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Monatelang zu Hause sein : Wozu sich in der Pandemie noch schminken?

Hinter der Maske und im Homeoffice braucht es keinen Lippenstift. Was das für Frauen bedeuten könnte und inwiefern die Kosmetikindustrie nun umdenkt.

Monatelang zu Hause sein : Wozu sich in der Pandemie noch schminken?

In der Corona-Ära verändert sich auch das Schminkverhalten von Frauen.Foto: Getty Images

Je schlechter es den Menschen geht, desto besser verkaufen sich Lippenstifte. Diese These stellte einst Leonard Lauder auf, Erbe des großen Kosmetikkonzerns Estée Lauder. Bewiesen sieht er seine Meinung mit den jährlichen Absatzzahlen, angefangen mit der Weltwirtschaftskrise von 1929.

Nach den Terroranschlägen vom 11.September 2001 wurden Lauders Analyse nach mehr Lippenstifte verkauft. Selbst in der Finanzkrise hätten Frauen nicht an Ausgaben für ihr Äußeres gespart. Schließlich würde ein hübsch geschminktes Gesicht doch bestimmt dabei helfen, den Job zu behalten oder einen neuen zu finden. Lauder meinte außerdem: In schlechten Zeiten ist weniger Geld für teure Handtaschen und Luxusaccessoires übrig. Ein Lippenstift sei wenigstens ein kleiner Trost. Doch jetzt, in der Corona-Pandemie, gelten Lauders Weisheiten nicht mehr.

Die vergangenen Monate haben die meisten Menschen vor allem zu Hause verbracht: Zum Arbeiten ging es an den Esstisch. Treffen mit Freunden, Kinoabende und Barbesuche waren gestrichen. Wozu sich da noch schminken? Die Mund-Nase-Bedeckungen, die an immer mehr Orten zur Pflicht wurde, macht Rouge und Lippenstift zusätzlich sinnlos. Beides ist darunter nicht zu sehen, führt bloß zu lästigen Verschmierungen.

Statt der Lippen werden nun die Augen betont

Als sämtliche Geschäfte im März 2020 erstmals geschlossen wurden, brach der Verkauf von Make-up um 70 Prozent ein. Zwar waren Läden zwischenzeitlich wieder begehbar, aber der Einkaufsbummel machte den meisten weniger Spaß, zumal aus hygienischen Gründen keine Tester zum Ausprobieren aufgestellt werden durften. „Wer Maske trug, verzichtete auf Lippenstift und Co“, sagt Martin Ruppmann, Geschäftsführer des Kosmetikverbandes VKE. „Das konnten steigende Umsätze mit Augen-Make-up bei weitem nicht kompensieren.“

Es ist nämlich so: Da zumindest die Augen auf der Straße und in der Bahn noch zu sehen sind, werden sie umso mehr betont. In manchen Ländern hat sich der Verkauf von Kajalstiften und Wimperntusche mehr als verdoppelt. „Wir könnten jetzt vom Mascara-Index sprechen“, scherzte Lauder neulich.

Die deutsche Kosmetikindustrie 2020 verdiente laut VKE 16 Prozent weniger und konkret 27 Prozent weniger für Make-up. Weniger Einbußen mussten die Unternehmen bei Produkten für die Gesichtspflege hinnehmen. Ruppmann begründet das mit dem Tragen von Mund- Nase-Bedeckungen und dem Wunsch, sich in dieser zermürbenden Zeit etwas zu gönnen“. Ampullen, Pflegemasken und Seren seien „die Produkte der Stunde“.

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Immer mal wieder wird diskutiert: Sollte sich eine emanzipierte Frau überhaupt noch schminken? Darf man sich die Wimpern tuschen und trotzdem Feministin sein? In Deutschland und Frankreich besserten schon vor Beginn der Pandemie bloß 21 Prozent der Frauen im Alter von weniger als 65 Jahren jeden Tag ihr Gesicht auf. Als das Institut Ifop diesen Wert vor drei Jahren zuletzt erhob, lag er in Frankreich noch bei 42 Prozent. Es sind vor allem junge Frauen, die in Großstädten leben und auf Make-up verzichten. Zählen Äußerlichkeiten in der Corona-Ära bald gar nicht mehr?

Frauen stehen unter einem Inszenierungsdruck

Die Soziologin Nina Degele hat ein Buch über das Schönmachen geschrieben. „Frauen stehen unter einem enormen Zwang, sich zu inszenieren“, erzählt sie am Telefon. „Wenn jetzt weniger Schminke gekauft wird, könnte das eine große Chance für sie sein, sich davon zu befreien. Frauen könnten sich normaler zeigen.“ Aus ihrer Sicht würden Videokonferenzen, in denen kleine Kinder im Hintergrund umher laufen, auch dazu beitragen, ein gewöhnlicheres Bild voneinander zu bekommen.

Paula-Irene Villa Braslavsky ist ebenfalls Professorin für Soziologie und Gender Studies – und skeptisch. „Ich sehe gar nicht, dass es so wäre oder warum das so sein müsste, dass sich Frauen nun weniger schminken“, meint sie. „Videokonferenzen und Social Media-Arbeit ist sehr auf das Visuelle fokussiert, da werden sich sicher viele weiterhin oder manche gar noch mehr schminken als zuvor – schließlich ist das Gesicht ja noch viel prominenter als in analogen Kontexten.“

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Nach Hochrechnungen des Industrieverbands Körperpflege- und Waschmittel (IKW) wurden vergangenes Jahr Schönheitsprodukte im Wert von 14 Milliarden Euro gekauft – kaum weniger als 2019. Wie kann das sein? Zwar zahlten die Menschen hierzulande auch nach dieser Analyse geringere Summen für Make-up, doch andererseits waren Seifen sehr viel gefragter als gewöhnlich. Außerdem wurde mehr für Desinfektionsmittel und Handcremes ausgegeben. Die Studie kommt zu dem Ergebnis: Zwar hätten die Menschen weniger Zeit mit Schminken und Stylen verbracht. Dafür nutzten sie die Minuten im Bad lieber für das Pflegen der Haut und eine längere Dusche am Morgen. Jährlich würde der Durchschnittsdeutsche 169 Euro für sein Aussehen und persönliche Hygiene ausgeben.

Unternehmen denken derzeit um: Manch einer muss etliche Stunden am Tag eine Gesichtsmaske tragen. Deswegen ist der Trendbegriff „Maskne“ entstanden, der sich aus den Wörtern „Maske“ und „Akne“ zusammensetzt. Beiersdorf – mit den Marken Nivea und Eucerin – stellt online Gels und Cremes vor, die dagegen helfen können. Bei L’Oreal haben Hautpflegemarken zuletzt die Umsätze gerettet, heißt es. Der italienische Kosmetikhersteller Kiko hat sich hingegen etwas anderes überlegt. Dort wurde bereits ein Lippenstift entwickelt, der nicht auf Stoffe vor dem Mund abfärbt.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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