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Moorschutz statt Landwirtschaft : Warum Stephen Costello für seine Kühe kämpft

Ein Brandenburger Vorzeigebetrieb: Die Tiere leben 365 Tage im Jahr draußen, sie ernähren sich nur von Gras. Doch nun ist die Idylle bedroht.

Moorschutz statt Landwirtschaft : Warum Stephen Costello für seine Kühe kämpft

Viel grünes Gras: Die Kühe leben ausschließlich draußen.Foto: Heike Jahberg

Wäre man eine Milchkuh, würde man wahrscheinlich gern bei Stephen Costello leben. Denn Costello und sein Bruder Paul halten ihre Tiere auf ihrem Hof in Brandenburg so, wie sie es aus ihrer irischen Heimat kennen: Die Vierbeiner verbringen das ganze Jahr draußen auf der Weide. Seine Kühe, eine Kreuzung aus Jersey und Holstein, können das ab. Sowohl Minusgrade als auch hohe Sommertemperaturen halten die robusten Tiere aus. Einen Stall brauchen sie nicht. Das unterscheidet sie von der deutschen Weidehaltung. Denn bei der müssen Landwirte ihren Tiere gerade einmal an 120 Tagen für jeweils sechs Stunden Auslauf auf der Weide oder auf dem Hof ermöglichen. „Das ist keine Weidehaltung“, sagt Costello, „das ist doch ein Witz“.

Die Kühe verbringen 365 Tage draußen

1000 Kühe haben die Brüder Costello. Die Tiere stehen auf den Weiden in Netzen, einem Ortsteil von Kloster Lehnin. Die Rinder ernähren sich von dem Gras auf ihren Wiesen. Im Winter wechseln sie auf einen sandigeren Auslauf, um nicht im Nassen zu stehen, und futtern in dieser Zeit Grassilage aus dem eigenen Betrieb. Das Leben der Kühe ist den Jahreszeiten angepasst. Sie bekommen ihre Kälber dann, wenn das Gras wieder zu wachsen beginnt. In den Wintermonaten haben die Tiere und die Landwirte Pause. Im Dezember und Januar liefern die Brüder Costello keine Milch.

Moorschutz statt Landwirtschaft : Warum Stephen Costello für seine Kühe kämpft

Will für seine Weiden kämpfen: Landwirt Stephen Costello und seine Kühe.Foto: Heike Jahberg

In Zeiten, in denen immer mehr Menschen Wert auf das Tierwohl legen, ist die Agrargesellschaft Emster-Land mbH mit ihrer Brandenburger Grasmilch, ein Vorzeigebetrieb. Die Kühe sind nicht auf Hochleistung getrimmt, sie geben gerade einmal halb so viel Milch wie die Turbo-Tiere. Zum Bild passt selbst der Storch, der auf dem Hof seinen Horst hat. 2020 erhielten die Iren für ihre Rinderhaltung den Innovationspreis des Landes Brandenburg.

Die Idylle ist bedroht

Doch diese Idylle ist jetzt bedroht. Denn das Land, auf dem die Kühe weiden, ist Moorgebiet. Ein Schöpfwerk sorgt dafür, dass das Wasser nicht zu nah an die Oberfläche kommt. Die Nähe zum Wasser bewirkt, dass das Gras selbst in den Dürresommern nicht verdorrt. Die Pumpen verhindern aber, dass das Gras zu Matsch wird, die Kühe im Wasser stehen und die für die Tiere gefährliche Klauenfäule bekommen.

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Doch nun will das Land Brandenburg die Moorflächen wieder renaturieren – aus Gründen des Klimaschutzes. Denn nasse Moore speichern große Mengen an Kohlenstoff. Werden die Moore jedoch trockengelegt, wird aus der CO2-Senke eine CO2-Schleuder. Sauerstoff und Kohlenstoff verbinden sich dann zu Kohlenstoffdioxid. „Entwässerte Moore sind große Kohlendioxidquellen, die häufig mehr als 30 Tonnen CO2-Äquivalente pro Hektar und Jahr ausstoßen“, betont Axel Vogel, Umwelt- und Agrarminister des Landes Brandenburg. „Moorschutz ist praktischer Klimaschutz“, meint der Grünen-Politiker.

Moorschutz statt Landwirtschaft : Warum Stephen Costello für seine Kühe kämpft

Je nasser, desto besser: Wenn Moore trocken werden, setzen sie Kohlendioxid frei.Foto: PNN / Ottmar Winter

Während im Bundesumweltministerium noch letzte Hand an eine Nationale Moorschutzstrategie gelegt wird, haben sich Bund und Länder bereits vor einem Jahr auf konkrete Zielgrößen geeinigt. Danach sollen bis zum Jahr 2030 die Emissionen aus deutschen Mooren von derzeit 44 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten – das sind etwa fünf Prozent der gesamten Emissionen Deutschlands – um jährlich fünf Millionen Tonnen verringert werden.
Brandenburg spielt für das Gelingen eine zentrale Rolle, denn das Land ist reich an Moorgebieten. Aktuell werden aber über 200.000 Hektar Moorflächen und Moorfolgeflächen landwirtschaftlich genutzt, das entspricht in etwa der Größe von 280 Fußballfeldern. Damit werden rund 6,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente freigesetzt. Um das zu verhindern, müsste der Wasserstand so erhöht werden, dass die Moore wieder nass sind. In Brandenburg müssten gemäß der Bund-Länder-Vereinbarung bis zum Jahr 2030 rund 50.000 Hektar geflutet werden, das ist größer als Köln.

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In 20 Projektgebieten soll jetzt untersucht werden, wie die Renaturierung funktionieren kann und wie man Umweltschutz und Landwirtschaft unter einen Hut bekommt. Eine der betroffenen Regionen ist der Polder Netzen – und damit die Weiden, auf denen derzeit noch die Costello-Kühe zu Hause sind. Fragt sich nur, wie lange noch.

Die Weiden sollen wieder nass werden

Denn für die Brüder Costello wird die Lage ungemütlich. Einen Teil der 500 Hektar, die sie für ihre Kühe brauchen, haben sie gepachtet. Das Land Brandenburg macht den Verpächtern nun Kaufangebote, das sorgt für Unruhe – und für steigende Preise, berichtet Stephen Costello. „Die Preise in der Region sind fast um 50 Prozent gestiegen“, sagt der 34-Jährige. Er will nicht verkaufen, sondern bleiben und seine Weidehaltung fortsetzen. Dass gerade er weichen soll, wo um ihn herum zuhauf Spargelfelder künstlich bewässert werden, versteht er nicht. „Gras speichert doch mehr Kohlendioxid als Äcker“, argumentiert er.

Moorschutz statt Landwirtschaft : Warum Stephen Costello für seine Kühe kämpft

Nasse Füße machen Wasserbüffeln nichts aus.Foto: Andreas Conrad

Dass Weidehaltung unter Klimagesichtspunkten besser ist als Acker, sagt auch Carsten Preuß, Landesvorsitzender des BUND. Zudem halten Rinder die Moorböden von Bäumen frei, die Wasser ziehen würden. Nutzung und Moorschutz gehören zusammen, sagt der Umweltschützer. „Die Moore wieder nasser zu machen, heißt nicht, dass eine Nutzung ausgeschlossen ist“.

Wasserbüffel statt Milchkuh

Das betont man auch im Bundesumweltministerium. „Wir wollen Moorschutz im Schulterschluss mit den Menschen in den Moor-Regionen gestalten“, heißt es auf Tagesspiegel-Anfrage. Es sei klar, dass diejenigen, die diese Böden bewirtschaften, eine wirtschaftlich tragfähige Zukunftsperspektive brauchen. Das Ministerium will dort etwa Photovoltaik-Anlagen fördern und nachhaltige Bewirtschaftungsweisen voranbringen, die auf wieder vernässten Moorböden funktionieren. Im Umweltbundesamt empfiehlt man dazu etwa den Anbau von Schilf für Dachreet und die Haltung von Wasserbüffeln, denen Nässe nichts ausmacht.

Ministerium: Wir sind an einer einvernehmlichen Lösung interessiert

Zwanzig Wasserbüffel haben die Costellos aber bereits, sie weiden im Naturschutzgebiet, um das sich die Iren ebenfalls kümmern. Mozzarella kann man aus deren Milch machen, aber Trinkmilch? Wohl eher nicht. Und so kämpfen die Brüder darum, bleiben zu dürfen. Sie haben Alternativvorschläge gemacht, wie man das Wasser auf andere Flächen umleiten könnte. Auch mit einer Anhebung des Wasserspiegels auf 40 Zentimeter unter der Bodenoberfläche könnten die Landwirte und ihre Tiere leben. Im Brandenburger Agrarministerium betont man, dass man sich noch ganz am Anfang des Prozesses befindet. Das Land sei an einvernehmlichen Lösungen interessiert, versichert ein Sprecher. Doch Stephen Costello ist skeptisch: „Ich fürchte, Brandenburg will keine Weidehaltung mehr“. sagt er.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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