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Im Kino: “Ein Festtag” von Eva Husson : Orchidee in der Dunkelheit

Die Liebe liebt das Schreiben: Eva Hussons britisches Kostümfilmdrama „Ein Festtag“ nach dem Roman von Graham Swift.

Im Kino: "Ein Festtag" von Eva Husson : Orchidee in der Dunkelheit

Im Herrenhaus. Mr. und Mrs. Niven (Colin Firth und Olivia Colman, r.) und ihr Dienstmädchen Jane (Odessa Young).Foto: Tobis

Englische Herrenhäuser, heimliche Liebschaften, das Unausgesprochene, das die sanft gewellten Hügel verschattet: Seit den Kostümfilmen James Ivorys, allerspätestens seit der Erfolgsserie „Downton Abbey“ hat diese Ikonographie einen festen Platz in der Filmgeschichte.

Aber das hier gab es noch nie: eine junge Dienstmagd, die alleine durch so einen Herrensitz streift, seelenruhig, selbstbewusst, nackt.

Jane (die australische Newcomerin Odessa Young) arbeitet bei den Nivens, sie hatte gerade Sex mit Paul Sheringham, dem Sohn aus der Nachbarschaft (Josh O’Connor, der Prince Charles in „The Crown“). Es ist ihr letzter Besuch. In wenigen Tagen wird der sanftmütig- melancholische Jura-Anwärter die Tochter der Hobdays heiraten, noch so eine noble Familie. Ende einer Liaison.

Die Hobdays, die Sheringhams, die Nivens – Olivia Colman und Colin Firth als Inbegriff der Mühsal, den eigenen Lebensschmerz mit Contenance zu kaschieren –, sie warten beim Picknick am Flussufer auf Paul. Er verspätet sich, mal wieder.

Man speist unter Sonnensegeln, spricht freundschaftliche Toasts aus, schweigt über das, was die Familien eint. Sie alle haben ihre Söhne im Ersten Weltkrieg verloren. Nur Paul, der Jüngste, ist noch da.

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Derweil lässt Jane in der altehrwürdigen Sheringham-Bibliothek ihre Finger über die Lederbuchrücken gleiten. In der Küche genehmigt sie sich ein Bier, in der Dunkelheit der Diele knippst sie sich eine leuchtend weiße Orchideenblüte ab. Zigarettenrauch, flackernde Erinnerung, erotische Close-Ups (Kamera Jamie Ramsay): Sonnenstrahlen und Lichtreflexe tanzen auf ihrem Körper. Wir schreiben den 30. März 1924, es ist „Mothering Day“, so der Originaltitel von „Ein Festtag“. An diesem Sonntag bekommen die Dienstleute traditionell frei, um ihre Familien zu besuchen. Jane wuchs in einem Waisenhaus auf.

Die französische Regisseurin Eva Husson nimmt sich bei ihrer Verfilmung des gleichnamigen Romans von Graham Swift aus dem Jahr 2016 die Freiheit, die Chronik der Ereignisse zu verwirbeln. Das Ergebnis ist eine subtil verschachtelte Flashback- Struktur (Drehbuch Alice Birch), mit Zeitsprüngen in beide Richtungen, von Pauls Kindheitserinnerungen über Janes spätere Existenz als Bibliothekarin und in der Liebesbeziehung mit einem Philosophen (Sopé Dìrísù) bis zu ihrer letzten Lebensphase als (nobel-)preisgekrönte Schriftstellerin. Was wir sehen, ist ihr Lebensroman – mit Glenda Jackson in einer Cameo-Rolle als Jane im hohen Alter.

[“Ein Festtag” läuft ab Donnerstag in 8 Berliner Kinos. Im Filmtheater am Friedrichshain auch in der OmU-Version]

Husson belebt die alte, leider etwasgeschmäcklerisch mit lasziven Zeitlupenimpressionen durchzogene Geschichte von der verbotenen Liebschaft mit modernen Figuren. Die Liebe macht keinen Standesunterschied: Jane und Paul haben keine Scheu voreinander, nicht vor Sperma und Blut auf dem Laken, nicht, wenn er nackt am Fenster steht und sich sehr langsam wieder anzieht. Verweile doch.

Menschen, die ihr Glück begraben haben. Und Jane, die einen Weg aus der Verdrängung findet

Und Paul kennt da auch noch einen Arzt, der Jane eine Kappe einsetzen könnte – sie reden offen über Schwangerschaftsverhütung. Wahrscheinlich, so Jane, bin ich genau das: das Kind einer schwangeren Dienstmagd. Mrs. Niven beglückwünscht sie später dazu. Was für ein Segen, alle Angehörigen bei der Geburt verloren zu haben – es ist der Sarkasmus einer Traumatisierten.

Die verlorenen Kinder, die verlassenen Kinder, der Tod, der einem das Herz aus der Seele reißt, und man darf es nicht zeigen: „Ein Festtag“ versammelt Bilder von Menschen, die ihr Glück begraben mussten. Oder die wie Jane einen Weg aus der Verdrängung finden. Was den Film dann doch schwächt, ist der beharrliche Verweis auf den Schmerz als Ursprung schriftstellerischer Kreativität. Und die zur Schau gestellte Verliebtheit in die eigenen Stilmittel.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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