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Italiens Nationalspieler Vincenzo Grifo im Interview : „Ich finde es positiv, wenn man in zwei Ländern zu Hause ist“

Schon bald eröffnet die italienische Mannschaft die EM. Hier spricht Nationalspieler Grifo über seine Ziele, Chancen bei dem Turnier und Corona-Bedingungen.

Italiens Nationalspieler Vincenzo Grifo im Interview : „Ich finde es positiv, wenn man in zwei Ländern zu Hause ist“

Vincenzo Grifo (28) ist italienischer Nationalspieler und steht beim SC Freiburg unter Vertrag.Foto: imago images

Vincenzo Grifo (28) ist italienischer Nationalspieler und steht beim SC Freiburg unter Vertrag. Im Interview spricht er über seine Karriere, 25-stündige Autofahrten nach Sizilien und Chancen bei der anstehenden EM.

Herr Grifo, Sie hätten mit dem SC Freiburg eigentlich am vergangenen Mittwoch gegen Hertha BSC spielen sollen, die Berliner befinden sich aber noch in Quarantäne. Sie haben diese Erfahrung bereits hinter sich. Haben Sie Tipps für die Hertha-Spieler?
Am wichtigsten ist es, positiv zu denken und sich nicht zu sehr herunterziehen zu lassen. Für einen Sportler ist es natürlich schwierig, wenn er sich nicht auspowern kann. Deshalb habe ich versucht, zu Hause trotzdem so viel Sport zu machen wie möglich – und viel Zeit mit der Familie verbracht. Aber ich bin mir sicher, dass Hertha total motiviert aus der Quarantäne kommen wird, weil es für die Mannschaft noch um sehr viel geht.

Klingt so, als hätten sie ihre Covid-19-Erkrankung gut überstanden.
Ja, ich hatte zum Glück keinen schweren Verlauf. Ich hatte zwei Tage ein bisschen Schnupfen und war träge. Aber das war es dann auch. Jetzt geht es mir schon eine Weile wieder gut. Ich habe alle Tests absolviert, stehe voll im Saft und bin fitnessmäßig auf dem gleichen Stand wie vorher. Zudem scheint die Sonne, das gibt noch mehr Kraft, und ich freue mich einfach, wieder auf dem Platz zu stehen und den Jungs helfen zu können.

Sie sind vor kurzem Vater geworden. Mussten Sie sich auch von Ihrer Frau und Ihrer Tochter isolieren?
Ja, das war echt blöd. Ich habe mich die meiste Zeit im Schlafzimmer eingeschlossen und habe sonst immer Maske getragen. Meine Frau hat das sehr gut geregelt, aber natürlich sind wir froh, dass wir das überstanden haben.

Die DFL hat ein verpflichtendes Quarantäne-Trainingslager für alle Mannschaften beschlossen, Ihre Familie muss also auch in der Schlussphase der Saison länger auf Sie verzichten. Was halten Sie davon?
Wenn du vor drei Monaten Nachwuchs bekommen hast, willst du am liebsten jede Sekunde bei der Familie sein. Aber das sind dann eben die Nachteile des Jobs – auch als Fußballprofi ist nicht alles immer nur positiv. Es wird schon hart werden, so lange weg zu sein, aber meine Frau und ich haben schon ganz andere Dinge gemeistert.

Infiziert haben Sie sich vermutlich bei der italienischen Nationalmannschaft. Dort gab es nach den letzten Länderspielen bei Spielern und Staff insgesamt 16 Fälle. Wie ist das bei solch strengen Hygienemaßnahmen möglich?
Ich kann es nicht erklären. Die Vorkehrungen sind auch bei der italienischen Nationalmannschaft streng. Wir tragen immer Doppelmasken, wir fassen uns nicht an, wir nehmen uns nicht in den Arm, küssen uns zur Begrüßung nicht mehr, halten beim Essen Abstand. Wir schauen wirklich auf alles. Trotzdem kannst du es offenbar nicht immer verhindern – das ist das Gefährliche an diesem Virus.

Italiens Nationalspieler Vincenzo Grifo im Interview : „Ich finde es positiv, wenn man in zwei Ländern zu Hause ist“

Vincenzo Grifo glaubt an die italienische Nationalmannschaft bei der EM.Foto: imago images

In weniger als zwei Monaten eröffnet die italienische Nationalmannschaft die Europameisterschaft gegen die Türkei. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass sie dann im Olympiastadion von Rom dabei sind?
Ich bin ein positiver Mensch. Ich bin seit zweieinhalb Jahren kontinuierlich Teil der Mannschaft und war bis auf eine Ausnahme bei jeder Nominierung dabei. Ich will in den letzten fünf Bundesliga-Spielen noch mal richtig Gas geben und mich zeigen. Aber letztendlich entscheidet natürlich Roberto Mancini.

Die Uefa erwägt, die EM-Kader aufgrund möglicher Corona-Fälle zu vergrößern. Was halten Sie davon?
Das wäre definitiv sinnvoll. Wenn sich ein paar Spieler doch infizieren, kannst du ja nicht einfach Leute aus dem Urlaub holen, die seit 14 Tagen nicht trainiert haben.

Haben Sie sich mittlerweile daran gewöhnt, in der Kabine mit Stars wie Giorgio Chiellini, Leonardo Bonucci, Marco Verratti oder Gigio Donnarumma zusammenzusitzen?
Am Anfang war das schon krass. Früher habe ich die mega gefeiert, und jetzt sitze ich mit denen in der Kabine. Mittlerweile ist das aber normal. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich zur Nationalmannschaft fahren darf und mit solchen Spielern auf dem Platz stehe, denn die Jungs bringen eine enorme Qualität mit. Sie sind aber auch menschlich super und haben mich wirklich ins Herz geschlossen.

2006 haben Sie als Kind in Pforzheim vor dem Fernseher den WM-Titel bejubelt. Hätten Sie sich damals vorstellen können, mal selbst für die Nationalmannschaft zu spielen?
Nein, definitiv nicht. Ich habe immer davon geträumt und alles dafür getan, um Profi zu werden. Aber damals war ich 13, und der Weg war noch sehr weit. Dann kamen viele kleine Schritte, denn man kann nicht von 0 auf 1000 gehen.

Bei Ihrem ersten Länderspiel sind Sie dann aber mit der Nummer zehn aufgelaufen. Eher ungewöhnlich für einen Debütanten.
Ich weiß natürlich, was für eine Verantwortung diese Nummer mit sich bringt. Aber es war meine erste Nominierung, und ich habe im Training Vollgas gegeben. Dann ist Lorenzo Insigne abgereist, und die Zehn war plötzlich frei. Die Jungs haben gesagt, dass ich sie mir verdient habe. Ich habe das aber erst wirklich realisiert, als in der Kabine mein Trikot hing. Mehr Genugtuung geht gar nicht. Als kleiner Junge hatte ich nur die gefälschten Italien-Trikots vom Markt in Sizilien, mein erstes war von Andrea Pirlo oder Bobo Vieri. Und jetzt hängt mein eigenes Trikot bei mir im Flur.

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In der Vergangenheit hatte Italien in der Offensive oft Stars von Juve, Inter, Milan oder der Roma. Momentan fehlen die ganz großen Namen etwas. Was sagt das über den Zustand des italienischen Fußballs aus?
Gerade 2006 war das eine brutale Offensive. Als Zuschauer wünscht man sich vielleicht Stars von Barcelona oder Real Madrid, aber das ist nicht das Entscheidende. Es zählt, dass die Jungs viele Tore machen, und die haben alle unglaublich viel Potenzial vor der Kiste. Immobile hat letztes Jahr den Goldenen Schuh gewonnen, das sagt eigentlich alles. Ich sehe das ja auch im Training. Immobile, Belotti, Kean, Caputo, die sind alle sehr effizient und auch charakterlich tolle Jungs. Der italienische Fußball ist voll im Kommen.

Wie sehen Sie die Chancen bei der EM?
Wir haben seit 25 Spielen nicht verloren und sind auf einem sehr guten Weg. Roberto Mancini hat eine unglaubliche Mannschaft zusammengestellt, die viel Qualität hat, aber vor allem auch zusammenhält. Italien ist wie Deutschland immer eine Turniermannschaft, daher glaube ich, dass die Chancen ganz gut sind. Aber natürlich hängt auch viel von der Tagesform ab.

Ihre Mutter stammt aus Apulien, Ihr Vater aus Sizilien. Nachdem Sie im vergangenen November gegen Estland ihre ersten beiden Länderspieltore gemacht haben, hieß es, Sie seien der erste Sizilianer seit Totò Schilacci, der für Italien getroffen hat. Wie war die Resonanz darauf?
Vor allem für meinen Papa war das eine Wahnsinnssache und eine große Ehre. Was der alles für Nachrichten aus der Heimat bekommen hat, das macht dann auch mich stolz. Meine Eltern haben so viel für mich getan. Ich habe zwei Brüder, und meine Eltern haben ihr halbes Leben mit uns auf dem Sportplatz verbracht. Da kann ich nur dankbar sein, und daher freut es freut mich besonders, wenn sie so etwas über ihren Sohn lesen können.

Italiens Nationalspieler Vincenzo Grifo im Interview : „Ich finde es positiv, wenn man in zwei Ländern zu Hause ist“

Vor allem die Sommerurlaube in Sizilien waren für den Fußballprofi eine unvergessliche Zeit.Foto: imago images

Vor Ihrem Debüt hat ein lokaler Fernsehsender sogar Ihren Großvater Francesco in Naro besucht.
Das war eine Riesengeschichte für ihn. Mein Opa ist 93 geworden, und ich war sehr glücklich, dass er das noch erleben konnte. Ich habe da echt Gänsehaut bekommen, und das war total süß, ihn im Fernsehen zu sehen.

Sind Sie in Ihrer Heimat mittlerweile der Nationalspieler Grifo oder noch Vincenzo, der im Sommer zu Besuch kommt?
Ich habe unten noch viele Freunde, mit denen ich regelmäßig schreibe, und wenn ich dann im Urlaub da bin, ist es wie früher. Aber natürlich erkennen mich mittlerweile auch viele Leute, und wenn sie dich schon mal im Fernsehen gesehen haben, ist ein bisschen Respekt da. Wenn sich rumspricht, dass am Strand ein italienischer Nationalspieler liegt, kommt natürlich auch der eine oder andere und fragt nach einem Foto.

Was haben Sie noch für Erinnerungen an die Sommerurlaube Ihrer Kindheit?
Das war eine wunderschöne Zeit. Wir saßen zu dritt hinten im Auto, und Mama hat vorne die Brötchen mit Mortadella oder Salami gemacht. 25 Stunden runter nach Sizilien. Da haben wir Jungs uns dauernd gestritten, wer jetzt mit der Playstation Portable spielen darf. Und wenn wir endlich da waren: Sonne, Meer, Pasta, Fußball. Das werde ich nie vergessen, und das soll auch meine Tochter erleben.

Sie haben Ihr gesamtes Leben in Deutschland gelebt, spielen aber für die italienische Nationalmannschaft. Fiel Ihnen die Entscheidung schwer?
Kein bisschen. Ich hatte hier in Deutschland eine tolle Kindheit, mir wurde viel geboten, ich habe viel gelernt, habe tolle Freunde. Aber zu Hause wird italienisch gekocht, Italienisch geredet, italienisch gelebt. Mein Herz schlägt hundertprozentig für Italien.

Ihr ehemaliger Mitspieler Joan Oumari hat bei uns im Interview vor einigen Monaten mal gesagt, in Deutschland sei er für viele der Libanese, im Libanon der Deutsche. Haben Sie das auch so erlebt?
Ich habe das nicht so wahrgenommen, weiß aber, was er meint. Wenn ich im Urlaub nach Italien gefahren bin, haben auch einige Leute gesagt, guck mal, der kommt aus Deutschland. Aber der Deutsche war ich für die nicht, weil ich auch fließend Italienisch spreche. Ich finde es positiv, wenn man in zwei Ländern zu Hause ist. Es gibt doch nichts Schöneres, als in Deutschland zu leben, und trotzdem Freunde und Familie in Italien zu haben – und dort im Sommer ein paar Wochen bella vita genießen zu können.

Was fehlt Ihnen besonders aus Italien?
Das Meer, das Essen, die Atmosphäre, die Sonne, die Luft. Aber ich lebe sehr gerne in Freiburg. Cappuccino trinken in der Sonne ist hier zumindest im Sommer auch kein Problem. Und es gibt ein paar italienische Läden, wo du gute Pizza bekommst oder Orecchiette, wie sie meine Oma macht. Nur vernünftige Granita (eine Sorbet-ähnliche sizilianische Spezialität, Anm. d. Red.) gibt es einfach nicht.

Können Sie sich auch ein Karriereende beim Sport-Club vorstellen?
Klar, ich fühle mich hier pudelwohl. Meiner Frau geht es gut, und mein Kind wächst hier auf. Der Verein ist mit einem tollen Trainer und tollen Mitspielern wie eine zweite Familie für mich und deshalb kann ich auch so gute Leistungen bringen. Als Mannschaft haben wir unfassbaren Erfolg und kämpfen noch um einen Platz im internationalen Geschäft. Aber im Fußball weiß man nie.

Wäre denn im Falle eines Wechsels Italien eine Option?
Die Serie A ist ein Traum von mir.

Es heißt, Sie seien Inter-Fan. Warten Sie also auf den Anruf von Antonio Conte?
Sagen wir lieber Inter-Sympathisant. Mit 28 und als Profi sehe ich den Fußball mittlerweile etwas anders und bin nicht mehr Fan. Aber natürlich freue ich mich, dass Inter wahrscheinlich Meister wird. Das haben sie sich verdient mit dem Fußball, den sie spielen. Ich verstehe mich auch gut mit Bastoni und Barella, mit denen ich in der Nationalmannschaft spiele. Conte hat aber noch nicht angerufen. (lacht)

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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