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Kunden fehlen in der Pandemie : Russlands bekanntestes Delikatessengeschäft muss schließen

Der Laden stand einst für Glanz und Kaviar, jetzt muss das „Jellisejews“ schließen. Der Grund: Die Touristen in Moskau bleiben aus.

Kunden fehlen in der Pandemie : Russlands bekanntestes Delikatessengeschäft muss schließen

Gute Zeiten: Der Supermarkt war in den vergangenen Jahren bei Moskauern und Besuchern beliebt.Foto: picture alliance / dpa

Die Adresse ist erstklassig, Twerskoi Boulevard 14, ein paar Gehminuten vom Kreml entfernt. Den mit reichlich vorrevolutionärem Stuck verzierten Prachtbau kennt jeder Hauptstädter – und wohl auch viele, die Moskau besucht haben. Das edle Äußere findet im Innern des Gebäudes seine Fortsetzung. Blattgold an zahllosen Säulen, gewaltige Kristalllüster und große silbergerahmte Säulen. In all ihrer Pracht scheinen die Säle völlig aus der Zeit gefallen.

Es ist kein Museum, sondern ein Lebensmittelladen. Nein, diese Bezeichnung ist zu despektierlich. Es ist der Delikatessenladen Russlands. Das Geschäft, das die Kaufmannsbrüder Jelissejew vor 120 Jahren in der Metropole gründeten, ist ein Stück Kulturgeschichte der Stadt, wenn nicht Russlands überhaupt.

In der Geschichte scheint dieser einzigartige Ort nun auch zu verschwinden. Russische Medien meldeten, am 11. April müsse „Jellisejews“ schließen.

Schuld sind mutmaßlich unklare Eigentumsverhältnisse und vor allem die Corona-Pandemie. Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin hat die russische Hauptstadt schon ein Jahr lang praktisch für den ausländischen Massentourismus gesperrt und damit das berühmte und teure Delikatessengeschäft seiner wichtigsten Kunden beraubt. Jetzt sehen die Betreiber offenbar keine andere Möglichkeit mehr, als die Tradition zu Grabe zu tragen.

Kunden fehlen in der Pandemie : Russlands bekanntestes Delikatessengeschäft muss schließen

Schlechte Zeiten: Kurz vor der Geschäftsaufgabe sind die Regale leergeräumt.Foto: Dimitar DILKOFF / AFP

Um die Jahrhundertwende hat Wladimir Giljarowski, der letzte Moskauer Flaneur, in einem seiner Feuilletons die Eröffnung des Geschäfts für die Nachwelt bewahrt. „Kolonialwarenhaus Jelissejews und Weinkeller mit russischen und ausländischen Spezialitäten“, hieß der Laden offiziell.

„Auf dem Bürgersteig drängten sich die Menschen, die begierig auf die kunstvoll aufgebauten Waren starrten, die man in Moskau bis dahin nicht kannte“, schrieb Giljarowski. Bergeweise überseeische Früchte, eine wie Kanonenkugeln aufgeschichtete Pyramide von Kokosnüssen, Bananenstauden, permuttfarbene Meeresfrüchte „und über alldem strahlten elektrische Sterne auf ganze Batterien von Weinflaschen herab, sie leuchteten und verschwammen in den Spiegeln, die sich in schwindelnder Höhe verloren“.

Sinnbild adeliger und bourgeoiser Dekadenz

Die gesamte Moskauer Schickeria war zu der Eröffnung erschienen. Vater Parfeini, der Erzbischof der Hauptstadt, segnete die Auslagen und die Familie Jelissejew. Die hatten für ihren Prachtbau, der in die Geschichte eingehen sollte, zuvor ihrerseits Geschichte ausgelöscht: die Salons der Gräfin Wolkonskaja, in denen sich Jahrzehnte zuvor der liberale Adel und die russische Intelligenzia getroffen hatten, darunter auch der Dichter Alexander Puschkin. Der Salon der Wolkonskaja war ein Zentrum des kulturellen Lebens, vergleichbar dem Salon der Rahel Varnhagen in Berlin.

Bis zur Revolution 1917 drängen sich die Käufer in dem Geschäft, berichtet Giljarowski Jahre später. Obwohl Sinnbild adeliger und bourgeoiser Dekadenz, blieb der Laden auch nach der Revolution offen. Er hieß dann prosaisch „Gastronom No.1“, viele Moskauer nannten ihn despektierlich „Zarenladen“.

Wenn es denn in den folgenden sieben Jahrzehnten permanenter Mangelwirtschaft etwas Besonderes zu kaufen gab – sei es Kaviar, Lachs, geräucherter Stör, Krimsekt oder hochwertiger Cognac aus den Kaukasusrepubliken, dann hier im „Zarenladen“. Am Ende der 80er Jahre, in Zeiten des „totalen Defizits“, des Mangels am Ende der Perestroika, mussten dann hölzerne Souvenirs wie Matrjoschka-Puppen in den Auslagen die fehlenden Delikatessen ersetzen.

Für Touristen, die der Landessprache nicht einigermaßen mächtig waren, erwies sich der Einkauf in sowjetischen Zeiten auch aus einem anderen Grund als schwierig. Schuld war das merkwürdige Zahlungssystem. Zunächst hatte man die Auslage zu studieren und die genaue Auswahl zu treffen.

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Danach ging es an die Kasse, wo nach dem unvermeidlichen Anstehen an der Schlange das Produkt in der gewünschten Menge oder wahlweise dem Preis anzusagen waren. Hatte man mehrere Wünsche auf der Einkaufsliste griff die Verkäuferin nach einem Abakus, auf dem schon Adam Riese seine Kugeln hin und her geschoben haben musste, um eine Summe zu errechnen. Dem vertrautet die Verkäuferin offensichtlich mehr, als der durchaus vorhandenen Registrierkasse. In die wurde dann nur noch die Einkaufsliste eingetippt, damit der Kunde einen sogenannten Check erhielt, mit dem er sich nun in die Schlange vor der Auslage einzureihen hatte.

Belegschaft wegen schwarzer Geschäfte verurteilt

Doch nicht nur zur Moskauer Kulturgeschichte, auch zur Kriminalgeschichte der Stadt gehört das Geschäft. Wegen schwarzer Geschäfte wurde 1983 die ganze Belegschaft verurteilt, der Direktor sogar zum Tode. Auch nach der Privatisierung in den 90er Jahren gab es so manches Gemunkel über dunkle Machenschaften.

Optimisten hoffen, dass noch ein Wunder geschieht und sich ein neuer Betreiber findet. Die Jelissejews betrieben noch ein weiteres, ebenso prächtiges Geschäft. Es steht in St. Petersburg an der Newski- Prachtstraße und gehört seit gut einem Jahrzehnt einer der dubiosesten Figuren aus dem Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Anders als das Moskauer Etablissements dürfte die Petersburger Dependance eine sichere Zukunft zu haben. Dafür wird der Oligarch Jewgeni Prigoschin, Spitzname „Putins Koch“, mit seinem Milliardenvermögen wohl sorgen.

Prigoschin, der seine ersten Millionen als Betreiber von Großküchen verdiente, hat viele Jahre die Staatsempfänge des Kreml ausgerichtet. Seine Kellner sollen dabei so manche bei Tisch aufgeschnappte Informationen an den Geheimdienst weiter getragen haben.

Doch das große Geld macht Prigoschin dem Vernehmen nach mit Waffengeschäften und den Verleih von Söldnern der Privatarmee „Wagner“ an Despoten weltweit. Doch all das bestreitet er natürlich vehement.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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