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Kampf gegen Corona : Delta-Variante befeuert Impfpflicht-Debatte

Frankreich und Griechenland führen eine Impfpflicht für bestimmte Gruppen ein. Doch deutsche Politiker und Experten lehnen sie mehrheitlich ab.

Kampf gegen Corona : Delta-Variante befeuert Impfpflicht-Debatte

Leere Ampullen mit dem britischen Impfstoff Astrazeneca liegen in einer Schale. (Symbolbild)Foto: imago images/Joerg Boethling

81,9 Millionen Impfdosen wurden in Deutschland verabreicht. Bei etwa 83 Millionen Einwohner:innen ist das eine beachtliche Zahl von verabreichten Injektionen. Doch längst nicht alle haben hierzulande bereits eine Impfung gegen das Coronavirus bekommen. Im Zusammenhang mit der immer stärkeren Ausbreitung der Deltavirus-Variante, die schwerere Krankheitsverläufe verursacht und sich dazu noch schneller verbreiten als der Urtyp des Virus, wird auch die Debatte um eine Impfpflicht wieder lauter.

So sieht der aktuelle Blick auf die Corona-Zahlen in Deutschland dazu aus:

  • In Deutschland steigt die Sieben-Tage-Inzidenz wieder etwas. Lag sie vor acht Tagen noch bei 5, stand sie gestern bei 7.
  • Die Zahl der Neuinfektionen stieg im Vergleich zur Vorwoche um 29,4 Prozent. Das geht aus Tagesspiegel-Zahlen hervor.
  • Zumindest einmal geimpft sind hierzulande rund 59 Prozent der Bevölkerung, rund 43 Prozent haben auch schon die Zweitimpfung hinter sich. Das geht aus den Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums hervor.

In Großbritannien sieht die Situation indes etwas anders aus. Dort schoss die Sieben-Tage-Inzidenz binnen weniger Wochen auf aktuell 341 hoch. Dennoch plant die Regierung zum 19. Juli sogar die letzten Beschränkungen fallen zu lassen. Denn Großbritannien ist bei den Impfungen noch weiter fortgeschritten. Aktuell sind im Vereinigten Königreich rund 87 Prozent der erwachsenen Bevölkerung erstgeimpft, rund 66 Prozent haben ihre zweite Impfung erhalten. Damit ist ein großer Teil auch gut gegen die grassierende Delta-Variante geschützt.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Debatte über eine Impfpflicht zu sehen. In Frankreich müssen sich Pflegekräfte bis 15. September impfen lassen, sonst werden sie nicht weiter bezahlt. Und auch Griechenland führt eine Impfpflicht ein.

In Deutschland hatte sich zuletzt Ethikratsmitglied Wolfram Henn für eine Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen ausgesprochen. „Wir brauchen eine Impfpflicht für das Personal in Kitas und Schulen“, sagte der Mediziner der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. Lehrkräfte und Kita-Erzieherinnen sollten so vor allem Kinder unter zwölf Jahren schützen, die keine Impfung bekommen können.

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„Wer sich aus freier Berufswahl in eine Gruppe vulnerabler Personen hineinbegibt, trägt eben besondere berufsbezogene Verantwortung“, argumentierte er. Zwar hätten Kinder selbst ein geringes Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken, „man muss aber weiter damit rechnen, dass sie das Virus in ihre Familien tragen und Menschen aus Risikogruppen infizieren“, sagte Henn, Professor für Humangenetik an der Universität des Saarlandes.

Der Mediziner verwies auf Krebspatienten in Familien, die aufgrund akuter Therapien noch gar nicht geimpft werden konnten. Diese Gruppe gelte es jetzt durch eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen zu schützen.

Der Vorschlag stößt jedoch auf Kritik. Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx erklärte im ZDF-„Morgenmagazin“ am Dienstag, der Kollege spreche für sich. „Ich glaube nicht, dass das kommt, weil wir das wirklich nicht brauchen werden.“ Allerdings mache auch ihr die Situation der jungen Generation Sorgen. Sie verwies darauf, dass es für die 12- bis 17-Jährigen derzeit keine allgemeine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission gibt und für Kinder unter zwölf noch keinen in der EU zugelassenen Impfstoff.

„Man kann ja nicht sagen, wir lassen das Virus jetzt durch diese Gruppen krachen oder wir schauen zu, wie die Schulen wieder zumachen müssen, weil da einfach völlig ungeregelte Infektionen stattfinden“, sagte Buyx. „Da muss jetzt unbedingt was passieren, um diese Gruppen auch gut zu schützen.“

Buyx hält eine Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen in Deutschland für unnötig. Sie wies darauf hin, dass der Ethikrat zwar ganz vorsichtig erklärt habe, unter bestimmten Umständen könnte man über solche berufsbezogenen, sehr eng begrenzten Impfpflichten nachdenken. „Allerdings würde ich sagen, dass diese Umstände gar nicht zutreffen“, betonte sie.

Hinzu komme, dass man in Deutschland viel bessere Impfraten bei den unterschiedlichen Berufsgruppen als beispielsweise in Frankreich habe. „Beim Gesundheitspersonal und bei den Lehrerinnen und Lehrern haben wir wirklich super Impfraten. Deswegen glaube ich, brauchen wir das gar nicht“, so Buyx.

Lehrerpräsident Meidinger argumentierte in der „Augsburger Allgemeinen“: „Nach unserem Kenntnisstand ist die Impfbereitschaft bei Lehrkräften sehr hoch, so liegt die Quote der bereits erstgeimpften Lehrkräfte in einigen Bundesländern bei nahe 90 Prozent.“ Die Hauptinfektionsgefahr für die Kinder und Jugendlichen drohe also nicht von Erwachsenen und schon gar nicht von Lehrkräften, sondern von Gleichaltrigen.

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Auch in Berlin reagierten Bildungsverwaltung, Lehrergewerkschaft und Vertreter:innen von Schulleiterverbänden zurückhaltend auf den Ethikrat-Vorschlag, Lehrer:innen und Erzieher:innen künftig zu einer Impfung gegen das Coronavirus zu verpflichten.

Ralph Kotsch, Sprecher von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), erklärte am Montag: „Es wurde allen an Schule tätigen Personen, die einen regelmäßigen Kontakt zu Schülerinnen und Schülern haben, ein Impfangebot gemacht. Die Entscheidung über die Annahme des Impfangebotes ist eine persönliche.“

Auch SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach lehnt eine vom Ethikrat Wolfram Henn ins Spiel gebrachte Impfpflicht für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte ab. „Eine Impfung gegen Covid-19 muss die freiwillige Entscheidung jedes Einzelnen sein. Hier muss und wird die Politik zu ihrem Wort stehen. Das gilt auch für Lehrer und Erzieher“, sagt Lauterbach der Zeitung „Rheinische Post“.

Eine Impfpflicht lehnt auch Markus Söder, bayrischer Ministerpräsident, ab. Im Deutschlandfunk sagte er am Dienstagmorgen, dass es das für Lehrkräfte nicht brauche, da Schüler nicht so gefährdet seien. Pflegeheime und Gesundheitspersonal seien aus seiner Sicht gut geimpft. Für einen „starken Grundrechtseingriff“ durch eine Impfpflicht sehe Söder zudem keine Mehrheit.

Auch von Geldprämien als Impfanreiz hält Söder wenig. Aus seiner Sicht sei der größte Gewinn nicht 100 Euro, sondern die Wiedererlangung von mehr Freiheitsrechten. Gezielte Aktionen, verbunden mit Aufklärung, seien wichtig. Impfangebote für Schulabschlussklassen, an Hochschulen, für Saisonarbeiter oder in Supermärkten und der Gastronomie zähle er dazu. Auch Kulturvereine und Moscheen sollen eingebunden werden. Der CSU-Vorsitzende erklärte weiter, dass er an der Notbremse festhalten möchte, jedoch nur bei höheren Zahlen.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, spricht sich zudem gegen die Einschränkung von Freiheitsrechten für Ungeimpfte aus und forderte eine politische Intensivierung der Impfkampagne. „Freiheitsrechte für Ungeimpfte einzuschränken, käme einer indirekten Impfpflicht gleich. Das halte ich für falsch.“

Nicht jeder Impfwillige habe bisher ein Impfangebot wahrnehmen können. „Das liegt auch an der Urlaubszeit. Und dann gibt es Menschen, für die es kein Impfangebot gibt: Kinder unter zwölf Jahren, Schwangere, Menschen mit bestimmten Erkrankungen. Diese Menschen darf man nicht vom gesellschaftlichen Leben ausschließen“, sagt Reinhardt der Zeitung „Rheinische Post“. Umso wichtiger sei es, durch konsequente Aufklärung die noch Unentschiedenen zu erreichen. Reinhardt vermisse den TV-Spot zum Impfen vor der Tagesschau. (mit dpa, Reuters)

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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