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Interview mit DJ Dirty Doering : „Das Clubleben wird zurückkommen“

Der Berliner DJ Dirty Doering ist vor dem Lockdown-Winter nach Afrika geflohen. Ein Gespräch über maskenfreie Standpartys und deutsche Feier-Perspektiven.

Interview mit DJ Dirty Doering : „Das Clubleben wird zurückkommen“

Dirty Doering, 42, ist DJ, Produzent und Chef des Labels Katermukke. Bekannt wurde er als Resident-DJ der Bar 25.Foto: Promo

Herr Doering, Sie sind zur Zeit auf der Insel Sansibar vor Tansania, wo sie bei einigen Partys aufgelegt haben. Das ist hierzulande ja momentan schwer vorstellbar. Wie sieht das dort aus?
Die Party findet jeden Samstag in der Nähe eines Strandes statt. Es weht die ganze Zeit Wind über die Tanzfläche. Ungefähr 150 Leute sind meistens dabei, viele davon europäische Touristen. Die Stimmung ist ein bisschen wie im Sommer in Berlin, als es ja auch Partys im Freien gab. Masken werden dabei hier nicht getragen und auf Abstand muss nicht geachtet werden.

Wie sieht es generell aus mit Masken in Tansania?
Keiner trägt hier Masken. Als ich am Flughafen ankam, hat mich sogar ein Mann mit Gewehr aufgefordert, sie auszuziehen. Auch im Krankenhaus sieht man keine Masken. Aus deutscher Sicht ist das sicher etwas schwer nachzuvollziehen.

Tansania gilt als Risikogebiet. Aber was ist denn Europa im Moment? Eigentlich müsste man doch Europa komplett abschotten. Ich habe momentan eher Bedenken nach Deutschland zurückzukehren und mich anzustecken als hier, wo ich den ganzen Tag draußen sein kann.

Wie sind Sie zu dem Engagement in Sansibar gekommen?
Ich kenne den Besitzer der Bar, der die Party veranstaltet. Der holt immer wieder Berliner DJs nach Sansibar. Ich war schon mal im November hier und weil ich nicht mehr zurück nach Deutschland wollte, bin ich anschließend für sechs Wochen nach Kapstadt gegangen, wo ich auch drei Auftritte hatte.

Zu der Zeit waren noch Partys erlaubt, auch ohne Masken. Dann kam der neue Lockdown. Nächste Woche will ich wieder nach Kapstadt. Deshalb war ich im Krankenhaus, um einen Coronatest zu machen.

Sie fahren trotz der neuen Virusmutation nach Südafrika?
In Hamburg ist die doch auch schon, für welche Stadt soll ich mich also entscheiden? Kapstadt ist nicht so gefährlich, wie das in den deutschen Medien dargestellt wird. Es gibt sehr viel Wind. In den Bergen sind keine Menschen. Du hast zudem Hygieneregeln. Du musst Masken auf der Straße tragen, im Taxi, in den Geschäften und Restaurants.

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Es wird Fieber gemessen, bevor du reindarfst. Wo ich wohne, ist nichts los. Ich gehe joggen, besuche keine Malls, Restaurants oder volle Plätze. Und ich glaube, solange man den größten Teil des Tages im Freien verbringt, ist es auf jeden Fall sicherer als im Winter in Berlin.

Tansanias Präsident Magufuli pflegt allerdings einen sehr fragwürdigen Umgang mit der Pandemie. Er rief dazu auf, gegen Corona anzubeten und erklärte das Virus in seiner Neujahrsansprache für besiegt. Glauben Sie dem etwa?
Ich glaube das nicht. Allerdings ist die Bevölkerung hier so jung, dass viele wahrscheinlich gar nicht merken, wenn sie Corona haben. Und ein Test kostet 120 Dollar. Wer soll sich das leisten? Jedes Land geht anders mit der Situation um und stellt seine eigenen Regeln auf. Ich halte mich in jedem Land daran, meide hier aber auch Menschenansammlungen.

Man kann sich gut zurückziehen, baden gehen, tauchen oder eine Bootstour machen. Was ich auf keinen Fall nochmal wollte, waren weitere sechs Monate allein in meiner Wohnung in Berlin, in denen ich mir alle Serien nochmal anschaue.

Wie sah die Lockdown-Zeit und das letzte Jahr bei Ihnen aus?
Ich war mehr in meiner Wohnung als in den 20 Jahren, in denen ich da wohne. Ich bin ja sonst die ganze Zeit durch die Welt gereist, hatte über 100 Gigs in zehn Monaten. DJ ist ja eigentlich ein krisenfester Beruf, sogar im Krieg gibt es Partys. Ich hätte nie gedacht, dass das mal so ausgebremst werden könnte. Im Sommer ging es dann wieder, da habe ich drei Monate lang jede Woche irgendwo gespielt.

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Das waren Sitz-Partys, Ampel-Partys, Bar-Partys, Privat-Partys für 50 Leute – mit und ohne Masken oder Abstand. In jedem Bundesland gab es andere Regeln, also hat man immer dort gespielt, wo es die Regeln erlaubt haben. Die Schweiz war den ganzen Sommer offen, also habe ich fünf Mal in der Schweiz aufgelegt. Alles, was möglich war, habe ich ausprobiert.

Ein Lichtblick.
Ja, der Sommer war unverhofft gut. Nebenbei habe ich noch ein Praktikum in einer Holzmanufaktur gemacht. Dort habe ich gelernt, wie man aus alten Türen Holzrahmen anfertigt. Das wollte ich unbedingt mal lernen. Damit war ich im August fertig, habe noch zwei Monate aufgelegt und als klar war, dass die zweite Welle kommt, habe ich überlegt, wie ich den ganzen Winter aus Berlin rauskomme.

Und dann kam der Afrika-Plan auf.
Genau. Ich wollte nicht drei Monate auf der Couch liegen und fett werden, sondern versuchen, einigermaßen normal zu leben.

Dazu gehörten auch Partys. Bilder davon, die sie in den Sozialen Medien geteilt haben, stießen auf Unverständnis.
Da wurde schnell sehr niveaulos diskutiert. Die Leute finden Partys unmöglich, aber über die Kriege überall auf der Welt regen sie sich nicht auf. Es finden überall Partys statt – in Mexiko, Ägypten, Dubai. Mein Fehler war, das zu posten. Beim nächsten Mal bin ich nicht so naiv und werde etwas feinfühliger sein.

Solche Bilder können Leute auf dumme Ideen bringen.
Die Leute kommen auch so auf dumme Ideen. Gerade erst ist doch in Deutschland ein Kindergeburtstag mit 30 Personen aufgeflogen, von denen die Hälfte Erwachsene waren. Aber das kann ich verstehen. Wenn ich ein Kind hätte, würde ich dem auch nicht verbieten, andere Kinder zu sehen.

Wann kommen Sie zurück nach Berlin?
Der Plan ist jetzt, Ende März zurückzukommen. Am 4. April habe ich einen Gig im Kalender stehen, von dem ich aber nicht glaube, dass er stattfinden wird.

Wie geht es mit der Clubkultur in Berlin weiter?
Ich bin mir sicher, dass es wieder zurück zum Clubleben geht. Ich bezweifle aber, dass das dieses Jahr der Fall sein wird. Es wird im Sommer bestimmt wieder ein paar Sachen draußen geben. Indoor sehe ich das noch gar nicht. Ich habe das Gefühl, dass 2021 schon gelaufen ist.

Aber irgendwann wird es weitergehen, allerdings in kleineren Dimensionen. Die Berliner Clubszene und die Club-Kapazitäten sind ja mit den Touristenzahlen gewachsen, und es wird ein paar Jahre dauern, bis die wieder auf Vor-Corona-Niveau angekommen sind. Allein schon, weil der Flugverkehr lange brauchen wird, bis er sich erholt. Ich finde diese Verschnaufpause für die Stadt aber eigentlich ganz gut.

Einige Clubs könnten pleitegehen.
Das kann sein. Aber ich bin mir sicher, dass junge Leute nachkommen, um neue Clubs aufzumachen. Das ist in Berlin schon seit 30 Jahren gang und gäbe. Die Generation, die den Neunzigern die Clubs gegründet hat, betreibt ja heute größtenteils keine Clubs mehr – Dimitri Hegemann mal ausgenommen. Aber es ist immer etwas Neues entstanden.

Wahrscheinlich wird es erstmal kleinere Clubs geben mit kleineren Partys. Ich kenne auch viele Veranstalter von Festivals, die jetzt festgestellt haben, das Events mit 250 oder 500 Leuten ihnen wieder mehr Spaß machen.

Der internationale Party-Jetset war ohnehin grotesk überheizt und überteuert.
Ja, es gab jedes Jahr mehr Festivals. Dieser Weg wurde jetzt unterbrochen, was gut ist. Eine Art Reinigung. Aber ich bin mir sicher, dass auch das alles wiederkommt. International wird Corona zwar noch lange wüten und die Leute werden nicht massenhaft zu Partys durch die Gegend fliegen. Aber Deutschland wird sicherlich eines der ersten Länder sein, in denen wieder etwas geht. Die Regel denkt sich dann wahrscheinlich jemand aus, der noch nie auf einer Party war, aber wir werden sie einhalten und auch das überstehen.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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