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Den schwächelnden Staatshaushalt nach der Coronakrise kann man aus Sicht von Ökonomen am besten am Rentenmarkt reparieren.

© Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Wegen steigender Staatsverschuldung: Führende Ökonomen raten zur Anhebung des Rentenalters

Die Pandemie schwächt die Wirtschaft länger als erwartet. In ihrer Gemeinschaftsdiagnose korrigieren die Forscher die Konjunkturprognose für 2021 nach unten.

Eigentlich ist es ein deutliches Signal. Und zwar kein gutes: Um einen Prozentpunkt haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute des Landes ihre Konjunkturprognose nach unten korrigiert. Zwei Mal pro Jahr legen sie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums ihre sogenannte Gemeinschaftsdiagnose vor. Statt mit einem Plus von 4,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts rechnen sie nun nur noch mit einem Wachstum von 3,7 Prozent für das laufende Jahr.

2022 soll das Plus bei 3,9 liegen. Allzu negativ klangen die Wissenschaftler bei ihrer Präsentation am Donnerstag dann auch trotz der Senkung nicht.

Verantwortlich für die pessimistischere Sichtweise ist der langsame Weg aus der Coronakrise. „Aufgrund des anhaltenden Shutdowns dürfte die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal um 1,8 Prozent gesunken sein“, sagte Torsten Schmidt, Konjunkturchef des RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Daraus resultiere die schwächere Prognose.

An der Grundannahme des baldigen Aufschwungs ändere sich aber nichts. Er ist nach Ansicht der Forscher nur etwas verschoben. Sie rechnen ab Mitte des zweiten Quartals mit ersten Lockerungsschritten, eine Aufhebung der Beschränkungen wird bis zum Ende des dritten Quartals angenommen.

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„Im Zuge der Lockerungen erwarten wir für das Sommerhalbjahr eine kräftige Ausweitung der Wirtschaftsaktivität, vor allem bei den von der Pandemie besonders betroffenen Dienstleistungsbereichen“, so Schmidt. Neue Hilfsmaßnahmen der Politik sind deshalb aus Sicht der Ökonomen nicht nötig. Die bestehenden Programme sollten noch ausreichen, bis die Wirtschaft sich in der zweiten Jahreshälfte wieder selbst tragen könne.

Sorgen um die Staatsfinanzen

Ohnehin machen die Staatsschulden den Forschern schon jetzt Sorgen. Nach der Pandemie sei es die Herausforderung der Wirtschaftspolitik, „die Staatsfinanzen wieder auf eine solide Basis zu stellen“, heißt es in dem Gutachten. Angesichts der alternden Bevölkerung raten die Ökonomen, dabei vor allem die Rentenversicherung in den Blick zu nehmen.

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„Die eleganteste Lösung wäre eine langsame, schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters“, sagte Oliver Holtemöller vom Institut für Wirtschaftsforschung (IWH). Ein höheres Rentenalter könne die Staatsfinanzen stützen, ohne bei wichtigen Zukunftsinvestitionen auf die Bremse treten zu müssen. Denn trotz der Schuldenlast wird in der Diagnose von steigenden Investitionen des Staates ausgegangen. Die Arbeitslosenquote wird aus Sicht der Ökonomen von 5,9 auf 5,2 Prozent im Jahr 2022 zurückgehen.

Was bleibt, ist die Unsicherheit

Was bei allen Äußerungen der Ökonomen allerdings mitschwang, war die Unvorhersehbarkeit der Pandemie. Wohl selten gab es so viele Unwägbarkeiten bei einer Konjunkturprognose. Der Schlüssel zum Aufschwung ist demnach die Impfkampagne. „Nach wie vor kann es bei der Lieferung von Impfstoffen und Tests zu Engpässen und Verzögerungen kommen“, schreiben die Forscher dazu. Auch neue Mutationen seien ein unkalkulierbares Risiko, „wodurch der Öffnungsprozess möglicherweise gestoppt werden müsste und damit die wirtschaftliche Erholung abermals zurückgeworfen würde“.

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Ebenso könnte die Lage aber besser als erwartet werden, etwa wenn die in der Krise gebildeten Rücklagen der Privathaushalte stärker als bisher angenommen in den Konsum fließen. Die Institute schätzen die aufgestaute Kaufkraft für die Jahre 2020 und 2021 auf insgesamt über 200 Milliarden Euro. Von „nachholenden Konsumaktivitäten in großem Stil“ gehen die Forscher aber nicht aus.

Geht es nach dem Gutachten, dürften sich Verbraucher zunächst aber auf steigende Preise einstellen. Die Inflation werde im Jahresdurchschnitt bei ungewöhnlich hohen 2,4 Prozent liegen, heißt es in dem Dokument. In der zweiten Jahreshälfte dürfte auch die 3-Prozent-Marke erreicht werden, bevor die Verbraucherpreisinflation im kommenden Jahr aber wieder auf 1,7 Prozent zurückgeht, da Sondereffekte entfielen.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wertet die Gemeinschaftsdiagnose als „deutliches Zeichen der Zuversicht“. „Wir haben insbesondere eine robuste Industrie, anders als in der ersten Welle konnten die Lieferketten aufrechterhalten werden“, sagte er, gab aber gleichzeitig zu, dass bei Handel und Dienstleistungen nach wie vor große Probleme herrschten. Weiter sprach er sich dafür aus, die Überbrückungshilfe III bis zum Ende des Jahres zu verlängern.

Einigen Geschäften dürfte das aber nicht mehr helfen. Sobald die staatlichen Hilfsmaßnahmen auslaufen, könnte aus Sicht der Ökonomen auch die Zahl der Insolvenzen stark steigen. Dass das bislang ausblieb, schieben sie auf die bis Ende April ausgesetzte Anmeldepflicht für Insolvenzen. Altmaier ficht das nicht an. Im Gegenteil. Er geht davon aus, dass die nächste Prognose der Bundesregierung selbst besser ausfallen wird als bisher angenommen. Thorsten Mumme

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