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Rom feiert Europa – und den neuen Europameister : Wir sind wieder stolz, Italiener zu sein!    

Brexit all’Italiana: Italien hat gewonnen. Ein hart erkämpfter Sieg für ein Land, das Fußball liebt und ein schweres Jahr hinter sich hat. Zu Besuch in Rom. 

Rom feiert Europa - und den neuen Europameister : Wir sind wieder stolz, Italiener zu sein!    

Auf Staatsbesuch. Der neue Europameister wurde am Montag vom italienischen Staatspräsidenten Sergio Matarella (im dunklen Anzug)…Foto: REUTERS

Die neuen Europameister hatten keine Zeit zu verlieren. Noch in ihren Trikots stiegen die italienischen Nationalspieler ins Flugzeug und machten sich umgehend auf den Weg in die Heimat. „It’s coming to Rome“, hatte Leonardo Bonucci noch auf dem Rasen des Londoner Wembley-Stadions in Anspielung auf die englische Fußballhymne gebrüllt – und das zelebrierten die Italiener ausgiebig.

Am frühen Morgen wurden sie von etwa 200 Fans am römischen Flughafen Fiumicino empfangen. Eine öffentliche Feier auf dem Circus Maximus und einen Triumphzug im offenen Bus durch die Straßen der Hauptstadt gab es aufgrund der Pandemie nicht, trotzdem säumten die Fans am Nachmittag die Straßen, als ein Bus die Europameister zum Empfang beim italienischen Staatspräsidenten Sergio Matarella brachte. Die Mannschaft brauchte deutlich länger als vorgesehen. „Wir haben es geschafft, ein ganzes Volk glücklich zu machen, das ist legendär. Es ist das Schönste, was es gibt“, schwärmte Abwehrspieler Leonardo Bonucci.

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Dass etwas Besonderes in der Luft liegt, war am Sonntag überall zu spüren. Eine halbe Stunde vor Anpfiff. Etwas verloren neben Plattenbauten im Südwesten Roms (Nähe Casetta Mattei) steht ein perfekt gepflegtes Fußballfeld mit angrenzender Sporthalle, Gemeinschaftsräumen und kleinem Außenbereich. Kaum öffnet sich das Tor wird man zum Essen eingeladen, Biowein inklusive.

Zur Feier des Tages gibt es: Fish and Chips, aus Hygienegründen auf Plastiktellern. Alle Anwesenden schütteln beim Essen fassungslos den Kopf, ein Junge kaut lustlos auf einer Pommes. Trainer Massimo Vallati betont, so etwas Furchtbares noch nie gekocht zu haben.

Beim nächsten Besuch gebe es dann Pasta. „Was wir hier machen ist nicht Fußball im klassischen Sinne“, erklärt Francesca mit blitzenden blauen Augen. „Es ist ein Sozialprojekt, wir kommen hier alle nach der Schule hin, jeden Tag.” 

Rom feiert Europa - und den neuen Europameister : Wir sind wieder stolz, Italiener zu sein!    

Fans in Rom auf der Piazza del Popolo.Foto: imago images/Pacific Press Agency

Die Jugendliche ist eine von vielen, die lieber Fußball spielen als zuhause zu sein. Durch den Fußball lernen sie Regeln kennen, finden einen Weg durch den Alltag. Alle kennen sich, alle unterstützen sich, keiner soll auf der Straße landen. Der Sieg im Finale? „Unfassbar wichtig“, kichert Francesca. Dann können wir uns gemeinsam freuen. Sie spiele noch nicht lange Fußball, es heiße schließlich manchmal, Frauen seien nicht gut darin. Hier sei das anders. 

„Italien lebt für Fußball. Wir sind alle begeistert, es ist Teil unserer DNA.” Ginevra Lavarello platzt am Telefon fast vor Stolz, wenn sie von ihrer Regionalmannschaft spricht. „Ich bin Fan von Lazio Roma, wir haben leider oft Pech. Manche Spiele kann ich mir nicht anschauen, weil ich einfach einen Herzinfarkt bekomme.”

Rom feiert Europa - und den neuen Europameister : Wir sind wieder stolz, Italiener zu sein!    

Beim Sozialprojekt. Zur Feier des Tages gab es Fish and Chips.Foto: Amelie Baasner

Die Beziehung der Italiener zum Fußball ähnelt einer Liebesbeziehung, jede Niederlage bedeutet Herzschmerz, jeder Sieg große Leichtigkeit. Besonders die junge Nationalmannschaft unter Roberto Mancini hat es geschafft, die Italiener zu berühen. „Ich kannte fast keinen der Spieler, aber sie haben uns Italienern Hoffnung gegeben. Wir lieben sie sehr, auch sollten sie verlieren.” 

Die Italiener seien erstmals wieder stolz auf ihr Land, nach Jahren der politischen Instabilität und Unglaubwürdigkeit. „Wir sind stolz wegen der Nationalmannschaft – und wegen Mario Draghi.” 

Ein Italiener im Wimbledon-Finale und das Finale der EM, ein historischer Moment

Ein kleiner Sprung zurück in der Zeit, das Wimbledon-Finale hat noch nicht begonnen. Ein riesige Sportanlage mitten im Zentrum Roms, Tennisplätze, Fußball, zwei Restaurants, ein Pool. Ein massiver Eingang, roter Samt, verglaste Fensterfronten und Chesterfield so weit das Auge reicht. Der Circolo Canottieri ist einer von 10 historischen Sportclubs der italienischen Hauptstadt. Umgeben von Bäumen ist der Club für die über 900 Mitglieder ein Ort des Rückzugs. Für Außenstehende wirkt der Luxus zunächst befremdlich. Aber die Begeisterung für den Sport steckt an. 

[Lesen Sie auch: Wie die EM Corona wieder entfesselt (T+)]

Überall an den Wänden reihen sich die Pokale der Mitglieder des Circolo, sammeln sich dort seit über hundert Jahren. Im Bruchteil einer Sekunde stürzt Edmondo Mingione, ehemaliger Schwimmprofi und das Herzstück des Circolo am Tresen einen Kaffee herunter. Bei jeder Trophäe, jedem Foto weiß er genau um welchen Sportler es geht.

So einen Tag wie heute, ein Italiener im Wimbledon-Finale und das Finale der EM, für Mingione ein historischer Moment. Eigentlich wollte der Club ein Dinner mit Großbildschirm ausrichten, aufgrund der steigenden Infektionszahlen sagte die Region Lazio jedoch alle Großveranstaltungen ab. Mingione verzieht kurz das Gesicht, aber Vorsicht ginge nunmal vor. Man wolle ein besseres Beispiel abgeben als die Briten. 

Rom feiert Europa - und den neuen Europameister : Wir sind wieder stolz, Italiener zu sein!    

Diese Farben sollen gewinnen. Rom vor dem Spiel.Foto: Amelie Baasner

In einem abgedunkelten Nebenzimmer des Clubs sitzt der italienische Tennisgott Nicola Pietrangeli, inzwischen 88 Jahre alt. Trotz Dunkelheit trägt er Sonnenbrille. Pietrangeli hat 1959 und 1960 zwei Mal die French Open gewonnen und ist bis heute der bedeutendste Spieler in der Geschichte des italienischen Davis-Cup. Er soll gleich vor dem öffentlich rechtlichen Fernsehen das Wimbledon-Finale kommentieren.

Eigentlich habe er aber gar keine Lust. Mit einem Bier zuhause sei es auch nett gewesen. Der zeitgenössische Sport sei schließlich nicht mehr so ganz das Wahre. Es sei natürlich schwierig, wenn er das sage, aber früher habe Tennis noch mehr Spaß gemacht. 

„Wissen Sie, ich habe früher auch Fußball gespielt! Bei Roma Lazio. Und ich war richtig gut. Aber ich wollte reisen, deswegen habe ich mit dem Tennis angefangen. Ich war einmal in Neapel und dachte mir, vielleicht schaffst du es ja mal nach Mailand.” Pietrangeli schaffte es um die Welt und man sieht den Stolz in seinen Augen. Ein Sinnbild der „Forza d’Anima”, der italienischen Willensstärke. 

Rom feiert Europa - und den neuen Europameister : Wir sind wieder stolz, Italiener zu sein!    

Public Viewing. Vor dem Tevere in Rom.Foto: Amelie Baasner

Willensstärke bewiesen auch die Azzurri, nachdem sie in der zweiten Minute das erste Tor kassieren mussten. Über Rom legte sich bis zum Gegentor bleierne Stille. Kaum Autos auf der Straße, das massive Polizeiaufgebot schien beinahe überflüssig. Vor den Bars, in denen sich die Italiener zum Fußballschauen treffen, sah man vor allem in angespannte Gesichter. Eine so unerfahrene Mannschaft im Rückstand, eine Zitterpartie. Ab und zu war ein verzweifeltes ”daje”, ein ”komm schon” zu hören.

Europa sind wir, liest man bei Repubblica und in den Gesichtern der Italiener

Umso größer war der Aufschrei (auch beim Präsidenten Sergio Mattarella), als Bonucci den Ball in der 67 Minute über die Linie brachte. Je mehr die Nationalmannschaft auf dem Platz das Selbstbewusstsein zurückeroberte, desto ausgelassener wurden die Italiener auf der Straße, desto mehr Spritz wurden bestellt, desto fröhlicher drückten die Barmänner einem das Bier in die Hand.  

Nach Ende der Partie war die Piazza Venezia vor dem Campidoglio plötzlich brechend voll. Voller Menschen, Flaggen und hemmungsloser Freude. Für einen Moment wurden alle Coronaregeln vergessen, aus allen Richtungen kamen Jugendliche.

Es sei den Italienern nach dem Schmerz von 2020 gegönnt. „Wir haben’s geschafft”, „es lebe Italien” und „es lebe Europa”. Interviews wollte ab dann keiner mehr geben, zu viel gab es zu Feiern. Italien ist zurück, es hat in Wembley die Europäische Union verteidigt. „Europa siamo noi”, Europa sind wir, liest man bei Repubblica und in den Gesichtern der Italiener. 

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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