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Nach Ermittlungen gegen Nüßlein : Opposition fordert schärfere Regeln für Abgeordnete

Lobbyisten und CSU-Politiker warben bei der Regierung für den Kauf von Masken. Der Bundestag könnte sich bereits in dieser Woche mit den Konsequenzen befassen.

Nach Ermittlungen gegen Nüßlein : Opposition fordert schärfere Regeln für Abgeordnete

Georg Nüßlein.Foto: imago images/Metodi Popow

Die Anfrage beschäftigte einen Bundesminister und vier Staatssekretäre persönlich. Die Lobbyistin Andrea Tandler hatte im Auftrag einer Schweizer Firma dem Bundesgesundheitsministerium ein Angebot zum Kauf von medizinischen Masken unterbreitet. Dabei berief sich die Tochter eines ehemaligen bayerischen Ministers auf eine Empfehlung der CSU-Europaabgeordneten Monika Hohlmeier, Tochter des ehemaligen CSU-Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß.

Die Mail, über die der „Spiegel“ berichtet, war an eine enge Mitarbeiterin von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gerichtet, später telefonierte Tandler wegen des Angebots auch mit Spahn persönlich. Der Preis der angebotenen Masken war sehr hoch, doch der Deal kam zustande.

Der Vorgang wirft ein Schlaglicht auf die Arbeit von Lobbyisten in der Coronakrise. Ist die Firma aus der Schweiz nur deshalb zum Zuge gekommen, weil sie über Lobbyisten einen direkten Draht zu politischen Entscheidern herstellen konnte? Die Geschichte weckt zudem Erinnerungen an die bayerische Amigo-Affäre.

Auch der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, leitete ein Angebot Tandlers intern weiter, das Ministerium hakte später im Verteidigungsressort nach, ob denn nun bei der Schweizer Firma ein Auftrag für Schutzausrüstung erteilt worden sei.

Zuvor hatte die Bundeswehr allerdings bereits ein weiteres Angebot der Firma für den Kauf von einfachen medizinischen Masken abgelehnt, weil es „dreifach über dem handelsüblichen Preis“ gelegen habe, wie der „Spiegel“ berichtet.

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Ein weiterer Fall von Lobbyismus beim Geschäft mit den Masken beschäftigt mittlerweile die Generalstaatsanwaltschaft München. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein leitete im März vergangenen Jahres das Angebot eines hessischen Maskenherstellers an das Bundesgesundheitsministerium weiter. Der Vertrag kam zustande, wie das Ministerium am Wochenende bestätigte.

Allerdings ist der Kauf „wegen laufender Verhandlungen in Qualitätsfragen“ noch nicht abgeschlossen. Nüßlein soll dem Hersteller für seine Vermittlungstätigkeit 660.000 Euro in Rechnung gestellt haben. Die Staatsanwälte sehen deshalb einen Anfangsverdacht wegen Bestechlichkeit von Mandatsträgern sowie wegen Steuerhinterziehung. Der Maskenhersteller schloss außerdem einen Vertrag mit dem Gesundheitsministerium in Bayern ab.

Lücken im Abgeordnetengesetz

Der CSU-Abgeordnete ließ über seinen Anwalt erklären, dass er die Vorwürfe für unbegründet halte. Nüßlein ist kein Hinterbänkler, sondern stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion. Wegen der Ermittlungen lässt er dieses Amt derzeit ruhen. Im Gesundheitsausschuss ist er stellvertretendes Mitglied.

Für seine Beratertätigkeit soll Nüßlein die Firma Tectum Holding GmbH genutzt haben. Der CSU-Politiker gründete dieses Unternehmen bereits 2012 – zu dem Zeitpunkt saß er seit zehn Jahren im Bundestag. Als Zweck der Firma gab er beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg das Halten und Verwalten von Beteiligungen, „M&A-Geschäft“ (also Fusionen und Übernahmen) sowie Wirtschaftsberatung an.

Nüßlein meldete sein Unternehmen auch dem Bundestag. Nach dem Abgeordnetengesetz sind Parlamentarier verpflichtet, bezahlte Nebentätigkeiten und Firmenbeteiligungen anzugeben. Allerdings lässt das Gesetz mehrere Lücken: Abgeordnete, die sich für ihre eigenen Firmen kein offizielles Geschäftsführergehalt auszahlen, müssen Einkünfte dieser Unternehmen nicht zwingend offenlegen. Außerdem sind die zahlreich im Parlament vertretenen Berater nicht verpflichtet anzugeben, für welche Firmen oder auch nur Branchen sie neben ihrem Bundestagsmandat tätig sind.

 Bereits nach der Lobby-Affäre um den CDU-Abgeordneten Philipp Amthor waren strengere Regeln für Nebentätigkeiten von Parlamentariern angemahnt worden. Amthor hatte sich beim Bundeswirtschaftsminister für die Firma Augustus Intelligence eingesetzt, für seine Tätigkeit hatte er sich Aktienoptionen zusichern lassen.

Linke: Abgeordneten bezahlte Lobbytätigkeit verbieten

 Die Opposition fordert nun Konsequenzen: „Mitgliedern des Bundestages muss es untersagt werden, mit Lobbyismus im Bundestag und gegenüber der Bundesregierung Geld zu verdienen“, sagte Jan Korte, parlamentarischer Geschäftsführer der Linken-Fraktion, dem Tagesspiegel. Eine bezahlte Nebentätigkeit als Lobbyist widerspreche der Unabhängigkeit des Mandats.

„Nie wieder darf auch nur der Anschein erweckt werden, dass Abgeordnete ihre Kontakte nutzen, um sich die Taschen vollzustopfen – erst recht in einer Notlage wie dieser.“ Zugleich kritisierte Korte, dass die Union auf der Bremse stehe, wenn es um Transparenz und Korruptionsbekämpfung gehe.

 „Es muss Schluss damit sein, dass CDU und CSU alle Bemühungen zu mehr Transparenz im Bundestag blockieren“, sagte auch Britta Haßelmann, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen. Hier gebe es großen Handlungsbedarf. „Neben dem längst überfälligen gesetzlichen Lobbyregister brauchen wir schärfere Regeln zu Aktienoptionen, Branchenangaben, Anzeigepflichten für Unternehmensbeteiligungen und die Veröffentlichung von Nebeneinkünften auf Euro und Cent.“

Außerdem fordern die Grünen in der Affäre um Maskenkäufe Aufklärung. „Schon jetzt entsteht durch solche Vorgänge massiver Schaden für das Ansehen von Politik“, sagte Haßelmann.

 Der Bundestag wird sich möglicherweise bereits in dieser Woche mit Konsequenzen aus den Lobby-Affären befassen. Einen Gesetzentwurf, der ein Verbot bezahlter Lobbytätigkeit von Abgeordneten vorsieht, hat die Linke bereits ins Parlament eingebracht, er soll voraussichtlich am Donnerstag im zuständigen Ausschuss diskutiert werden.

 Experten des Europarats hatten immer wieder angemahnt, dass der Bundestag zur Prävention von Abgeordnetenbestechung noch mehr tun müsse. Doch das Parlament hat diese Empfehlungen seit Jahren nicht umgesetzt. Auch die Einführung eines Lobbyregisters, das Interessenvertretung im Parlament und bei der Regierung transparent machen würde, kommt bisher nicht voran. Union und SPD konnten sich nicht auf einen gemeinsamen Entwurf verständigen.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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