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Plastikmüll : Verraten und verpackt

Plastikkonsum ist so schädlich, meist vermeidbar – und, anders als behauptet, alles andere als praktisch. Ein Kommentar

Plastikmüll : Verraten und verpackt

Am Ende der Wohlstandskette: Ein Jugendlicher sortiert Plastikflaschen in einer Recyclingfabrik in Bangladesh. Wiederverwertet…Foto: Joy Saha/dpa

Wir erleben derzeit nicht nur einen Sommer von erheblicher Brutalität – gerade machten Feuerwehr und Waldbesitzer:innen eine Hundert-Jahre-Rekordbilanz der Brände des noch laufenden Jahres auf – sondern zugleich ein politisches Handeln und Reden, das in einem geradezu schreienden Gegensatz steht, was uns die Hitze entgegenbrüllt. Stattdessen: Ein Grüner, der erste deutsche Wirtschaftsminister, der auch für Klimaschutz zuständig ist, hetzt  durch die Welt, um uns für den nächsten Winter nur ja mit ausreichend klimaschädlichem Fossilbrennstoff zu versorgen.

Er ist nicht der Einzige, die europäischen Kolleg:innen, ja Regierungschefs tun es ihm gleich. Mehr noch: in Italien zum Beispiel, das gerade eine nie gehabte Menge von Hitzetoten zählte und unter afrikanischen Temperaturen selbst in sonst kühleren Landesteilen ächzte, ist das Megathema Klima in der politischen Debatte und den großen Medien praktisch abwesend – im Wahlkampf! Jede Palastintrige mit einer 24-Stunden-Laufzeit bekommt ein Mehrfaches an Aufmerksamkeit.

Warum Plastikflaschen? Es gibt den Wasserhahn

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Und wann haben wir eigentlich zuletzt über die Tonnen von Plastik geredet, die das Leben in den Weltmeeren ersticken und in vier- und mehrfacher Menge Böden und Flüsse auch in Deutschland verseuchen? Ach was, wir holen uns einfach einen weiteren Sixpack Halbliterfläschchen Mineralwasser aus dem Supermarkt. Also wirklich, bei dieser Hitze…

In der Tat: Bei dieser Hitze sollten nicht nur Idealist:innen, die noch hoffen, mit bewusstem Konsum ein Stück Welt retten zu können, die plastikverschweißten Plastikwässer meiden. Auch die sollten es tun, denen die Klimakatastrophe schnurz ist oder die sie leugnen. Bei knapp 40 Grad ist auch ein Getränke-Sechsergebinde in leichtem Plastik – war nicht Gewicht einst das Argument, um der Glasflasche den Garaus zu machen? – kein Vergnügen, wenn es in den vierten Stock geschleppt werden will. Zur Erinnerung: Es gibt den Wasserhahn! Der ist bereits im vierten Stock, wenn man dort angekeucht kommt, und eine Handbewegung verschafft Erfrischung von besserer Qualität und billiger als vieles, was es beim Discounter gibt.

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Und wo wir gerade dabei sind: Ist es wirklich so praktisch, den feuchten Frischkäse aus dem Plastikgehäuse zu friemeln, den Schinken von der  Kunststoffschweißnaht fräsen zu müssen, bevor man beides auf den Teller kriegt? Und anschließend das fettige Drumherum säubern, damit es bis zum Eintreffen der Müllabfuhr nicht Gestank verströmt? Oder es als verschmorten Klumpen aus der Spülmaschine fischen? Der dann im Plastikmülleimer Platz frisst?

War unser Leben wirklich schlechter, als wir vor einer Tasse Kaffee aus Porzellan saßen oder an der Theke standen, vielleicht lesend, statt den Kaffee im Wegwerfbecher über die Straße zu balancieren? Als uns Amazon noch nicht mit Riesenpaketen voller Schaumstoffchips belästigte? Wem dient unser plastikbasierter Lebensstil denn wirklich: Unserer Bequemlichkeit – oder den Interessen der Hersteller?

Dieser Lebensstil ist Mord am Planeten

Der sorglose Umgang mit dem angeblich praktischen Plastik zeigt, dass die meisten Konsument:innen das nicht einmal mehr merken. Und während wir Käsereste aus Packungen, Umverpackung und weiterer Umverpackung kratzen, leiden die wenigen Unverpacktläden, die es seit ein paar Jahren zum Glück gibt, unter Kundenschwund. In einem Sommer, der die Katastrophe so sichtbar und alltäglich gemacht hat wie keiner zuvor.

Die Macht der Gewohnheit ist nach wie vor stärker als bessere Einsicht. Das ist ja auch die Lebensversicherung der Autoindustrie: Der Planet kocht, aber die Blechlawine, die die Temperatur nach oben treibt, erscheint noch zu vielen als das eigentlich unvermeidliche Naturereignis.

Sage niemand, Widerstand sei zwecklos. Es stimmt, noch hat sich der Massenkonsum nicht so massiv verändert, dass die Lebensmittel- und übrige Industrie ihren Plastikmüll aus Angst vor der Kundschaft reduzieren müsste. Aber wer kauft, könnte genau diesen Druck entfalten. Der allergrößte Teil des Plastikmülls sind eben nicht Plastikschläuche für die Praxis der Hausärztin oder notwendiges OP-Material, sondern unsere verfluchten Einmalprodukte und Verpackungen.

Natürlich ist Konsumverhalten nicht alles, selbstverständlich braucht es Politik, die dem Wandel mit nachhilft. Mit, ja, Verboten. Was ist so schlimm daran? Auch Diebstahl, Raub, Betrug sind verboten und werden nicht als Ausdruck von Freiheit und persönlicher Entfaltung unter Grundrechtsschutz gestellt. Unser Lebensstil ist Mord am Planeten. Ihn zu verbieten, gäbe der Erde eine Chance. Und würde, siehe oben, auch unseren Konsum leichter machen. Der weit überwiegende Teil unseres Plastikkonsums tut das Gegenteil.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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