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RBB-Krimi mit Meret Becker und Mark Waschke : Der „Tatort“ zum Mietenwahnsinn

Überhitzter Wohnungsmarkt: Selten war eine Ausgabe des RBB-Krimis so kämpferisch wie in „Die dritte Haut“.

RBB-Krimi mit Meret Becker und Mark Waschke : Der „Tatort“ zum Mietenwahnsinn

Mit Maske: Rubin (Meret Becker) und Karow (Mark Waschke) ermitteln in einer Notunterkunft. Dort ist Otto Wagner mit seiner Familie…Foto: rbb/Gordon Muehle

Zum neuen „Tatort“ des RBB gibt es ein kurzes Making-of-Video. Meret Becker, die Kommissarin Nina Rubin spielt, erklärt darin, was es mit dem Titel „Die dritte Haut“ auf sich hat. „Die erste ist diese Haut“, sagt Becker und berührt die Haut ihrer Hand. Danach zeigt sie auf den Ärmel ihrer Jacke, ihre zweite Haut. Die dritte Haut aber, das sind die vier Wände der eigenen Wohnung. Erst durch sie wird der Schutz des eigenen Lebens und der Familie komplett.

„Wohnen ist Menschenrecht“, bringt es Mark Waschke, der Darsteller von Kommissar Robert Karow, auf den Punkt. Genau dieses Recht aber ist derzeit besonders in Berlin vor allem ein Recht des Stärkeren. Willkommen im Berliner Mietwahnsinn, mitsamt den sogenannten Gastwohnungen und wirkungslosen Zweckentfremdungsverboten sowie den Diskussionen um Mietenbremse und Enteignungs-Volksbegehren („Tatort: Die dritte Haut“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15).

Die Verlierer dieser Entwicklung sind die Mieter, die dem System schutzlos ausgeliefert sind. 17 Zwangsräumungen finden täglich statt, zitiert Robert Karow eine Statistik. In diesem „Tatort“ ist jedoch der Juniorchef von Ceylan Immobilien das Opfer. Einen Tag nachdem Cem Ceylan (Murat Dikenci) den Berliner Busfahrer Otto Wagner (Peter René) mitsamt seiner Familie mit Hilfe seines Mannes fürs Grobe – des einschlägig vorbestraften Axel Schmiedtchen (Ingo Hülsmann) – hat vor die Tür setzen lassen, liegt er tot vor dem Mietshaus, das durch Luxussanierungen entmietet werden soll. Ceylan wurde offenbar aus größerer Höhe von einem Balkon geworfen.

Große Trauer bringt dem Toten kaum jemand entgegen, allenfalls die sonst so abgebrühte Mutter und Chefin der Immobilienfirma Gülay Ceylan (Özay Fecht) und seine Schwester Yeliz (Sesede Terziyan). Ihren Ehemann Thomas Dahlmann (Florian Anderer) lässt das gewaltsame Hinscheiden des Schwagers hingegen kalt. Ansonsten lassen sich die anderen Beteiligten höchstens nach dem Grad ihrer Abneigung gegen den Wohnungsbesitzer unterteilen. Motive, Mittel und Möglichkeiten gibt es reichlich.

Für Meret Becker ist es der drittletzte „Tatort“ des RBB. Im kommenden Jahr wird Corinna Harfouch an der Seite von Mark Waschke auftreten. Eine gewisse Distanziertheit lässt sich bereits jetzt bei Nina Rubin feststellen. Robert Karow kann dagegen richtig loslegen. Sein Zynismus passt diesmal sogar besonders gut zu der wenig verheißungsvollen Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt.

Regisseur Norbert ter Hall bringt eine interessante Perspektive auf die Stadt mit. Er stammt aus Holland, in vielen seiner Arbeiten spielt Amsterdam eine wichtige Rolle. Seit über zwölf Jahren lebt er zeitweise in Berlin, kennt also die Probleme der Bundeshauptstadt – in der der Wohnungsmarkt eine zentrale Rolle spielt.

Im Film tragen sämtliche Darsteller ihre Masken regelgerecht

So wie beim Wahlkampf um das neue Abgeordnetenhaus. Noch näher an den Wahltermin Ende September hätte die ARD diesen „Tatort“ nicht legen können. Vor allem dann, wenn man sich nicht dem Vorwurf der Wahlbeeinflussung aussetzen möchte.

Die Haltung, die „Die dritte Haut“ einnimmt, ist eindeutig. Hier wird ein entmenschlichtes System angeprangert, in dem die ungehemmte Profitgier auf alle gesellschaftlichen Konventionen und die Vorgaben der Politik pfeift.

Es wurde übrigens nicht nur Corona-konform gedreht, auch im Film tragen sämtliche Darsteller ihre Masken regelgerecht – wenngleich FFP2 da noch die Ausnahme war. Die Maske ist aber auch sonst konsequent: Covid hat die Situation auf dem Wohnungsmarkt nochmals verschärft.

„Als ich in den Nachrichten sah, dass sich über 800 Leute bei einer Wohnungsbesichtigung im Prenzlauer Berg drängelten, war mir sofort klar, dass das Thema auch ein ,Tatort‘-Thema ist“, sagt Drehbuchautorin Katrin Bühlig. Die Frage war nur: „Würden wir für eine bezahlbare Wohnung jemanden töten?“

Das Thema wurde übrigens gerade erst in einem „Wilsberg“-Krimi im ZDF behandelt, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. In „Aus heiterem Himmel“ war es ein Mieter, der zum „Verwertungshemmnis“ für die Immobilie wurde und dies mit dem Leben bezahlte. In beiden Fällen erfährt der Zuschauer, so er es nicht schon aus eigener Erfahrung, Erzählungen oder seiner Zeitung wusste, mit welchen Methoden gearbeitet wird.

Dieser „Tatort“ bereichert die Aufzählung um einige Nuancen. Zudem fügt Norbert ter Hall noch einige reale Schicksale von Menschen in kurzen Bildern hinzu, die um ihre Wohnung bangen oder sie bereits verloren haben und auf der Straße leben. Das mag ungewöhnlich sein, verdeutlicht aber, wie nah Fiktion und Realität liegen können.

„Die dritte Haut“ pendelt zwischen einem beinahe dokumentarisch nüchtern inszenierten sozialkritischen TV-Krimi und einem engagierten Aufklärungsfilm über Kapitalismusauswüchse. Der Mordfall Cem Ceylan lässt sich in 90 Minuten lösen, so will es die Logik des Sonntagabend-Krimis. Für die Problematik des überhitzten Berliner Wohnungsmarktes gilt das nicht.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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