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Regierungstreffen beim Tag der Industrie : Im schwierigen Fahrwasser

Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck sind als Gastredner beim jährlichen Treffen der Industrie nicht auf einer Linie.

Regierungstreffen beim Tag der Industrie : Im schwierigen Fahrwasser

Große Bühne. Kanzler Olaf Scholz (links) erläuterte seine Politik gegenüber der Industrieelite. Die Abschaffung der EEG-Umlage…Foto: dpa

Koalitionsverhandlungen auf offener Bühne gibt es nicht alle Tage. Die Zeitenwende macht es möglich, und wenn die Bühne beim Jahrestreffen der Industrie steht, dann treten neben dem Bundeskanzler auch die wichtigsten Minister auf. Denn die Industrie ist der Träger des Wohlstands hierzulande; die Unternehmen leben von offenen Märkten und dem Handel mit China; in der Industrie wird am meisten geforscht und investiert, hier gibt es Millionen gut bezahlter Arbeitskräfte. „Aktuell ist die Industrie im schwierigen Fahrwasser“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag in Berlin beim so genannten Tag der Industrie, da viele Betriebe des verarbeitenden Gewerbes besonders betroffen seien von den Energiepreisen. Damit die „externen Schocks“ nicht zu einer dauerhaften Inflation führen, habe er die Sozialpartner am 4. Juli zur Konzertierten Aktion ins Kanzleramt eingeladen.

„Wir haben die Ärmel aufgekrempelt, Deutschland nimmt wieder Fahrt auf“, bemühte sich Scholz um Optimismus. In diesen Kriegszeiten „bewegen wir uns im unkartierten Gelände, aber wir haben einen Plan und Kompass und sind nicht allein unterwegs“.

Regierungstreffen beim Tag der Industrie : Im schwierigen Fahrwasser

Ambitionierter Kassenwart. Christian Lindner, will die Schuldenbremse einhalten, in die Zukunft investieren und keine Steuern…Foto: dpa

Den Bundesfinanzminister von der FDP hat der SPD-Bundeskanzler nicht unbedingt an seiner Seite. Am 4. Juli wird es bei der Konzertierten Aktion um weitere Entlastungen gehen für Unternehmen und Verbraucher, die von der Gemeinschaft der Steuerzahler zu tragen wären. Die Wiedereinführung der steuer- und abgabenfreien Coronaprämie für Beschäftigte wird erwogen. Christian Lindner jedoch will nicht mehr zahlen und führt mehrere Argumente an.

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Eine erneute Erhöhung der Staatsausgaben würde die Inflation weiter anheizen; im nächsten Jahr gilt wieder die Schuldenbremse und schließlich wird nach mehr als zehn komfortablen Jahren der Kapitaldienst des Bundes aufgrund der steigenden Zinsen deutlich teurer. Im kommenden Jahr müsse er 30 Milliarden Euro für Zinsen ausgeben, sagte Lindner vor der versammelten Wirtschaftsmacht. 2021 habe sein Vorgänger als Finanzminister, Olaf Scholz, nur vier Milliarden Zinsen zahlen müssen. „Das ist eine Steilwand, die sich vor uns auftut“, sagte Lindner, „bei den steigenden Zinslasten können wir uns steigende Schulden nicht mehr leisten“.

Lindner sieht sich vor einer Steilwand

Der Finanzminister ging auf Distanz sowohl zu Scholz als auch zu Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Neben der Konzertieren Aktion hat Scholz die Sozialpartner und Industrievertreter zu einer „Allianz zur Transformation“ zusammengerufen, um gemeinschaftlich die Dekarbonisierung und Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft anzugehen. Die Industrie solle nach der Transformation stärker sein als vorher, meinte Scholz. „Die Bekämpfung der Inflation hat Priorität, bei allen Notwendigkeit der Transformation“, entgegnete Lindner.

Keine Steuererhöhungen nötig

„Wir werden die Schuldenbremse erreichen, ohne bei den Investitionen zu sparen und ohne Steuererhöhungen“, kündigte der Finanzminister an. Diskussionen um eine Übergewinnsteuer seien kontraproduktiv, denn wenn es hohe Profite in bestimmten Bereichen gebe, Lindner nannte beispielhaft die Halbleiterbranche, dann gebe es Anreize, dort zu investieren. „Wer soll am Stammtisch entscheiden, was ein Übergewinn ist?“, wies Lindner den Vorschlag ebenso zurück wie den Vorstoß Habecks, die steuerliche Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen mit höheren Steuern auf höhere Einkommen gegenzufinanzieren. In dem Fall müsste der Spitzensteuersatz ab einem Jahreseinkommen von 80 000 Euro bei 57 Prozent liegen, rechnete Lindner vor.

Regierungstreffen beim Tag der Industrie : Im schwierigen Fahrwasser

Industriepräsident Siegfried Russwurm und Wirtschaftsminister Robert Habeck verfolgen mehr oder weniger amüsiert die Debatte bei…Foto: REUTERS

Friedrich Merz ist für Atomkraft

Neben den Hauptakteuren der Bundesregierung hatte auch Oppositionführer Friedrich Merz einen Auftritt bei der Industrie. Um die aktuelle Energienotlage zu bewältigen, müssten „alle Ressourcen genutzt werden, die diesem Land zur Verfügung stehen“, dazu gehörten längere Laufzeiten für Kohlekraftwerke und längere Laufzeiten für die drei noch verbliebenen Atomkraftwerke. Habeck zufolge ist das nur möglich, wenn man eine Sicherheitsüberprüfung der AKW durchführt. Die beanspruch neun Monate, und in der Zeit müssten die Anlagen abgestellt werden. Wegen solcher Prüfungen seien derzeit von 55 Atomrektoren in Frankreich 29 nicht in Betrieb.

CDU-Chef Merz zufolge sind die Klimaziele aufgrund der Kriegsfolgen „aus heutiger Sicht nicht mehr zu schaffen“. Es sei denn, bislang verpönte Technologien zur „Rückgewinnung und Wiederverwertung von CO2“ würden ebenso genutzt wie die unterirdische Speicherung des Klimagases. Die entsprechende Technologie hatte vor vielen Jahren die Bundesregierung unter der CDU-Kanzlerin Angela Merkel blockiert.

Teure Refinanzierungswelle im nächsten Jahr

Einen skeptischen Ausblick in die nächsten 18 Monate gab es von Christian Sewing, dem Vorstandschef der Deutschen Bank. Die ersten beiden Quartale 2022 liefen noch gut, doch vor allem aufgrund der hohen Inflation steige nun auch die Rezessionswahrscheinlichkeit, da die Zinserhöhungen in Europa und in den USA Wirkung zeitigten. Im kommenden Jahr stehe in der Wirtschaft eine Refinanzierungswelle an, sagte der Banker, und die werde teuer für die Unternehmen. Immerhin: „Unternehmen und Wirtschaft insgesamt sind resilienter als früher“, sagte Sewing. Die „goldene Dekade zwischen 2010 und 2020“ helfe in der aktuellen Krise.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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