgt das Gesundheitswesen?

Der digitale Corona-Impfnachweis ist gefragt, Videosprechstunden auch. Doch beim E-Rezept und der Patientenakte zögern die Deutschen laut Umfragen.

Sicherheit von medizinischen Daten : Wie viel Digitalisierung verträgt das Gesundheitswesen?

Die Nachfrage nach dem digitalen Impfausweis war groß. Bei anderen digitalen Gesundheitsleistungen sieht es wohl anders aus.Foto: Sebastian Gabsch PNN

Die fortschreitende Digitalisierung des Gesundheitssystems in den vergangenen zwölf Monaten scheint für die Menschen in Deutschland nicht allzu sichtbar zu sein. Waren es vor einem Jahr noch 60 Prozent, die dem deutschen Gesundheitssystem attestierten, bei dem Thema hinter anderen Ländern zurückzuhängen, sind es 2021 sogar 70 Prozent. Das geht aus zwei Umfragen hervor, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom durchgeführt hat und deren Ergebnisse gestern vorgestellt wurden.

Der Bitkom führt dies auch auf die besonders anfänglichen Probleme der Gesundheitsämter beim Nachverfolgen und Durchbrechen von Infektionsketten sowie auf die zunächst häufigen Schwierigkeiten bei der Organisation von Impfterminen sowie die Debatten um die Corona-Warn-App zurück. Dies habe, so Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder gestern, bei vielen Menschen „zu Ernüchterung und Frustration“ geführt. Zwar sei „zuletzt Schwung in die Sache gekommen“, allerdings bahnten sich angesichts einer vierten Infektionswelle erneut die bekannten Probleme an. So sei der Datenaustausch der Gesundheitsämter auch im zweiten Jahr der Pandemie noch immer nicht gesichert. Es brauche eine bundesweite einheitliche Vernetzung zur Kontaktnachverfolgung.

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Drei Viertel der Befragten stimmten der Aussage zu, dass sich mit digitalen Technologien Krisen wie die anhaltende Pandemie besser bewältigen lassen – eine Steigerung um mehr als 20 Prozentpunkte verglichen mit 2020 (53 Prozent). In der ersten Umfrage wurden im Mai 2021 insgesamt 1.157 Personen in Deutschland ab 16 Jahren zu verschiedenen Themen aus dem Bereich Digital Health telefonisch befragt. Nachfolgend wurden Anfang Juli ebenfalls per Telefon 1005 Personen um Auskunft zur Nutzung des digitalen Corona-Impfnachweises gebeten.

Digitaler Impfnachweis: „Enormes Interesse“

Der Umfrage zufolge haben 42 Prozent der befragten Nutzer:innen mit einem Smartphone den digitalen Impfnachweis bereits auf dem Smartphone gespeichert. Fast ein Drittel der Nutzer:innen ließ sich den Nachweis in der Apotheke ausstellen (31 Prozent), 26 Prozent im Impfzentrum und rund ein Fünftel (22 Prozent) in der Arztpraxis. Einige wenige bekamen ihn auch per Brief (acht Prozent) oder E-Mail (sechs Prozent) zugesandt.

Weitere 41 Prozent der Befragten beabsichtigen, sich künftig um den digitalen Impfnachweis kümmern zu wollen – 26 Prozent wollen dies „in jedem Fall“ tun, 15 Prozent „wahrscheinlich“. Lediglich 12 Prozent geben an, nicht an einem digitalen Impfnachweis interessiert zu sein, obwohl sie ein Smartphone haben. In Deutschland besitzen laut Bitkom immerhin 21 Prozent der Menschen über 16 kein Smartphone. Die Zahl variiert je nach Quelle, Statista geht – ebenfalls basierend auf Umfragedaten – von 14 Prozent aus. Unter den durch Bitkom Research Befragten, die kein Smartphone besitzen, würden immerhin 42 Prozent den digitalen Impfpass nutzen, wenn sie ein entsprechendes Gerät hätten. 

Die Zahlen, so Rohleder, verwiesen auf ein „enormes Interesse an dieser digitalen Anwendung“. Das sei „ganz ermutigend“ mit Blick auf die Technologie-Offenheit der Bürger:innen, werde in Deutschland doch oft von einer „ausgeprägten Technologie-Aversion“ gesprochen. „Das ist übrigens eine These, die wir als Bitkom in der Schärfe nicht teilen und das geben auch die Daten, wie wir hier sehen, nicht her“, so Rohleder. Der digitale Impfnachweis sei „ein Paradebeispiel dafür, wie digitale Tools die Menschen in der Pandemie ganz praktisch unterstützen können“.

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Wozu der digitale Impfausweis laut Umfrage eingesetzt wurde, habe den Digitalverband jedoch ein wenig verwundert, so der Bitkom-Chef. 87 Prozent der Befragten gaben an, ihn für Treffen mit Freunden und Familie zu nutzen – und damit über die rechtlichen Vorgaben hinaus. Drei Viertel (76 Prozent) wollen den digitalen Impfnachweis jetzt oder künftig für Freizeitaktivitäten wie Kino einsetzen, 61 Prozent für Urlaub und Reisen. Als weitere Gründe wurden Restaurantbesuche, Großevents und Besuche von Clubs oder Bars genannt. Lediglich 22 Prozent der Befragten beabsichtigen, den digitalen Impfnachweis jetzt oder künftig bei der Arbeit vorzuzeigen.

E-Rezept: Bitkom will Schnittstelle für Drittanbieter

Weniger positiv kommt der Entwicklungsstand des E-Rezepts weg – nicht unbedingt seitens der Befragten, sondern vor allem seitens des Bitkom. „Die Vorteile, die sich die Menschen vom E-Rezept neben dem geringeren Papierverbrauch erhoffen, lassen sich durch das elektronische Rezept, wie es jetzt von der Gematik angeboten wird, gar nicht erschließen“, so Rohleder. Die Gematik-App enthalte „nur die Basalfunktion, aber nicht die Zusatzfunktionen für einen Zusatznutzen“. Deshalb plädiert der Digitalverband für eine Öffnung der Schnittstellen, worüber es Drittanbietern ermöglicht werde, eigene Anwendungen anzubieten, „die mit dem E-Rezept umgehen können und Funktionen enthalten, die sich die Menschen wünschen“.

So erhoffe sich laut Umfrage die Hälfte derer, die das E-Rezept nutzen wollen, vor allem eine automatische Erkennung von Wechselwirkungen. 44 Prozent wollen damit eine Zettelwirtschaft vermeiden, und 30 Prozent der Befragten setzen auf digitale Medikationspläne. Ein Viertel möchte sich automatisch an die Medikamenten-Einnahme erinnern lassen.

Wie viele das E-Rezept am Ende nutzen werden, lässt sich bisher wohl kaum genauer zu quantifizieren. Zwar wollen 59 Prozent der Bitkom-Befragten das E-Rezept nutzen, aber auch ganze 39 Prozent lehnen es ab, wollen weiter Papierrezepte nutzen, von denen 2020 in Deutschland fast eine halbe Milliarde ausgestellt wurden. Zwei Prozent sind unschlüssig. Im Mai hatte die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände noch völlig andere Zahlen veröffentlicht. Laut den Umfrageergebnissen des beauftragten Marktforschungsinstituts Kantar hatten 63 Prozent der Befragten noch überhaupt nichts vom E-Rezept gehört. Ganze 95 Prozent kannten den Termin für den flächendeckenden Start zum kommenden Jahreswechsel nicht.

Videosprechstunde: „Kein Grund für Deckelung“

Die Fortführung des im Jahr 2020 vielfach kommunizierten Nutzungsbooms bei Videosprechstunden scheint derweil ausgeblieben zu sein. 14 Prozent der Befragten wollen ein solches Angebot schon einmal genutzt haben – im Sommer 2020 waren es bereits 13 Prozent.

Die eifrigsten Nutzer:innen unter den Befragten lassen sich in der Altersgruppe der 50- bis 64-Jährigen finden. 22 Prozent von ihnen haben schon mal einen digitalen Arztbesuch absolviert. Auf sie folgen 18 Prozent der 16- bis 29-Jährigen und 15 Prozent der 30- bis 49-Jährigen. In der Altersgruppe ab 65 Jahren sind es lediglich drei Prozent der Befragten – obwohl gerade sie von wegfallenden Fahrtwegen und Vermeidung der Ansteckungsgefahr profitieren könnten.

53 Prozent der befragten Nutzer:innen des Angebots beurteilen ihre Erfahrung als „eher gut“ und „43 Prozent als „gut“. 74 Prozent bewerten die Behandlung als ebenso gut wie einen persönlichen Besuch in der Praxis. Für einen Großteil, 61 Prozent, waren der schnellere Termin und das Vermeiden von Wartezeit ausschlaggebend.

Doch bald droht Ungemach: Die Vergütungsdeckelung der Videosprechstunden, die in der Pandemie aufgehoben wurde, wird zum 30. September wieder gestrichen – sofern der Gemeinsame Bundesausschuss die Sonderregelung nicht erneut verlängert. Sollte er dies nicht tun, dann können Ärzt:innen wieder nur bis zu 30 Prozent ihrer Sprechstunden-Termine als Videosprechstunde anbieten und abrechnen. Rohleder kritisiert das. „Wir sehen nicht, dass es irgendeinen Grund gibt, diese Deckelung wieder einzuführen. Videosprechstunden haben zahlreiche Vorteile, die auch stärker genutzt werden sollten“, sagte er.

Viel Aufklärungsbedarf bei Gesundheitsapps

Ungenauigkeiten vermutet der Bitkom in den Angaben zu den Gesundheitsapps. Zwar haben sich zwei Prozent der Befragten angeblich bereits eine solche digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) verschreiben lassen. Allerdings sei nicht gefragt worden, ob die Anwendung mit der Kasse abgerechnet wurde und ob es sich um eine App-Empfehlung handelte, die keine DiGA ist. 19 DiGAs sind derzeit auf dem Markt und können durch Ärzt:innen verschrieben werden oder bei der Krankenkasse beantragt werden. Hätte der Verband die Umfrage jetzt gemacht, wäre auch eine explizite DiGA-Differenzierung berücksichtigt worden, beteuerte Rohleder. Deshalb seien die zwei Prozent wohl eher „eine Zahl am Ende der oberen Möglichkeit“.

51 Prozent der Befragten gaben in der Umfrage an, sie könnten sich künftig die Nutzung einer Gesundheitsapp vorstellen. Ganze 45 Prozent wollen eine Gesundheitsapp auf Rezept allerdings noch nicht nutzen. „Künftig müssen Politik und Krankenkassen noch besser und umfassender über Nutzen, Anwendung und Verordnungsmöglichkeiten informieren – nicht nur gegenüber den Versicherten, sondern auch gegenüber Ärztinnen und Ärzten“, so Rohleder.

Elektronische Patientenakte: Stand Mai nutzte sie fast niemand

Zwei Drittel der Befragten wollen die elektronische Patientenakte (ePA) künftig nutzen. Fünf Monate nach dem Startschuss zum Jahreswechsel 2021 haben sie aber erst 0,2 Prozent der Befragten im Gebrauch. Ein Fünftel (21 Prozent) erklärte demnach zudem, daran kein Interesse zu haben – vor allem aus Angst vor Datenmissbrauch und der Befürchtung von Eingabefehlern. Ein Zehntel der Befragten hat sich bislang noch nicht mit dem Angebot befasst.

Vorteile sehen die ePA-Interessierten vor allem darin, dass andere Ärzte auf diese Weise Diagnosen, Befunde oder Arztbriefe einsehen können (74 Prozent). 71 Prozent wollen per ePA selbst alle Infos über die eigene Krankengeschichte im Blick haben, und 64 Prozent finden es vorteilhaft, wenn Doppeluntersuchungen durch digitale Dokumentation in der ePA vermieden werden.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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