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Grundrechtseingriff mit fraglichem Erfolg : Was bringt eine Ausgangssperre?

Verschärfungen wie eine nächtliche Ausgangssperre sind ein schwerer Eingriff in die Grundrechte. Unklar ist, ob diese Maßnahme zielführend ist.

Grundrechtseingriff mit fraglichem Erfolg : Was bringt eine Ausgangssperre?

Ein Polizist kontrolliert die Ortsein- und ausfahrt.Foto: Nicolas Armer/dpa

Viele Deutsche stecken längst in den Planungen für ihr Osterwochenende. In diese Planungen hinein ließ die Kanzlerin vor dem jüngsten Coronagipfel aufhorchen: In der Beschlussvorlage zum heutigen Treffen mit den Ministerpräsidenten tauchte mit einem Mal das Wort „Ausgangssperre“ auf.

Überschreite der bundesweite Inzidenzwert die Schwelle von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, müsse das Land die Notbremse ziehen. Wie diese Notbremse aussieht, das wird in diesen Stunden beim Bund-Länder- Gipfel beraten.

Der Lockdown wird bis zum 18. April verlängert und verschärft. Zu den Verschärfungen könnte eine nächtliche Ausgangssperre gehören. Ein tiefgehender Eingriff in die Grundrechte der Menschen – dabei ist unklar, ob diese Maßnahme zielführend und damit verhältnismäßig ist.

Während Einigkeit darüber besteht, dass Partys und größere Zusammenkünfte in Privatwohnungen Hot-spots in der Pandemiebekämpfung darstellen, bleibt im Ungewissen, ob eine nächtliche Ausgangssperre solchen Feierlichkeiten entgegenwirken würde.

Sie sind bereits verboten. Verstöße könnten auch ohne die Ausgangssperre strenger verfolgt werden. Auf Anfrage der ARD konnte das Robert-Koch-Institut nicht benennen, welche Rolle nächtliche Zusammenkünfte für das Infektionsgeschehen spielen.

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Zuletzt hatte der Grünen-Politiker und Gesundheitsexperte Janosch Dahmen bei „Anne-Will“ zwar für den strengeren Lockdown geworben, nächtliche Ausgangssperren aber in der ntv-Sendung „Frühstart“ als „unspezifisch“ und „wenig wirksam“ bezeichnet. Bevor es zu einem solchen Schritt käme, müssten versprochene Öffnungen zurückgenommen werden, wie zum Beispiel die von Baumärkten oder Frisier-salons.

Lauterbach: „Ausgangsbeschränkungen sind die Ultima Ratio”

Ähnlich argumentiert auch Karl Lauterbach, SPD-Gesundheitsexperte und Bundestagsabgeordneter. „Ausgangsbeschränkungen sind die Ultima Ratio, man muss versuchen, das zu verhindern“, sagte er der der „Welt“. Im Hinblick auf das Infektionsgeschehen dürfte die Maßnahme aber kaum zu verhindern sein, warnte er bei „Bild live“ am Sonntagabend.
Wie wirksam nächtliche Ausgangssperren in der Pandemiebekämpfung wirklich sind, lässt sich schwer abschätzen. Im vergangenen Dezember wurden sie in Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen, also Regionen mit dato besonders hoher Sieben-Tage-Inzidenz eingesetzt.

Die Effekte waren regional aber sehr unterschiedlich, auch, weil die Maßnahme unterschiedlich umgesetzt wurde. Zudem ist die Aussagekraft dieser Beobachtungen niedrig, weil die Ausgangssperre mit anderen Maßnahmen wie zum Beispiel der Schließung des Einzelhandels einherging.

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In Frankreich kam es in der Vergangenheit bereits häufiger zu harten Lockdowns, die seitens der Regierung als Erfolg gesehen werden. Kritiker:innen verweisen aber auch hier darauf, dass unklar ist, ob Erfolge in der Pandemiebekämpfung auf die Ausgangssperre zurückzuführen sind, oder ob andere Faktoren den Ausschlag gaben.

Nach Anfragen des ARD-Faktenfinder im Januar konnten verschiedene Landesgesundheitsministerien und auch das Bundesgesundheitsministerium nicht auf konkrete wissenschaftliche Studien verweisen, die die Wirksamkeit der Maßnahme bestätigten.

Nach den Recherchen der ARD liegt zwar eine umfang-reiche internationale Studie zur Effektivität von Ausgangssperren vor – darin kommen britische Wissen-schaftler:innen allerdings zu dem Ergebnis, dass der Effekt viel geringer ist als der von anderen Maß-nahmen wie regelmäßige Schnelltests und ein frühes Isolieren von Infizierten mit Rückverfolgung von Kontaktpersonen.

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Politisch bleibt die Maßnahme denn auch höchst umstritten. Kritik kommt auch aus der Partei der Kanzlerin: Anstelle von Ausgangssperren und einer Verlängerung des Lockdowns verlangte Christoph Ploß, Chef der Hamburger CDU, nach anderen „Konzepten, um mit dem Virus umzugehen“, ohne dabei spezifischer zu werden.

Linder gegen Ausgangssperren

FDP-Chef Christian Lindner lehnt Ausgangssperren unter Hinweis auf die erhebliche Einschränkung des Grundrechts auf Bewegungsfreiheit kategorisch ab: „Ich halte Ausgangsbeschränkungen immer für unverhältnismäßig, für eine zu scharfe Freiheitseinschränkung“, sagte er bei „Bild live“.
Der CSU-Gesundheitspolitiker Bernhard Seidenath hingegen sagte der „Bayerischen Staatszeitung“, dass strenge Ausgangsbeschränkungen und hohe Bußgelder, wie sie in Bayern Ende vergangenen Jahres verhängt wurden, dabei helfen würden, den Ernst der Lage zu vermitteln. Solche Effekte allerdings in Zahlen darzustellen, dürfte schwierig werden.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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