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Lebenstraum oder Umweltsünde : Kann sich Deutschland das Eigenheim noch leisten?

Der Wunsch nach einem Eigenheim ist groß. Das verbraucht jedoch viel Fläche und viel Energie. Wie schädlich sind die eigenen vier Wände für Umwelt und Klima?

Lebenstraum oder Umweltsünde : Kann sich Deutschland das Eigenheim noch leisten?

Neue Einfamilienhäuser entstehen in Deutschland vor allem auf dem Land.Foto: picture alliance/dpa

Es ist der Traum vieler Deutscher: das Eigenheim. 60 Prozent würden am liebsten darin leben, meldete das Statistische Bundesamt 2018. Vor zehn Jahren träumten laut einer Umfrage des Baufinanzierers Interhyp sogar 96 Prozent aller Mieter von Eigentum, sie würden am liebsten ein Landhaus oder eine Villa im Grünen beziehen. 15,9 Millionen Einfamilienhäuser stehen offiziellen Angaben zufolge im Land, seit 2001 steigt die Zahl. Am Wochenende aber hatte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter erklärt: „Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie sorgen für Zersiedlung und damit auch für noch mehr Verkehr“.

Wie schneiden Einfamilienhäuser in der Klimabilanz ab?

Am meisten Energie verbraucht die Raumwärme. Im Jahr 2017 fielen laut Umweltbundesamt Kohlendioxid-Emissionen von über 120 Millionen Tonnen an, knapp zwei Drittel davon zur Erzeugung von Raumwärme. Frei stehende Häuser haben im Vergleich zu Reihenhäusern oder Wohnungen in Mehrfamilienhäusern ein ungünstigeres Verhältnis von Oberfläche zu Volumen: die Wärmeverluste können hier besonders groß sein. Außerdem gilt die Faustregel: Je kleiner der Haushalt und je größer die Wohnfläche pro Person, desto größer sind Heiz- und der Strombedarf. Jeder bewohnte Quadratmeter zählt, da Emissionen nicht nur für die Beheizung entstehen, sondern auch für Beleuchtung, Reinigung und Reparaturen. In großzügig geschnittenen Wohnungen erhöht das den Energie- und Ressourcenverbrauch.

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Im Vergleich zum Jahr 2005 gingen die direkten Kohlendioxid-Emissionen im gesamten Bereich Wohnen bis 2017 um fast ein Zehntel zurück. Sie entstehen vor allem bei der Verbrennung von Energieträgern wie Öl, Gas und Kohle für Raumwärme und Warmwasser. Effizientere Heizungen sparen Energie, zudem werden zunehmend erneuerbare Energien genutzt. Doch es gibt auch die gegenläufigen Trends zu mehr Ausstattung und mehr Wohnfläche pro Person, aufgrund des Anstiegs von Single-Haushalten sowie der Wohnfläche mit zunehmendem Alter. Effizienzgewinne moderner Gebäude und Geräte werden dadurch ausgeglichen. Die durchschnittlichen Kohlendioxid-Emissionen des Wohnens pro Kopf und pro Jahr sinken kaum.

Wie entwickelt sich der Flächenverbrauch in Deutschland?

Immer mehr Flächen werden bebaut. Laut Statistischem Bundesamt wuchsen die Siedlungs- und Verkehrsflächen von 1992 bis 2019 von 40305 Quadratkilometer auf 51489 Quadratkilometer. Allerdings nahm der durchschnittliche Flächenverbrauch in den vergangenen 20 Jahren deutlich ab. Im Vier-Jahres-Schnitt von 1997 bis 2000 wurden täglich knapp 130 Hektar für Siedlungen und Verkehr verbraucht, im Zeitraum von 2015 bis 2018 waren es nur noch 56 Hektar.

Laut Statistischem Bundesamt befinden sich 31 Prozent aller Wohnunterkünfte in Einfamilienhäusern – diese nehmen aber 41 Prozent der bebauten Fläche ein. Umgekehrt verhält es sich mit Mehrfamilienhäusern: 42 Prozent der Wohnunterkünfte entfallen auf 33 Prozent der Fläche. Beim Flächenverbrauch gibt es zudem ein Stadt-Land-Gefälle: In Gemeinden unter 2000 Einwohnern werden im Schnitt 1545 Quadratmeter pro Einwohner „verbraucht“, in Großstädten mit mehr als einer halben Million Einwohnern sind es nur 219 Quadratmeter.

Die Regierung will den Flächenfraß stoppen. Brauchen Eigenheime zu viel Platz?

„So lange wir in den Außenbereichen von Städten wie Hamburg oder Berlin neue Siedlungsflächen erschließen, bleiben wir dem Wachstumsmodell verhaftet“, sagt Wolfgang Koeck vom Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU). Der Rat berät die Bundesregierung seit mehr als 45 Jahren. Gemeinsam war vereinbart, bis 2020 den Verbrauch von Land auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen. Das Ziel wurde verfehlt, jetzt soll es in zehn Jahren so weit sein. „Das Einfamilienhaus hat seinen legitimen Platz im ländlichen Raum“, sagt Koeck. Aber eben nicht in den „Ordnungsräumen“ der Städte. „Aber das lässt sich nicht durch Verbote regeln.“ Denn die Entscheidung, was gebaut werden darf, liege bei den planenden Gemeinden.

Wegen des Abstandsgebots zu Siedlungen wird mit jedem neuen Eigenheimgebiet der Neubau von Windparks weiter begrenzt. Konkurrierende Nutzungen zu Eigenheimen seien in Agglomerationen Grünflächen und Luftschneisen. Ziel der Planungen müsse daher die „Neuorganisation bestehenden Wohnraums“ sein, sagt Koeck. Es gebe Menschen, die in viel zu großen Wohnungen leben – und andere die händeringend nach mehr Raum suchten. Hier seien Marktimpulse nötig, damit „der passende Wohnraum zu den Menschen kommt“, erklärt Koeck.

Lebenstraum oder Umweltsünde : Kann sich Deutschland das Eigenheim noch leisten?

Ein Haus zu bauen zählt zu den Lebensträumen vieler Deutscher.Foto: Foto: Frank Rumpenhorst/dpa-tmn

Welche Lösung gibt es?

Der Sachverständigenrat hat dem Bund einen Vorschlag gemacht, um das „Gesamtinteresse des Landes an einem sparsamen Umgang mit der Ressource Land“ zu wahren: Die Einführung von „handelbaren Flächenzertifikaten“ für alle Gemeinde. Ähnlich wie bei den Emissionen von Kraftwerken bekäme jede Gemeinde ein festes Budget an verbrauchbarer neuer Fläche binnen zehn Jahren. Wer damit nicht auskommt, kann anderen Zertifikate abkaufen: Berlin beispielsweise der Uckermark. Der Neubau von Eigenheimen wäre damit nicht verboten, wohl aber als luxuriöser Einsatz der Ressource Land sichtbar – weil auf derselben Fläche statt eines Haushaltes gleich sechs oder zehn unterkommen können: in einem Mehrfamilienhaus.

Was sagt die Wohnungswirtschaft dazu?

„Auf den Mietwohnungsbau zu setzen, ist ein wirksames Mittel, um flächen- und klimaschonend Wohnraum zu schaffen“, sagt der Präsident des Gesamtverbandes „Die Wohnungswirtschaft“, Axel Gedaschko. Ob Eigenheim oder Mehrfamilienhaus, darüber müsse die Kommunalpolitik entscheiden ausgehend von der Lage am jeweiligen Wohnungsmarkt: „In Städten wird es häufiger das Mehrfamilienhaus, in ländlicheren Regionen sicherlich oft das Einfamilienhaus sein.“

Wie viele Eigenheime entstehen in Berlin überhaupt noch?

Gemessen an der Zahl der neu gebauten Wohnungen fristen sie in Berlin ein Nischendasein und entstehen überwiegend in den Randbezirken. Die Bauämter genehmigten zwischen Januar und September vergangenen Jahres 15414 Wohnungen – nur 908 davon entstanden in Ein- und Zweifamilienhäusern. Sogar der Ausbau von Dachgeschossen ist laut landeseigener Förderbank IBB bereits seit 2015 „relevanter für den Wohnungsmarkt als der Neubau von Eigenheimen“. Von den fertig gestellten Wohnungen seien zuletzt (2018) nur 8,8 Prozent Ein- oder Zweifamilienhäuser gewesen. Dabei gilt der Grundsatz, je weiter entfernt von der City, desto höhere Anteile an Eigenheimen: In Reinickendorf, Neukölln und Marzahn-Hellersdorf liegt der Anteil sogar über 20 Prozent. Marzahn-Hellersdorf ist laut IBB-Bericht „eines der größten zusammenhängenden Ein- und Zweifamilienhausgebiete Deutschlands“.

Wie steht Berlins Politik zu einem Einfamilienhaus-Verbot?

Es sei „Unsinn, den Eigenheim-Bau auszuschließen“, findet Bausenator Sebastian Scheel (Linke). Platz gebe es jedoch nur in Gebieten mit geringer Dichte und geringer öffentlicher Verkehrsanbindung, also nicht im urbanen Berliner Raum. „Berlin hat viele Eigenheime und Townhouses und dort, wo Eigenheime sind, da dürfen nach Paragraf 34 auch ortstypisch neue entstehen“, so Scheel. Aufgrund der „Mangellage“ werde man als urbaner Raum „eher in die Höhe gehen“, sagt er. „Die Wohnungsnot in Berlin lösen wir nicht durch Einfamilienhäuser und sie sind auch nicht die Antwort auf die nötige Anpassung an den Klimawandel“, erklärt die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch, die ebenfalls kein Verbot von Eigenheimen will. Die Stadt sei aber an einigen Orten zu 97 Prozent versiegelt – „damit die Berliner gesund leben können, braucht es mehr Grün“. Und wo neue Gebiete erschlossen werden, „muss unsere Priorität auf der Deckung des Wohnungsbedarfs liegen“. Dafür seien Mehrfamilienhäuser besser geeignet. Um Klimaschutz und Wohnungsnot in Einklang zu bringen, will Jarasch die Planung der Metropolregion mit Brandenburg auf die „Agenda der künftigen Regierung“ setzen. Unkoordinierte Zersiedelung und Versiegelung im Umland müssten vermieden werden und Neubaugebiete an den ÖPNV-Trassen entstehen, die kennzeichnend für den „Siedlungsstern“ Berlin seien. (mit AFP)

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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