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Kritik an fehlenden Erkenntnissen in Afghanistan : Warum der Bundesnachrichtendienst das Grundgesetz braucht

Ein Ex-Geheimdienstchef beschuldigt die Justiz für Mängel bei der Auslandsaufklärung und markiert damit das wahre Problem – die Sicht des BND. Ein Kommentar.

Kritik an fehlenden Erkenntnissen in Afghanistan : Warum der Bundesnachrichtendienst das Grundgesetz braucht

Mauer des Schweigens. Der BND gibt nur selten öffentlich Auskunft über sich.Foto: imago images/Future Image

Die Suche nach der oder dem Schuldigen im Angesicht des Unheils ist ein Ritual, das jenseits justizförmiger Verfahren vor allem in den Medien vollzogen wird. Für das Desaster des Afghanistanrückzugs kann das ZDF als Beispiel gelten, wie es Außenminister Heiko Maas (SPD) in die Zange nahm. Er sollte nicht nur eine Fehleinschätzung gestehen, er sollte Scham bekunden. „Schämen Sie sich?“, bohrte die Moderatorin. Maas gestand manches, nur Scham nicht. Vielleicht empfand er keine. Doch warum soll man das überhaupt wissen müssen? Und welchen moralischen Sendeplatz muss jemand eingenommen haben, um derartiges Verhalten abzufordern?

Ein weiteres Becken in der Schuldkaskade

Es fällt auf, wie schnell die Zuweisung von Schuld ihrerseits das Maß verlieren, sogar beschämen kann. In diese Kategorie gehört möglicherweise auch eine Wortmeldung des früheren Chefs des Bundesnachrichtendiensts (BND), Gerhard Schindler. Der sprudelnden Schuldkaskade fügte er ein Auffangbecken hinzu: Nach der laxen Kampfmoral der örtlichen Regierungstruppen, den beteiligten Bundesministerien, der für alles Verantwortung tragenden Kanzlerin und dem BND soll es Schindler zufolge das Bundesverfassungsgericht sein, das das Gesamtversagen zu verantworten habe. Den Spionen sei ein juristischen Stein nach dem anderen in den Weg gelegt worden. Man dürfe nicht einmal mehr Terrororganisationen mit eigenen Leuten infiltrieren, weil die dadurch eine Straftat begingen. Seit einem Urteil aus dem vergangenen Jahr seien die Taliban „sogar durch unser Grundgesetz geschützt“.

Der Nachrichtendient lebte sich in eine Parallelwelt hinein

Der Ex-Geheimdienstler benennt damit eine Entscheidung, von der es rückblickend erstaunen muss, dass sie erst so spät gefallen ist: Im Mai 2020 stellte das Gericht erstmals klar, dass die deutsche Staatsgewalt die Grundrechte des Grundgesetzes auch im Ausland zu achten habe. Und damit auch der BND bei seiner Auslandsspionage. Für manche BNDler muss das eine Art Kränkung gewesen sein. Spione im Auslandseinsatz fühlen sich traditionell von vielem entbunden, insbesondere den Fesseln der Verfassung. Man pflegte eine eigene Lehre, die nicht zuletzt von Gesetzeskommentatoren aus dem Kanzleramt zusammengeschrieben wurde. So lebte sich der Geheimdienst in eine juristische Parallelwelt hinein, die mit dem Urteil zerbarst.

Es geht darum, Menschen und Kulturen zu verstehen

Schindlers Kritik ist Ausdruck dieser Desorientierung. Durchaus nicht nur in rechtlicher, auch in sachlicher Hinsicht. Denn um Informationen zu erlangen, was in Afghanistan geschieht, dürfte die Infiltration der Talibantruppen zweitrangig gewesen sein. Das Wesentliche war lange bekannt: dass die Annahme, es könne eine Form „stabiler Verhältnisse“ ohne Taliban geben, ein Selbstbetrug war. Wenn der BND noch immer denkt, wie Schindler denkt, bleibt er alten Mustern verhaftet. Statt Terroristen zu infiltrieren, sollte er Menschen und Kulturen besser verstehen lernen. Respekt vor ihren Rechten wäre ein Anfang dafür.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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