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Windräder könnten in Zukunft öfter in Wäldern stehen.

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Windkraft, ja!: Aber wohin mit den Windrädern?

Vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen mehren sich die Anzeichen, dass bald kein Mindestabstand von Windrädern zu Häusern mehr nötig ist.

Für Thomas Kutschaty ist die Sache klar. „Wir müssen da flexibler werden“, sagte Kutschaty mit Blick auf die starre 1000-Meter-Abstandsregel, die es in Nordrhein-Westfalen so schwer gemacht hat, Flächen für neue Windkraftanlagen zu finden. Kutschaty ist Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl am Sonntag.

200 neue Windräder pro Jahr hat Kutschaty als Ziel ausgerufen. Wie das gelingen soll, erklärte der 53-Jährige im Interview mit n-tv: „Über lokales Engagement.“ Es sei eben auch eine Frage der Akzeptanz, ob die Gewinne aus einer Windkraftanlage an ein Aktienunternehmen etwa in Essen fließen oder die Bürger:innen vor Ort profitieren würden. Peinlich hingegen sei, wenn man sich wie sein Rivale Hendrik Wüst von der CDU damit rühmen würde, in diesem Jahr schon 26 Windkraftanlagen gebaut zu haben.

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Hendrik Wüst ist Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen. Ins Amt kam er erst vor sechs Monaten als Nachfolger von Armin Laschet, der nach der verlorenen Bundestagswahl nicht in die Düsseldorfer Staatskanzlei zurückkehrte. In der CDU hoffen sie für NRW nun auf Rückenwind durch den überragenden Sieg des Amtsinhabers Daniel Günther in Schleswig-Holstein. Und tatsächlich eint Wüst und Günther der vermittelnde Politikstil – sie sind keine Scharfmacher.

Mit Abstand zum Bund

Günther vertritt bei seiner Energie- und Klimapolitik oft eine von der Bundes-CDU abweichende Linie. In Ansätzen trifft das auch auf Wüst zu: Zwar will die CDU in NRW an den harten Abstandsregeln festhalten. Auch plädiert er vor dem Hintergrund etwaiger Energieengpässe für die Aussetzung von Stilllegungen für Kohle- und auch Atomkraftwerken. Aber Wüst befürwortet etwa den Plan, bis 2030 aus der Kohle auszusteigen. In der Bundes-CDU tut man sich damit noch schwer – vor allem in den ostdeutschen Kohleländern.

Ungenutztes Potenzial. In NRW ist es nicht möglich PV-Anlagen entlang der Autobahn zu bauen.
Ungenutztes Potenzial. In NRW ist es nicht möglich PV-Anlagen entlang der Autobahn zu bauen.

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Der Streit um die Abstände der Windkraftanlagen könnte nach der Wahl aber noch bundespolitisch weitergehen. Wie die „Bild“ berichtet, will die Ampel-Koalition den Mindestabstand zu Wohnhäusern sogar abschaffen – nach dem Wahlabend. Das geht aus einem Referentenentwurf hervor, aus dem die Zeitung berichtet. Wörtlich soll es darin heißen: „Die bisherige Länderöffnungsklausel in § 249 Absatz 3 BauGB zur Einführung landesgesetzlicher Mindestabstände für Vorhaben nach § 35 Absatz 1 Nummer 5 BauGB, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, soll aufgehoben werden.“

Die Höhe der Anlage mal zehn, so viel Distanz muss in Bayern sein

Nach aktueller Gesetzeslage dürfen die Länder eigene Mindestabstände zu Windrädern definieren. Damit wäre damit nun Schluss. Bestehende Regeln sollen aber weiter gelten. Das wäre wohl gerade für Bayern wichtig, wo geregelt ist, dass die Höhe der Windkraftanlage mal zehn der Mindestabstand zu ihr ist.

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Bei der CDU gibt es weiterhin Widerstand gegen eine Rücknahme des Mindestabstands. „Bei Anlagen so hoch wie der Berliner Fernsehturm sind 1000 Meter Abstand zu Wohnungen das Mindeste“, zitiert die „Bild“ Jan Redmann, Fraktionsvorsitzender der Brandenburger CDU.

In NRW geht der Klima-Wahlkampf aber über Windkraft hinaus. Für Reiner Priggen, dem Chef des Landesverbands Erneuerbaren Energien in NRW, kann es mit einer neuen Landesregierung bei der Energie- und Klimapolitik des größten Bundeslandes nur bergauf gehen – selbst wenn sie weiterhin von der CDU und Wüst geführt wird. „Der Unterschied ist, dass Armin Laschet gar kein Interesse hatte an progressiver Energiepolitik. Wüst ist wenigstens interessiert“, sagte Priggen dem Tagesspiegel. Wüst muss man vom Nutzen der Erneuerbaren nicht mehr überzeugen.

Sein Wahlkreis Borken zählt zu den Kommunen mit den meisten Windkraftanlagen in NRW – sie sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die ansässigen Unternehmen. Das einzige, was Schwarz-Gelb hinbekommen habe an guter Entwicklung beim Ausbau der Erneuerbaren, sei die Genehmigung von Photovoltaik (PV) auf denkmalgeschützten Häusern. „Ansonsten haben sie nichts geschafft – eine Katastrophe war das“, resümierte Priggen.

Auf Anhöhen der Wälder bauen

Das Grünen-Mitglied, das auch in der Kohlekommission saß, kann viele Sachen nennen, bei denen die schwarz- gelbe Landesregierung Potenzial verstreichen ließ. In Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg ist es etwa möglich, PV-Anlagen entlang der Autobahn zu bauen – das ist bislang in NRW nicht der Fall. Oder auch der Zubau von Windkraft auf geschädigten Waldflächen. „Wir haben ein Riesenproblem mit dem Borkenkäfer, der hat Waldbauern schon 130.000 Hektar Wälder zerstört. Die Bauern hätten eine neue Einnahmequelle, wenn auf den Anhöhen der Wälder Windkraftanlagen gebaut werden könnten“, sagte Priggen.

Ob da die Umweltverbände mitziehen? Geht es nach dem Naturschutz NABU, soll sich die zukünftige Landesregierung im Bundesrat dafür einsetzen, die Privilegierung von Windkraftanlagen im Baugesetzbuch zu streichen. Unter Wüst wurden erste Wege eingeschlagen, auch den Windkraftausbau in Waldgebieten zu ermöglichen. Das will auch die SPD. Offen ist die SPD auch für einen früheren Kohleausstieg.

Auch setzt sich die SPD für den Erhalt von fünf verbliebenen Dörfern am Tagebau Garzweiler ein. Den Grünen ist das Thema besonders wichtig. Erst kürzlich hat die Partei von Spitzenkandidatin Monika Neubaur der Landesregierung vorgeworfen, sich nicht für die Dörfer einzusetzen. Beim Strukturwandel bescheinigt der SPD-Wirtschaftspolitiker Sundermann der amtierenden Landesregierung Versäumnisse. „Das Rheinische Revier fokussiert sich zu stark auf die Forschungslandschaft“, sagte Sundermann.

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Die SPD will die Ansiedlungen besonders von mittelständischen Unternehmen dadurch schaffen, dass sie in die entstehende Forschungslandschaft im Rheinischen Revier integriert wird. Schon heute entstehen durch Ausgründungen neue Jobs. Für Sundermann führt der Weg über die Erneuerbaren. „Tesla ist nach Grünheide gegangen wegen der Erneuerbaren. Northvolt ist nach Schleswig-Holstein gegangen mit der Aussicht auf die Erneuerbaren. Und keine einzige Batteriezellproduktion ist nach NRW gekommen, weil es hier einfach verdammt schwer geworden ist mit dem Zubau.“ Das wollen sie nun schnell ändern.

Die SPD will zudem einen Transformationsfonds mit einem Volumen von 30 Milliarden Euro auflegen, der die Industrie auf dem Weg hin zur Klimaneutralität unterstützen soll. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs hat das Thema nochmal an Bedeutung gewonnen. „Durch die hohen Energiepreise sind Investitionen derart teuer geworden. Für das Klima müssten aber genau diese Investitionen jetzt getätigt werden, so Sundermann. Dabei soll der Fonds unterstützen.

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