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Probleme auf dem Weg zur Medizinmetropole : Was die Spitzenkandidaten über Berlins Gesundheitswirtschaft sagen

Giffey, Wegner und Jarasch kündigen im Tagesspiegel-Forum an, den Medizinstandort Berlin ausbauen zu wollen – der Charité-Chef zieht einen Tesla-Vergleich.

Probleme auf dem Weg zur Medizinmetropole : Was die Spitzenkandidaten über Berlins Gesundheitswirtschaft sagen

Der Bettenturm am Charité-Campus in Berlin-Mitte ist europaweit bekannt.picture alliance/dpa

Vielleicht erinnern sich Ärzte, Pflegekräfte und Gesundheitspolitiker in einigen Jahren daran, dass Heyo Kroemer von der „Teslaisierung“ der Medizin sprach, die man in Deutschland zu verschlafen drohe. Der Charité-Chef verschlagwortete so den technischen Fortschritt aus Übersee: Wie der US-Konzern Tesla im Land der traditionsreichen Benziner massenhaft Elektroautos bauen will, so setzt die Digitalisierung in der weltweiten Medizin auch das deutsche Gesundheitswesen unter Druck.

Und so pochte Kroemer darauf, es mit der Modernisierung der Medizinmetropole Berlin ernst zu nehmen – auf dem Tagesspiegel-Fachforum „Gesundheitswirtschaft“ am Mittwoch sagte der Chef der Universitätsklinik zugleich deutlich: Berlins „materielle Ressourcen“ reichten nicht, wenn die Stadt in der Medizin im Rang der US-Forschermetropole Boston stehen wolle. Dafür brauche es Unterstützung aus Bund und Wirtschaft.

Berlins Gesundheitssektor soll tatsächlich weltweit oben dabei sein, das ist erklärtes Ziel des scheidenden Senats – Landeschef Michael Müller (SPD) hatte dazu das Konzept der „Gesundheitsstadt 2030“ entwerfen lassen: Mit der landeseigenen Charité als Nukleus könnte Berlin zur weltweit geachteten Forschungsmetropole avancieren.

Und auch Berlins Spitzenkandidaten von SPD, CDU und den Grünen bekannten sich dazu in der Tagesspiegel-Debatte. Investitionen in Infrastruktur, Ausbildung und Forschung besser zu vernetzen, forderte SPD-Kandidatin Franziska Giffey, überhaupt ein „abgestimmtes Vorgehen“ aller Akteure – also von der Hochschulmedizin bis zu den Gesundheitsämtern.

Nach „ökonomischen Effizienzkriterien“ allein vorzugehen, sei falsch, sagte Bettina Jarasch von den Grünen, wenngleich sie auf die Kosten der Coronakrise verwies, wegen der die öffentlichen Haushalte bald klammer sein werden.

Kai Wegner wiederum sprach davon, dass die Stadt – also letztlich der Senat, den er nach der Wahl selbst führen will – den örtlichen Forscher-Start-ups helfen müsse, damit es mit dem „Leuchtturm Berlin“ vorangehe. In den Krankenhäusern seien angesichts der Personalnot in der Pflege bessere Arbeitsbedingungen nötig – womit CDU-Mann Wegner den aktuellsten Konflikt in den Kliniken ansprach.

Wie die Personalnot in der Pflege mindern?

Vor zwei Wochen hatten in der Gewerkschaft Verdi organisierte Klinik-Beschäftigte am Roten Rathaus protestiert. Sie wollen einen „Entlastungstarifvertrag“, letztlich also mehr Personal. Die Gewerkschaft forderte die Vorstände der Charité und der ebenfalls landeseigenen Vivantes-Kliniken auf, einen Vertrag über eine neue Personalbemessung zu unterzeichnen.

Sollte ein solcher Entlastungstarifvertrag nicht bis zum 20. August zustande kommen, wolle Verdi zum Streik aufrufen. Ein Ausstand fiele dann in die Hochphase des Wahlkampfes für das Abgeordnetenhaus und den Bundestag. Zwar gelten seit 2019 von der Bundesregierung eingeführte Mindestbesetzungen pro Station, in der Praxis aber – so der Vorwurf – würden diese nur sehr vage berücksichtigt.

Wenn sich der Einsatz enger am Versorgungsbedarf orientiert würde, erfordert dies schätzungsweise zehn Prozent mehr Pflegepersonal. Trotz gestiegener Löhne suchen alle Kliniken seit Jahren geprüfte Pflegekräfte. Verdi hält dagegen, dass viele die Branche ja gerade wegen des Mangels an Beschäftigten verlassen hätten, bei mehr Personal auf den Stationen aber in die Kliniken zurückkämen.

Reiner Hoffmann, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, warnte am Mittwoch vor einem Zwang durch „Renditeerwartungen“ im Gesundheitswesen – und der Berliner Wissenschaftspolitiker Tobias Schulze (der statt des Linken-Spitzenkandidaten Klaus Lederer kam) sprach davon, die Schuldenbremse dauerhaft „auszusetzen“, um die zumeist landeseigen Gesundheitseinrichtungen zu stützen.

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Fehlendes Fachpersonal, die nötige Digitalisierung und der von Ärzten, Pflegekräften und Forschern gleichermaßen als lähmend kritisierte Papierkram – das Gesundheitswesen wird im Wahljahr eine zunehmende Rolle spielen. Nur Stunden vor dem Tagesspiegel-Fachforum hatte Berlins Krankenhausgesellschaft (BKG) ihre Forderungen veröffentlicht. Grob vereinfacht geht es darum: Mehr Geld von den Krankenkassen, weil die Honorare sich am tatsächlichen Versorgungsaufwand orientieren sollten, einen flexibleren Personalschlüssel in der Pflege sowie bessere Vernetzung aller Akteure im Gesundheitswesen.

Probleme auf dem Weg zur Medizinmetropole : Was die Spitzenkandidaten über Berlins Gesundheitswirtschaft sagen

Abstand halten. Franziska Giffey (SPD), Bettina Jarasch (Grüne) und Kai Wegner (CDU) auf einer früheren…Doris Spiekermann-Klaas

Man habe in der Coronakrise gezeigt, wozu die Kliniken in der Lage seien, sagte BKG-Geschäftsführer Marc Schreiner – und forderte, „durch weniger Misstrauen und Bürokratie weiteres Leistungspotenzial“ freizusetzen. „Der Bürokratiewahnsinn muss ein Ende haben.“ In der kommenden Legislaturperiode müsse, fordert die BKG, der Fachkräftemangel politische Priorität werden. Ähnlich wie die Gewerkschaften wollen also auch die Krankenhäuser eine andere Personalbemessung einführen lassen – wenn denn endlich die nötige Finanzierung steht. Das hören die Arithmetiker in den Krankenkassen sicher nicht so gern.

Die WHO will in Berlin ein Pandemie-Frühwarnzentrum errichten

Trotz erheblicher Probleme steht die Region in vielerlei Hinsicht allerdings gut da. Da waren sich die Diskutanten weitgehend einig – unter anderem Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD), Stefan Franzke von der landeseigenen Wirtschaftsförderung „Berlin Partner“, Matthias Suermondt vom Pharmakonzern Sanofi sowie Peter Albiez, Sprecher des Cluster Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg und Deutschland-Chef von Pfizer – die Medikamentenhersteller Sanofi und Pfizer hatten das Fachforum unterstützt.

Albiez wies darauf hin, dass immerhin die Weltgesundheitsorganisation, die WHO, ein internationales Pandemie-Frühwarnzentrum in Berlin aufbauen möchte. Vielleicht werden sich die Zuhörer insofern auch an Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) erinnern, der die „Gesundheitsstand 2030“ mit Senatschef Müller zusammen konzipierte und es am Mittwoch mit einem Fußballbild versuchte: Berlin sei in der Gesundheitswirtschaft deutscher Meister, aber vom Weltpokal noch entfernt.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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