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Italiens neuer Premier : Fast ein Messias

Die Italiener setzen große Hoffnungen in Mario Draghi. Wenn einer sie erfüllen kann, dann der Ex-EZB-Präsident.

Italiens neuer Premier : Fast ein Messias

Große Zustimmung. 86 Prozent der Italiener halten Mario Draghi für kompetent.Foto: REUTERS

Man hat es in den letzten Tagen bei jedem persönlichen Gespräch feststellen können: Sobald die Sprache auf Mario Draghi kommt, huscht ein Lächeln der Zuversicht über die Gesichter der Italiener. Das Land war schon vor der Nominierung Draghis zum neuen Ministerpräsidenten stolz auf den „Retter des Euro“ gewesen – aber die ruhige und gleichzeitig bestimmte Art des ehemaligen EZB-Chefs bei den Parteiengesprächen im Hinblick auf die Bildung seiner Regierung hat sein Ansehen noch einmal beträchtlich gesteigert.

Die Beliebtheit des 73-jährigen Römers ist gestern in einer neuen Umfrage bestätigt worden: 85 Prozent der Befragten zeigten sich zufrieden mit der Nominierung Draghis zum neuen Ministerpräsidenten; 86 Prozent halten ihn für kompetent, 72 Prozent haben „großes oder sehr großes“ Vertrauen in ihn. Alles Allzeit-Rekorde.

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Seit Freitagabend steht auch fest, mit wem Draghi das Land regieren wird. Nach einem Treffen mit Staatspräsident Sergio Mattarella stellte der designierte Ministerpräsident sein neues Kabinett vor. Die neue Regierung Italiens umfasst insgesamt 23 Ministerinnen und Minister, acht parteilose Technokraten sowie fünfzehn Exponenten der in der großen Koalition von Mario Draghi vertretenen Parteien. Die hohe Anzahl von Parteienvertretern belegt, dass dem neuen Premier daran gelegen war, die ihn unterstützenden politischen Kräfte in seine Regierung einzubinden und damit in die Verantwortung zu nehmen. Unter den neuen Kabinettsmitgliedern befinden sich nur acht Frauen.

Überraschend bleibt Di Maio Außenminister

Eher überraschend bleibt der bisherige Außenminister Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung auf seinem Posten – offenbar wollte Draghi nicht weiteres Salz in die Wunden der Protestbewegung streuen, die bereits den Verlust „ihres“ Premiers Giuseppe Conte verkraften mussten und sich generell schwer taten, der neuen Regierungskoalition beizutreten. Sein Ressort verdienterweise behalten kann auch Gesundheitsminister Roberto Speranza von der kleinen Linkspartei Liberi e Uguali.

Auch das Innenministerium bleibt unter alter Führung: Die parteilose frühere Polizeipräfektin Luciana Lamorgese behält das Schlüsselministerium. Die frühere Präsidentin des italienischen Verfassungsgerichts, Marta Cartabia, wird Justizministerin: Die Top-Juristin war zunächst ebenfalls als mögliche neue Regierungschefin gehandelt worden. Neuer Minister für Wirtschaft und Finanzen wird Daniele Franco: Der Generaldirektor der italienischen Zentralbank Banca d’Italia gilt als enger Vertrauter Draghis.

Auf der Ministerliste fehlt der Name von Matteo Salvini: Der Lega-Chef und Ex-Innenminister hatte in den letzten Tagen eine spektakuläre politische Wende vom Euro-Gegner zum überzeugten Europäer vollzogen. Ein Posten im Kabinett wäre aber für den sozialdemokratischen PD wohl des Guten zu viel gewesen. Die Lega ist in der neuen Regierung unter anderem mit Salvinis Vize Giancarlo Giorgetti vertreten. Der Ökonom ist ein Vertreter des moderaten Parteiflügels und wird das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung leiten.

Italiens neuer Premier : Fast ein Messias

Italiens designierter Regierungschef Mario Draghi nach seinem Treffen mit Präsident Mattarella.Foto: dpa

Die Italiener setzen schon fast messianische Hoffnungen in ihren neuen Premier. Die politischen Voraussetzungen für ein erfolgreiches Regieren scheinen derweil recht gut zu sein: Die Koalition ist politisch so breit abgestützt, dass die einzelnen Parteien numerisch zu schwach sind, um Draghi sabotieren zu können. Der neue Premier wird deshalb kaum Kompromisse eingehen: „Wem meine Linie nicht gefällt, dem ist es freigestellt, seine eigenen Wege zu gehen.“

Das neue Kabinett, das am Samstag im Quirinalspalast, dem Amtssitz des Staatspräsidenten, von Sergio Mattarella vereidigt wird, hat den Vorteil, finanziell aus den Vollen schöpfen zu können: Zum Aufbau des Landes stehen ihm die 209 Milliarden Euro aus dem europäischen Corona-Hilfsfonds Next Generation EU zur Verfügung.

Draghi steht unter Zeitdruck

Meinungsverschiedenheiten zur Verwendung der Corona-Hilfsgelder hatten zum Sturz der Regierung von Giuseppe Conte geführt – unter Draghi werden sie voraussichtlich der Kitt sein, der die heterogene Koalition zusammenhält. Die Neuformulierung des nationalen Plans zur Verwendung der Zuschüsse und Kredite aus dem Recovery Fund werden eine der ersten großen Herausforderungen sein, die den neuen Premier erwarten – und er steht unter erheblichem Zeitdruck: Die Frist der EU-Kommission zur Einreichung der Projekte läuft bis 30. April.

Die bisherigen Pläne der Regierung Conte hatten in Brüssel Irritationen ausgelöst: Sie enthielten zu viele Zuschüsse nach dem Gießkannenprinzip und zu wenige zukunftsgerichtete, strukturwirksame Projekte. Draghi wird die inzwischen nachgebesserten Pläne Contes zwar nicht völlig über den Haufen werfen – aber er wird bei seinen Korrekturen mit Sicherheit keine Rücksichten auf einzelne Klientel- und Interessengruppen nehmen, wie dies die Vorgängerregierung getan hat.

Bezüglich seiner weiteren politischen Absichten hat Draghi die Karten erst teilweise aufgedeckt. Um davon eine Vorstellung zu erhalten, reicht es aber, die Mahnungen und Empfehlungen nachzulesen, die er als Präsident der italienischen Notenbank und später als Chef der Europäischen Zentralbank an Rom gerichtet hatte. Draghi fordert seit fast zwei Jahrzehnten Reformen in drei Bereichen: eine Reform der Bürokratie, die mit unsinnigen Gesetzen und schikanösen Vorschriften jede Eigeninitiative im Keim erstickt, eine Reform der Justiz, die mit Verfahrensdauern von oft über zehn Jahren die Rechtssicherheit in Frage stellt und ausländische Investoren in die Flucht schlägt, sowie eine Steuerreform, die den Schwerpunkt nicht mehr auf der Besteuerung des Faktors Arbeit legt. Jede einzelne Reform ist eine Herkulesaufgabe für sich – aber wenn es Einen gibt, dem zugetraut wird, sie zu bestehen, dann ist das der neue Premier.

Regierung gegen die Depression

Auch wenn viele Eckpfeiler des künftigen Regierungshandelns bereits erkennbar sind: Draghi ist politisch schwer einzuordnen. Als Ökonom und Finanzwirtschaftler hatte er lange Zeit neoliberale Positionen vertreten und sich für die Privatisierung öffentlicher Dienste ausgesprochen; als italienischer und europäischer Notenbanker galt er außerdem als Verfechter der in Italien noch nie sonderlich beliebten Haushaltdisziplin.

In den letzten Monaten hat Draghi dagegen die Wichtigkeit des Staats betont: In der Pandemie müsse dieser dafür sorgen, dass Unternehmen und Arbeitnehmer nicht sich selber überlassen werden. Ein weiterer, vorübergehender Anstieg der – bereits horrenden – Staatsverschuldung sei dabei vertretbar und unvermeidlich. Mit der Schaffung eines neuen Ministeriums für “ökologische Transition” will Draghi auch grüne Schwerpunkte setzen – und einen Teil der Mittel aus dem Recovery Fund dafür einsetzen.

Nicht nur Draghi selber, sondern auch seine neue Regierung will nicht so richtig in die gängigen Schemata passen. Einige italienische Medien nennen sie “Regierung der nationalen Einheit”, andere wiederum “Regierung des Präsidenten” und wieder andere “große Koalition”. Nach den Konsultationen mit Draghi erklärte ein Vertreter der Sozialdemokraten unter Anspielung auf die auch in Italien um sich greifende Pandemie-Müdigkeit, es entstehe gerade ein “governo anti-depressivo” – eine “Regierung gegen die Depression”. Angesichts der großen Hoffnungen, die Draghi ausgelöst hat, ist das vielleicht die passendste Bezeichnung.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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