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Die Ifa ist die wichtigste Branchenmesse und findet immer Anfang September statt - wichtiger Impulsgeber für das Weihnachtsgeschäft.

© dpa

Wirtschaftssenator beruft Aufsichtsräte ab: Der Streit um die Ifa eskaliert

Kurz vor einem Spitzentreffen in London gibt es weitere Personalmaßnahmen bei der Messe Berlin.

Wirtschaftsstaatssekretär Tino Schopf (SPD) musste im Auftrag des erkrankten Senators die Botschaft überbringen. Am Dienstagnachmittag rief Schopf Sonja Groneweg und Alexander Pett an und legte den Aufsichtsräten der landeseigenen Messe Berlin GmbH den Rücktritt nahe. Sie lehnten ab. Daraufhin ging die Abberufung der beiden durch Wirtschaftssenator Stephan Schwarz als Vertreter des Gesellschafters auf den Postweg. Die nächste Aufsichtsratssitzung am 15. Juni findet also ohne Groneweg und Pett statt. Offizieller Grund für das Manöver: Die Neuaufstellung der Messegesellschaft nach der Pandemie.

Pfingsten fährt Ecknig nach London

In Wahrheit ist die Abberufung eine Strafaktion: Pett und Groneweg gehören zum gfu-Lager, die Gesellschaft für Unterhaltungselektronik, der die Funkausstellung Ifa gehört und die spätestens ab 2024 die Ifa zusammen mit dem angelsächsischen Eventkonzern Clarion veranstalten will. Und zwar in Berlin. Darüber verhandeln gfu/Clarion seit Monaten mit der Messe Berlin, haben sich schwer verhakt und mit wechselseitigen Vorwürfen einen Konflikt eskalieren lassen. Unter welchen Bedingungen findet die Ifa nach 2023 in Berlin statt? Nachdem sich Messegeschäftsführer Martin Ecknig in dieser Frage nicht mit der gfu-Führung verständigen konnte, fliegt er Pfingstmontag nach London, um mit Clarion-Chef Simon Kimble eine Lösung zu finden. Es ist an der Zeit, denn das Gerede über die Zukunft der Ifa beschädigt die fast 100 Jahre alte, weltberühmte Branchenmesse.

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Die Ifa gehört der gfu, die wiederum mit der Veranstaltung die Messe Berlin beauftragt hat. Der entsprechende Vertrag läuft im nächsten Jahr aus, von 2024 an möchte die gfu zusammen mit Clarion die Ifa organisieren und hat dazu eine Gesellschaft gegründet, an der die gfu 30 Prozent und Clarion 70 Prozent halten. Auf der Clarion-Seite mit von der Partie: Christian Göke, bis 2020 Geschäftsführer der Messe Berlin.

Zwei neue Ifa-Chefs

Ferner gehören zum Clarion-Lager die Ifa-Chefs Jens Heithecker und Dirk Koslowski. Beiden liegt ein Angebot von Clarion vor, beide haben Ecknig darüber schon vor Monaten informiert. Heithecker hatte im Januar zum 31.12.2022 bei der Messe gekündigt und wurde Ende April von Ecknig fristlos gefeuert, weil er Geschäftsgeheimnisverrat begangen haben soll. Die Forensiker von Deloitte, die im Auftrag der Messe das Wirken von Göke und Heithecker untersuchen, fanden angeblich eine verräterische Mail von Heithecker an Göke.

ITB-Chef zur Ifa

In dieser Woche wurde dann auch Koslowski freigestellt und Ecknig präsentierte die Nachfolger. „Die neue Doppelspitze aus David Ruetz und Kai Mangelberger ersetzt die bisherigen Ifa-Leiter Jens Heithecker und Dirk Koslowski.“ Die Vorbereitungen für die Ifa (2. bis 6. September) liefen auf Hochtouren, die Erwartungen im Markt seien nach zwei Coronajahren groß.

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„Wir sind bereit, um als global bedeutendste Messe für Consumer und Home Electronics dem Restart der Branche eine angemessene Bühne zu bereiten“, sagte Ecknig. Ruetz und Mangelberger bildeten ein Führungs-Duo, „das zusammen mit dem Ifa-Team den Countdown in den nächsten Monaten gut begleiten wird“. Das klingt nicht nach einer Lösung über 2022 hinaus. Mit ITB-Chef Ruetz wäre das auch kaum möglich. Mangelberger war zuletzt „Deputy Director“ der Bahnmesse Innotrans.

gfu erwägt Ausstieg aus dem Vertrag

Die gfu-Bosse um Aufsichtsratschef Volker Klodwig verlieren derweil die Geduld. Da das Verhältnis zur Messe Berlin zerrüttet sei, erwäge man einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Ifa-Vertrag, heißt es. Dann würde die Funkausstellung im September zum letzten Mal in Regie der Messe Berlin stattfinden und nicht 2023.

Geschichte reicht acht Jahre zurück

Die Abberufung des langjährigen gfu- Geschäftsführers Pett aus dem Messeaufsichtsrat trägt jedenfalls nicht zur Beruhigung der gfu-Gemüter bei. Zumal damit eine acht Jahre alte Verabredung endet. Der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der Messe, Hans-Joachim Kamp – ehemals Chef von Philips in Deutschland und Aufsichtsrat der gfu – trat im Juni 2014 unter der Bedingung aus dem Aufsichtsrat zurück, dass die gfu ein Mandat im Gremium behält. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte das zu. Die Abmachung hielt bis Dienstagabend, bis zum Anruf von Staatssekretär Schopf bei Pett. Maßgeblich beteiligt an der Lösung des Konflikts rund um Kamp, Göke und die Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) war im Sommer 2014 übrigens der Berliner Handwerkspräsident: Stephan Schwarz.

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