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Rassismus-Diskussion beim Staatsballett Berlin : Die ungeschminkte Wahrheit

Im Rechtsstreit zwischen der Tänzerin Chloé Lopes Gomes und dem Staatsballett Berlin verwickelt sich die Intendantin Christiane Theobald in Widersprüche.

Rassismus-Diskussion beim Staatsballett Berlin : Die ungeschminkte Wahrheit

Seit 2018 war Chloé Lopes Gomes beim Staatsballett Berlin angestellt, dann wurde ihr Vertrag nicht verlängert.Foto: Chloe Desnoyers

Der Fall Chloé Lopes Gomes hat hohe Wellen geschlagen. Die „New York Times“ und der „Guardian“ berichteten über die Rassismusvorwürfe, die die erste schwarze Ballerina des Staatsballetts Berlin gegenüber einer Ballettmeisterin erhoben hatte. Viele Tänzer:innen haben sich inzwischen mit der Französin solidarisiert, auch Solisten vom Royal Ballet in London oder vom Leipziger Ballett. Einige von ihnen berichteten, ähnliche Diskriminierungserfahrungen gemacht zu haben. Es gibt ein Rassismusproblem im Ballett, das lässt sich nicht mehr leugnen.

Das Berliner Staatsballett befindet sich in einer schwierigen Übergangsphase, nachdem die Co-Intendanten Sasha Waltz und Johannes Öhman im Januar 2020 überraschend zurückgetreten sind. Christiane Theobald, seit Gründung des Staatsballetts 2004 dabei, wurde zur Interims-Intendantin ernannt. Ihr ist die Causa Chloé Lopes Gomes auf die Füße gefallen. Demnächst wird der Fall vor dem Bühnenschiedsgericht verhandelt. Denn die französische Tänzerin, die seit 2018 beim Staatsballett engagiert ist, hat gegen die von der Intendantin Theobald ausgesprochene Nichtverlängerung ihres Vertrags geklagt. Die Verhandlung findet am 21. April statt.

Laut Rechtsanwältin Marion Ruhl war Chloé Lopes Gomes „nicht stark genug für die Anforderungen beim Staatsballett“. Ihr werden eine „äußerst schwache klassische Technik“ und „mangelnde Musikalität“ bescheinigt, ihre Sprünge seien nicht dynamisch genug und sie „muss darum kämpfen, in der Reihe zu bleiben“. Die Intendantin habe die Ballettmeister nach ihrer Einschätzung gefragt, die hätten aber keinen anderen Eindruck gehabt.

Rassismus habe keine Rolle gespielt, schreibt die Anwältin des Staatsballetts. Das behauptete „Weiß-Schminken“ habe es nicht gegeben, und sowieso: „Dahinstehen kann, dass eine weiße Körperbemalung in der Rolle des Schwans auch keine Ungleichbehandlung wäre.“ Dass bei einer Probe zu „La Bayadère“ ausgerechnet Chloé Lopes Gomes keinen weißen Schleier bekommen hatte, begründet sie damit, dass „nicht immer eine hinreichende Zahl von Schleiern zur Verfügung“ stand. Aber: „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass von Tänzer:innen, aber auch von Frau Sch. (die Ballettmeisterin) scherzhafte Bemerkungen in Verbindung mit dem Tragen von Schleiern gemacht wurden.“

Rassismus-Diskussion beim Staatsballett Berlin : Die ungeschminkte Wahrheit

Szenen aus “La Bayadère” beim Staatsballett Berlin.Foto: Yan Revazov

Im Zusammenhang mit einer zweifelhaften Fotosession „bedauert“ das Staatsballett, wenn die Klägerin sich „an kolonialistische ‚Freakshows erinnert fühlt“. Es war angeblich alles ein Missverständnis, die Fremdsprachenkenntnisse der Ballettmeisterin seien „sehr mangelhaft“. Fazit der Staatsballett-Anwältin: „Nach den Ermittlungen der Beklagten haben sich die Vorwürfe der Klägerin nicht in der Weise bestätigt, dass die Ballettmeisterin die Klägerin wegen ihrer Hautfarbe benachteiligt hat.“

Rechtsanwalt Christoph Partsch, der Chloé Lopes Gomes vertritt, spricht dagegen von einer „wiederholt rassistisch motivierten und ehrverletzende Behandlung“ von Beginn des Arbeitsverhältnisses an, die nach dem Ende der Intendanz von Waltz und Öhmann eskalierte und „in einer Nichtverlängerung kulminierte“. Partsch benennt etliche Zeuginnen für eine entwürdigende Behandlung sowie abfällige Äußerungen und verlangt, neben der Wiedereinstellung, wegen der „Nonchalance“, mit der die Ballettmeisterin die Tänzerin „jahrelang unbekümmert anfeinden konnte“, eine Entschädigung von mindestens 20 000 Euro.

„Ich hätte eine außergerichtliche Einigung außerhalb der Medien vorgezogen“, sagte Partsch dem Tagesspiegel. Er habe sowohl Kultursenator Lederer wie die Interims-Intendanz aufgefordert, die Nichtverlängerung aufzuheben. Das Agieren des Staatsballetts findet er befremdlich. Die Intendanz habe eine Mediation angeboten. Nachdem er signalisiert habe, dass seine Mandantin das Angebot annehmen wolle, habe er aber nichts mehr gehört vom Staatsballett.

Gibt es wirklich eine Null-Toleranz-Politik?

Partsch ist Experte für Compliance und war fünf Jahre lang der Vertrauensanwalt des Senats für die Bekämpfung von Korruption. Er fordert, eine Stelle für Betroffene von rassistischer Diskriminierung einzurichten, analog zur Vertrauensstelle zur Korruptionsbekämpfung. Was die Argumentation von Anwältin Marion Ruhl angeht, sagt er: „Die ist schlichtweg falsch und in Teilen aus einem Ballett-Journal-Blog zitiert, der offen rassistisch ist.“

Dass die Anwältin bestreitet, dass rassistische Motive eine Rolle gespielt haben, steht im Widerspruch zum Statement auf der Website des Staatsballetts. Dort heißt es: „Die rassistischen und Diskriminierungs-Vorfälle an unserem Haus, die in den letzten Tagen ans Licht kamen, haben viele von uns sehr getroffen und gezeigt, dass an den nötigen Kompetenzen, um mit Diskriminierung jeglicher Form entsprechend umgehen zu können, hart gearbeitet werden muss, um letztendlich tiefgreifende Veränderungen in Gang zu setzen.“

Auf die Frage, welche Maßnahmen bisher getroffen und ob auch externe Fachleute einbezogen wurden, schreibt Theobald: Nachdem Frau Lopes Gomes über Diskriminierungsvorfälle berichtet hat, habe sie gegenüber den Mitarbeitenden eine Null-Toleranz gegenüber Diskriminierungen beim Staatsballett angekündigt. „Da sich Mitarbeitende nicht selbstverständlich an Vorgesetzte wenden, um von ihren Diskriminierungserfahrungen zu berichten, habe ich mich entschlossen, eine Clearingstelle einzusetzen, um eine bessere Übersicht über bislang verdeckte Probleme zu bekommen.“

Transparenz und Feedbackkultur werden angestrebt

Für die Clearingstelle konnten Constantin Olbrisch und Eva Eschenbruch gewonnen werden. Interessant ist: Die beiden erfahrenen Mediatoren wurden von der Kulturverwaltung auch mit der Aufarbeitung der machtmissbräuchen Vorfälle an der Volksbühne beauftragt. Gespräche mit verschiedenen Mitarbeitenden haben stattgefunden. Dazu erklärt Theobald: „An diese Clearingstelle konnten sich Mitarbeitende wenden, um von ihren Erfahrungen zum Thema Diskriminierung zu berichten. Damit die Mitarbeitenden sich äußern, wurden die Gespräche anonym geführt. Dadurch haben wir einen umfassenderen Überblick zu unterschiedlichen Themenbereichen bekommen, können aber keine Rückschlüsse auf einzelne Personen ziehen.“

Die Ergebnisse würden als Entscheidungsgrundlage für weitere gezielte Maßnahmen dienen, wo nötig. Da ein Organisationsentwicklungsprozess lange dauere, könnten zum jetzigen Zeitpunkt nicht alle Maßnahmen abschließend benannt werden: „Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass neben weiteren fokussierten Schulungen zum Thema Diversität und einem adäquaten Beschwerdemanagement auch Feedbackkultur und Transparenz von Entscheidungen künftig eine größere Rolle spielen werden.“

Theobald äußerte sich auch zu dem „Klima der Angst“, das laut einigen Tänzer:innen beim Staatsballett herscht: „Wichtig ist zunächst, dass das Staatsballett aus einer Sackgasse kommt: wenn Mitarbeitende Angst haben, sich zu äußern oder nicht möchten, dass Personen auf Fehlverhalten angesprochen werden, werden Problem nicht bekannt und können nicht adäquat gelöst werden. Dieses Schema gilt es zu durchbrechen. „

Darauf angesprochen, dass die vom Staatsballett engagierte Anwältin behauptet, Rassismus habe keine Rolle gespielt bei der Nichtverlängerung des Vertrags von Lopes Gomes, antwortet Theobald: „Diskriminierungen und Rassismus finden meist unbeabsichtigt durch unterbewusste Vorurteile statt. Mir ist nicht bekannt, dass es beim Staatsballett irgendwelche absichtlichen Diskriminierungen gab. Schwieriger zu fassen ist der unbewusste Bereich. Das betrifft jeden Menschen und so wie ich es verstehe, hat jeder Mensch schon einmal diskriminiert, unbewusst und unbeabsichtigt. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und gilt auch für das Staatsballett. Es kam mir nie richtig vor, das zu leugnen. Davon abzugrenzen sind singuläre Vorfälle zwischen Mitarbeitenden.“

Zu Personalangelegenheiten könne sie sich nicht äußern. Und zum Rechtsstreit meint sie: „Im Allgemeinen kann ich sagen, dass gerichtliche Auseinandersetzungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen behandelt werden. Klageerwiderungen gehen auf den Vortrag der Klageschrift ein.“

Die Öffentlichkeit schaut genau hin

Es ist ein bemerkenswerter Spagat, den Theobald da hinlegt. Man weiß überhaupt nicht, wo und wofür sie steht. Nach Informationen des Tagesspiegels hat die interne Untersuchung ergeben, dass es sehr wohl ein Rassismusproblem beim Staatsballett gibt. Ihr muss klar sein, dass die Öffentlichkeit genau hinschaut, wie das Staatsballett Berlin als staatliche Institution mit den Rassismusvorwürfen umgeht, ähnlich wie bei den skandalösen Vorgängen an der Staatlichen Ballettschule Berlin. Kultursenator Lederer hat angekündigt, dass seine Verwaltung den Prozess, bei dem auch ein Code of Conduct erarbeitet werden soll, kontrollieren werde.

Theobald berichtet auch, das sie schon früh Kontakt aufgenommen hat zur Diversitätsagentin des Theaters an der Parkaue. Laut Sonja Baltruschat hat es im Oktober letzten Jahres ein Beratungsgespräch zu ersten Schritten auf dem Weg zu diversitätsorientierter Unternehmensentwicklung und dem Schaffen diskriminierungsärmerer Strukturen im Arbeitskontext von Kulturinstitutionen gegeben. Im Anschluss habe Baltruschat noch eine Mail mit Informationen und Empfehlungen verschickt. Aber „danach gab es keinen weiteren Kontakt und keine Vereinbarungen, bis auf mein Angebot, dass ich bei Rückfragen als Ansprechpartnerin zur Verfügung stehe.“

Es besteht also durchaus noch Handlungsbedarf. Und all diese Antirassismus-Workshops kommen für Chloé Gomes Lopes zu spät. Es geht nicht nur um die Frage, wie lernfähig eine Institution ist, sondern auch, wie Berlin mit Rassismus umgeht. Nicht nur die internationale Tanzwelt schaut auf die Stadt.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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