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Schätze aus den Schubladen : Unbekanntes von Wilhelm Busch, Flix, Sarah Burrini & Co.

Die Ludwiggalerie präsentiert die Ausstellung „Unveröffentlicht – die Comicszene packt aus“. Unser Autor Bela Sobottke ist ebenfalls vertreten.

Schätze aus den Schubladen : Unbekanntes von Wilhelm Busch, Flix, Sarah Burrini & Co.

Mehr als 300 Arbeiten von gut 50 Künstler:innen zeigt die Ausstellung, hier einige Seiten von Ulli Lust.. Foto: Roland Weihrauch/dpa

Begeben wir uns zunächst auf eine Zeitreise, gut 20 Jahre in die Vergangenheit, ins Jahr 2000. Eine jüngere Version meiner selbst sitzt am Zeichentisch und zeichnet den Comic „Can der Nanoroboter“. Der Dreiseiter soll in Witteks Roboter- und Schrott-Anthologie „BOIL3R“ erscheinen.

Schätze aus den Schubladen : Unbekanntes von Wilhelm Busch, Flix, Sarah Burrini & Co.

Eine der unveröffentlichten Arbeiten unseres Autors Bela Sobottke.Foto: Sobottke/Ludwiggalerie Schloss Oberhausen

Independentcomic-Legende Wittek hatte erste Skizzen gesehen und bereits zugesagt – aber kurz vor knapp, der Comic ist schon fertig, legt sein Mitherausgeber Loppe ein Veto ein. „Can“ verschwindet in die Schublade. Bis heute! Denn jetzt habe ich den Comic für die Ausstellung „Unveröffentlicht – die Comicszene packt aus“ wieder herausgekramt.

Absagen wie die oben geschilderte sind typisch für den Anfang einer Comic-Laufbahn (die meisten von uns müssen sie gleich mehrfach einstecken), und damals hätte es mich sehr getröstet, eine Ausstellung mit abgelehnten Werken gestandener Comiczeichner:innen zu sehen.

Die vergangenen Samstag feierlich eröffnete Sammlung in der Ludwiggalerie im Schloss Oberhausen vereint unveröffentlichte Comics von über 50 Comicschaffenden aus dem deutschsprachigen Raum (bis 16.1.2022, weitere Informationen auf der Website des Museums).

Die Idee dazu hatte Comiczeichner Ralf Marczinczik, und nachdem er sämtliche zeichnende Bekannte kontaktiert hatte und einhellig positive Resonanz erfuhr, übergab er an die Ludwiggalerie. Das Museum und seine Direktorin Dr. Christine Vogt hatten sich bereits in der Vergangenheit aufgeschlossen dem Thema Comic gegenüber gezeigt.

„Wir wollen unentdeckte Schätze zeigen, nicht Salz in Wunden streuen“

Von hier an übernahm Kuratorin Linda Schmitz-Kleinreesink, und was sie zusammengetragen, gesichtet, geordnet und aufbereitet hat, ist beeindruckend. Jugendsünden oder zurecht verworfenes sucht man vergeblich. „Alles was wir in der Ausstellung zeigen, hat seine Qualität und würde es verdienen fertiggestellt und veröffentlicht zu werden. Das haben wir aber auch bewusst so ausgewählt, denn wir wollten ja unentdeckte Schätze zeigen und nicht Salz in Wunden streuen“, so Schmitz-Kleinreesink.

Schätze aus den Schubladen : Unbekanntes von Wilhelm Busch, Flix, Sarah Burrini & Co.

Schöne Menschen: Eine bislang nicht veröffentlichte Zeichnung von Flix.Foto: Flix

Unmöglich kann man hier sämtliche Exponate würdigen, und ich möchte mich gleich bei den Kolleg:innen entschuldigen, die aus Platzmangel unerwähnt bleiben müssen. Es sind viele klingende Namen der Szene vertreten, und da gerät auch die Kuratorin ins Schwärmen: „Ein richtiger Knaller ist für mich das Projekt von Nicolas Mahler. Wir haben uns kaputtgelacht – Internetkommentare über einen Arzt in das Medium des Comics zu übertragen, das ist Absurdität in Endstufe.“

Neben Mahler finden sich Blätter von „Werner“-Zeichner Brösel, der einen unveröffentlichten, autobiografischen Urlaubscomic namens „Die große Verarsche“ beisteuert, sowie eine Serie von ganzseitigen, pornografischen Illustrationen, die „Spirou in Berlin“-Zeichner Flix „als persönliches Projekt“ erstellte, „ohne, dass jemand zuguckt“. Zu spät, wir haben’s jetzt alle gesehen.

Schätze aus den Schubladen : Unbekanntes von Wilhelm Busch, Flix, Sarah Burrini & Co.

A Life Less Legendary: Auszug aus einem unveröffentlichten Comic von Sarah Burrini und Shawn Aldridge.Foto: Sarah Burrini

Von Ralf König kann eine verworfene Sackgasse von mehreren Seiten aus seinem Werk „Dschinn Dschinn“ bestaunt werden, und von Isabel Kreitz einige Seiten ihres „Buddenbrooks“-Projekts, für das ihr die Thomas Mann-Erbengemeinschaft erstaunlicherweise die Rechte verwehrt. Matthias Schultheiss beteiligt sich mit diversen Seiten seiner unveröffentlichten Großprojekte „Fuck in a Wheelchair“ und „Adolf Hitler im Ersten Weltkrieg“.

Unbekanntes von „Mecki“ und „Vater und Sohn“

Auch Klassiker sind in der Ausstellung vertreten, zum Beispiel „Der Kuchenteig“, 1863 von Wilhelm Busch gezeichnet und in den Papierkorb geworfen, unveröffentlichte „Vater und Sohn“-Skizzen aus den Jahren 1927 – 35 von e.o. plauen, drei „Don Pedro“-Seiten von Helmut Nickel, die nach Einstellung der Serie 1955 nie erschienen waren, die „Mecki“-Seite „Abschied von Pumpelien“, die 1964 von der „Hörzu“-Redaktion mit Änderungswünschen an Zeichner Heinz Ludwig zurückgeschickt wurde, und zwei unveröffentlichte „Kunz der Miniritter“-Blätter aus dem Jahr 1991 von „Mosaik“-Legende Irmtraut Winkler-Wittig.

Schätze aus den Schubladen : Unbekanntes von Wilhelm Busch, Flix, Sarah Burrini & Co.

Dschinn Dschinn: Diese Szenen schafften es nicht in Ralf Königs Buch „Dschinn Dschinn“.Foto: Ralf König

Viele Projekte sind so klar veröffentlichungswürdig, so weit fortgeschritten und durchdacht, dass man sich wirklich wundern muss, dass kein Verlag zugeschlagen hat. „Faust 3“ von Atak und Fil zum Beispiel, der für die Berliner Seiten der FAZ entstand, aber Sparmaßnahmen zum Opfer viel, und sogar in einer auf Buchformat umgearbeiteten Fassung existiert.

Schätze aus den Schubladen : Unbekanntes von Wilhelm Busch, Flix, Sarah Burrini & Co.

Zur Ausstellungseröffnung reiste auch „Werner“-Zeichner Brösel an.Foto: Roland Weihrauch / dpa

Oder „A Life Less Legendary“, das Sarah Burrini gemeinsam mit Autor Shawn Aldridge 2016 einem amerikanischen Verlag pitchte, und dessen Ablehnung vor allem eins beweist: Dass der US-Comicmarkt ein unberechenbares Haifischbecken ist.

Schätze aus den Schubladen : Unbekanntes von Wilhelm Busch, Flix, Sarah Burrini & Co.

Iwan, der graue Wolf & der Feuervogel: Ein bislang unbekanntes Werk von Julia Bernhard („Wie gut dass wir drüber geredet haben“).Foto: Julia Bernhard

„Damian und Alexander“ 3 von Thilo Krapp, von dem einige unvollendete Seiten zu sehen sind, ist natürlich unbedingt veröffentlichungswürdig, zumal das Konzept bereits in zwei Bänden erprobt wurde. Doch der vielbeschäftigte Zeichner hätte aktuell wohl wenig Zeit dafür – und kann zudem auf den Gegenwind, den schwule Hauptfiguren in einem klassischen Abenteuercomic beschämenderweise immer noch hervorrufen, verzichten.

Von U-Comix-Herausgeber und Oberhausen-Lokalmatador Steff Murschetz sind einige grandios überdrehte Seiten des Science Fiction-Epos „Der Tanz des Hyperspacers“ zu sehen, die er zusammen mit seinem Bruder Uwe während eines Drogentrips erdacht hat. Die schwere Erkrankung von Uwe Murschetz, der die Seiten koloriert hat, steht einer Vollendung im Wege, die man den Brüdern daher umso mehr und von Herzen wünschen würde.

Schätze aus den Schubladen : Unbekanntes von Wilhelm Busch, Flix, Sarah Burrini & Co.

Das offizielle Ausstellungsplakat hat Sheree Domingo gezeichnet.Foto: Ludwiggalerie

Und von David Fülekis Manga „TYR“ existieren gar 46 fertige Seiten, die nach Aussagen des Zeichners nur ein Prolog sind, und vor allem seine unglaubliche Produktivität belegen. Ein Verlag bekundete Interesse, verlangte aber erhebliche Änderungen – Füleki lehnte ab. Lasst die Zeichner:innen mal machen, möchte man den deutschen Comicverlagen zurufen.

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Die Ausstellung „Unveröffentlicht – die Comicszene packt aus“ ist, auch wenn sie natürlich trotz beeindruckender Größe keinen Anspruch auf umfassende Vollständigkeit haben kann, eine Leistungsschau der deutschsprachigen Comicszene geworden. Ein Besuch und der Erwerb des umfangreichen Katalogs (Edition Alfonz, 256 Seiten, 39 Euro) sind dringend empfohlen.

Unser Autor Bela Sobottke ist Grafiker und Comiczeichner und lebt in Berlin. Er zeichnet deftige Genre-Comics wie das zuletzt erschienene Album „Die Legende von Kronos Rocco“.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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