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Schuldenbremse, Waffenlieferungen, Corona : Das sind die großen Streitpunkte in der Ampel-Koalition

Seit rund einem halben Jahr regiert die Ampel. Die Aufgaben sind groß, die Konflikte auch. Wo es derzeit knirscht und wo Streit droht – ein Überblick.

Schuldenbremse, Waffenlieferungen, Corona : Das sind die großen Streitpunkte in der Ampel-Koalition

Zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD und seinen Ampel-Partnern knirscht es.Foto: Michael Sohn/Reuters

Der viel beschworene Ampel-Aufbruch ist weg, aus einem Fortschritts- ist ein Zweckbündnis geworden. Und die Reibereien in der Koalition nehmen täglich zu.

Nach den Niederlagen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein für SPD und FDP steigt bei beiden Parteien der Profilierungsdruck, was die Arbeit zusätzlich erschwert. Selten musste eine neue, dazu nie dagewesene Koalition im Bund mit größeren Krisen starten.

Dieses Jahr war durch das dritte Aussetzen der Schuldenbremse in Folge nochmal viel Geld zum Verteilen da, doch jetzt soll nach Wunsch von FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner Schluss damit sein.

Und da, um Streit zu vermeiden, die Umsetzung von Vorhaben im Koalitionsvertrag nicht priorisiert worden ist, drohen nun Konflikte darum, was mit dem knapper werdenden Geld umgesetzt werden soll. Zudem war der russische Krieg natürlich kein Thema, als der Koalitionsvertrag geschlossen wurde. Daraus erwachsen ganz neue Herausforderungen, vor allem auch die der Inflationsbekämpfung.

Schuldenbremse und Inflation

Der Streit um den Tankrabatt, der in einer nächtlichen Sitzung des Koalitionsausschusses erdacht wurde und inzwischen weithin als drei Milliarden Euro teurer Fehlgriff gilt, zeigt die bisherige Arbeitsweise der Koalition: Jede Seite bekommt ihre Erfolge, hier die FDP. Die Sinnhaftigkeit steht dann auf einem anderen Blatt Papier.

Es ist schwer den Überblick zu behalten, was gerade noch alles gefordert wird. Von der Ausweitung der Energiepauschale in Höhe von 300 Euro auch auf Rentner, deren Rekordplus bei den Renten durch acht Prozent Inflation gerade „aufgefressen“ wird, bis zu einer Mehrwertsteuersenkung auf null Prozent bei Grundnahrungsmitteln. Nun gibt es aber Sachzwänge, die eine Abkehr von der bisherigen Praxis erfordern. Der Bund sei an seiner finanziellen Grenze angekommen, sagt Lindner.

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Doch SPD-Chefin Saskia Esken hat nun eine Diskussion um den „leichtesten“ Weg zu mehr Geld eröffnet: Mehr Schulden machen, da das ökonomische Gleichgewicht weiterhin gestört ist – unter dieser Bedingung kann die Bremse, die nur eine sehr geringe Neuverschuldung erlaubt, ausgesetzt werden. Sie will das im nächsten Koalitionsausschuss am 22. Juni zur Sprache bringen. Lindner blockt das ab, ebenso FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.

„Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz. Sie ist nicht verhandelbar und ich würde mir an dieser Stelle mehr Respekt vor den Maßgaben unserer Verfassung wünschen“, sagte Djir-Sarai dem Tagesspiegel. Diese Koalition habe bereits beispiellose Zukunftsinvestitionen mobilisiert: 60 Milliarden Euro für den Klimaschutz und 100 Milliarden Euro für die Modernisierung der Bundeswehr seien nur zwei Beispiele.

Schuldenbremse, Waffenlieferungen, Corona : Das sind die großen Streitpunkte in der Ampel-Koalition

Christian Lindner ist darum bemüht, die Handschrift der FDP in der Ampel sichtbar zu machen.Foto: dpa

Zudem habe man Entlastungen in zweistelliger Milliardenhöhe auf den Weg gebracht, um die Bürger zu entlasten und die Auswirkungen der Inflation zu mildern. Nun aber solle die Schuldenbremse ab 2023 wieder eingehalten werden. „Was nicht geht, ist beliebig weiter Schulden machen“, betonte Djir-Sarai.

Für die Liberalen geht es hier auch um einen Markenkern: solide Staatsfinanzen und ein Zurückfahren der hohen Sozialausgaben. Und Djir-Sarai nennt noch ein weiteres, von einigen Ökonomen geteiltes Argument, gegen mehr neue Schulden: „Damit befeuern wir nicht nur die Preisentwicklung, sondern verteuern auch die bereits bestehenden Schulden, weil unsere Kreditwürdigkeit sinkt“, sagte er dem Tagesspiegel.

Doch bleibt die Lage so angespannt, dürfte der Druck von SPD und Grünen weiter wachsen. Der Konflikt ist so zentral, dass er sich zu einer Sollbruchstelle der Koalition entwickeln könnte, weil Lindner nicht als großer Umfaller dastehen will.

Waffenlieferungen für die Ukraine

Hier hat sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) nur Luft verschafft mit seiner Rede im Bundestag am 1. Juni, in der er erstmals detailliert erklärt hat, was geliefert wird – und was zusätzlich geliefert werden soll. Aber nun wächst der Druck, auch rasch Taten folgen zu lassen.

Die russische Offensive im Donbass macht es dringlicher, dass zum Beispiel die ersten sieben Panzerhaubitzen 2000 auch tatsächlich im Juni geliefert werden. Dass der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk sagt, sie würden um den 22. Juni herum erwartet, ist mit Blick auf den Transport und russische Angriffe eventuell nicht klug.

Besonders die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), treibt Scholz und die SPD öffentlich, während die Grünen eher auf die informellen Kanäle setzen. Sie haben verstanden, dass sich so bei Scholz mehr bewegen lässt.

Die Ukraine versucht, etwa durch Verhandlungen mit dem Rüstungsunternehmen Diehl, selbst das Tempo zu erhöhen. Hier geht es um das Luftverteidigungssystem Iris-T-SLM, mit dem Städte gegen russische Angriffe geschützt werden sollen. Es soll Ende Oktober geliefert werden. Doch noch immer hat der Bundessicherheitsrat nicht entschieden, was mit den Rheinmetall-Anträgen auf die Lieferung von rund 100 Marder-Schützenpanzern und 88 Leopard-Kampfpanzern passieren soll.

Schuldenbremse, Waffenlieferungen, Corona : Das sind die großen Streitpunkte in der Ampel-Koalition

Olaf Scholz hat der Ukraine Zusagen für die Lieferung schwerer Waffen gemacht.Foto: dpa

Mehrere von der Bundeswehr ausgemusterte aber aktuell modernisierte Schützenpanzer Marder könnten sofort an die Ukraine ausgeliefert werden. „Wir sind dabei, 100 Marder Schützenpanzer instand zu setzen, erste Fahrzeuge sind bereits so weit“, sagte Armin Papperger, Vorstandsvorsitzender von Rheinmetall, der „Bild am Sonntag“. „Wann und wohin die Marder geliefert werden, ist die Entscheidung der Bundesregierung.“

Auch 88 Leopard-1-Panzer und weitere Leopard-2 stünden zur Modernisierung im Depot. Bisher will das Kanzleramt diese nur im Ringtausch einsetzen, und andere Länder dafür Panzer sowjetischer Bauart abgeben, Fakt ist, dass auch andere westliche Staaten keine Kampfpanzer liefern, aber auf alle wächst der Druck, da die russische Truppen stetig Terrain gewinnen.

„Liebe Ampel-Regierung, warum verweigern Sie der ukrainischen Armee diese von Rheinmetall sofort lieferbaren Marder-Schützenpanzer, während die Ukraine im Donbas vor Ihren Augen ausblutet“, fragt deren Botschafter in Berlin, Melnyk.

Corona-Schutz für den Herbst

SPD und Grüne mahnen, man müsse sich auf einen Corona-Herbst vorbereiten, doch die FDP bremst. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) pocht, wie die Bundesländer, auf eine schnelle Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Dieses läuft am 23. September aus – daher muss die Ampel entscheiden, mit welchen Maßnahmen sie in den Herbst geht.

Im April waren auf Druck der FDP etwa die Maskenpflicht im Einzelhandel aus dem Instrumentenkasten der Länder genommen worden. Der von Bundeskanzler Olaf Scholz eingesetzte Expertenrat pocht in seiner jüngsten Stellungnahme darauf, dass es zumindest wieder die Möglichkeit geben müsse, Maßnahmen wie die Maskenpflicht oder Kontaktbeschränkungen zu verhängen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will aber erst auch noch die Einschätzung eines Sachverständigenrates abwarten, der die bisherigen Pandemiemaßnahmen bis Ende Juni auswerten soll. Das könnte daran liegen, dass dieser anders besetzt ist als der Expertenrat.

Die Sachverständigen werden zur Hälfte vom Bundestag und zur Hälfte von der Bundesregierung benannt. Hier sind beispielsweise auch die Virologen Hendrik Streeck oder Klaus Stöhr Mitglied, die für eine weniger restriktive Coronapolitik stehen.

Dass die FDP – allen voran mit Justizminister Buschmann – auf möglichst wenige Coronamaßnahmen hinaus will, ist allerdings auch innerhalb der Liberalen nicht unumstritten. Mit Sorge sehen die Freien Demokraten die schlechten Wahlergebnisse in der Gruppe der Rentner. Diese, so vermuten einige in der FDP, hätten sich mehr Sicherheit gewünscht.

Es sei nicht klug gewesen, dass die FDP sich auf diesem Feld versucht habe, derart zu profilieren – daher verliere man nichts, wenn man im Instrumentenkasten für den Herbst auch Dinge wie eine Maskenpflicht in Innenräumen zumindest als Option wieder hereinnehme, wochenlange Debatten und Streit seien hier besser zu vermeiden.

Drohende Mietpreissteigerungen

400.000 neue Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich gefördert – das war das Ziel der Ampel zur Linderung der Mietpreismisere. Doch dass dieses Ziel erreicht werden kann, ist unwahrscheinlich.

Bereits 2021 gab es einen Einbruch bei den neu gebauten Wohnungen und nun haben sich die Bedingungen weiter verschlechtert: horrende Preise für Baumaterialien, Lieferengpässe, steigende Zinsen, Fachkräftemangel. Wenn es beim Neubau hakt, wie sonst können dann die steigenden Mietpreise gebremst werden – gerade in Großstädten wie Berlin?

Nach der Ankündigung von Deutschlands größtem Immobilienkonzern Vonovia, seine Mieten zu erhöhen, will die SPD-Vorsitzende Saskia Esken in der Ampel-Koalition eine Verschärfung der bisher im Koalitionsvertrag vereinbarten Mietpreisbegrenzungen durchsetzen.

Bislang gilt: In angespannten Wohnungsmärkten darf die Miete höchstens um 15 Prozent in drei Jahren steigen – und nicht über die ortsübliche Vergleichsmiete. SPD, Grüne und FDP haben im Koalitionsvertrag vereinbart, diese Kappungsgrenze auf elf Prozent zu senken.

Schuldenbremse, Waffenlieferungen, Corona : Das sind die großen Streitpunkte in der Ampel-Koalition

Saskia Esken will eine Verschärfung der bisher im Koalitionsvertrag vereinbarten Mietpreisbegrenzungen durchsetzen.Foto: picture alliance / photothek

Jetzt sagte Esken dem Tagesspiegel: „Mir scheint das nicht ausreichend. Da könnte man durchaus noch einmal rangehen. Vor allem müssen wir verhindern, dass jetzt durch Indexmieten, die an die Inflation gekoppelt sind, eine weitere Preisspirale angetrieben wird.“ Die FDP versteht sich dagegen traditionell auch als Anwalt der Vermieter im Lande und ist gegen zu starke Eingriffe oder sogar einen Mietendeckel.

Klimapolitik und Klimageld

In ihrem Koalitionsvertrag waren sich SPD, FDP und Grüne einig: Man wolle das fossile Zeitalter beenden und daher auch die Technologie des Verbrennungsmotors hinter sich lassen. Doch nachdem vergangene Woche das EU-Parlament das Aus des Verbrennungsmotors für 2035 beschloss, war die FDP auf den Barrikaden.

Der Beschluss widerspreche dem Geist des Koalitionsvertrages, monierte FDP-Chef Lindner. Es müsse weiterhin die Option für „klimafreundliche Flüssigkraftstoffe“ geben. Sonst sei die Zustimmung Deutschlands nicht denkbar. Auch FDP-Verkehrsminister Volker Wissing erklärte, es müssten auch nach 2035 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor neu zugelassen werden können, „wenn diese nachweisbar nur mit E-Fuels betankbar sind“.

Hinzu kommt, dass in der Industrie beklagt wird, dass wegen der ganzen anderen Herausforderungen der Umbau hin zu einer stärker wasserstoffbasierten Produktion nicht schnell genug vorankomme. Zudem braucht es auch hier Milliardenförderungen. Und wegen des stetig steigenden CO2-Preises sollen die Bürger eigentlich zusätzlich mit einem Klimageld entlastet werden.

Zwar ist das im Koalitionsvertrag verankert – aber hier wurden keine Details festgehalten. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will nur Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen unterstützen. Alleinverdiener mit einem Einkommen bis 4000 Euro sollen das Klimageld – der Betrag ist noch offen – einmal jährlich als Entlastung erhalten, bei Paaren soll die Grenze bei 8000 Euro liegen.

Der Vorschlag stößt aber bei der FDP auf Widerstand. Dort pocht man darauf, dass es an alle Bürger ausgezahlt werden müsse. Und Lindner sieht die Priorität eher beim Ausgleich der inflationsbedingt großen Effekte der kalten Progression für die Steuerzahler. Der Streit ums Geld geht jetzt erst richtig los in der Ampel.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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