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Viel Platz gibt es in der Lausitz, etwa auch auf dieser Rekultivierungsfläche im Braunkohletagebau Jänschwalde. Gute Verkehrsverbindungen, stabiles Internet und Fachkräfte sind die wichtigsten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Strukturwandel.

© picture alliance/dpa

Wandel in der Kohleregion: Die Lausitz wartet auf Zuzug

In der Braunkohleregion bemühen sich verschiedene Fördereinrichtungen um die Zeit nach der Kohle. Die Verfügbarkeit von Fachkräften ist ein Schlüsselfaktor.

Geld ausgeben ist gar nicht so einfach. In der Lausitz müssen demnächst 500 Millionen Euro unter die Leute gebracht werden – im Jahr. Dazu beschließt die Bundesregierung vermutlich am Mittwoch das „Strukturstärkungsgesetz“, mit dessen Hilfe die Verabredungen aus der „Kohlekommission“ umgesetzt werden: Abbau und Verstromung der Braunkohle enden spätestens 2038, und als Ausgleich erhalten die Lausitz und das Rheinische Revier viele Milliarden Euro. Dann müssen die Mittel nur noch in sinnvolle Projekte fließen, wozu es einer besonderen Expertise bedarf. Bevor der Strukturwandel in Gang kommt, blüht erst einmal die Förderindustrie auf.

Eine Region im Förderdschungel

Zwei Förderinstitutionen gibt es schon seit ein paar Jahre: Die „Innovationsregion Lausitz (IRL)“ sowie die „Wirtschaftsregion Lausitz (WRL)“. Vergangene Woche hat die Landesregierung in Potsdam noch die Einrichtung einer Landesentwicklungsgesellschaft beschlossen, die mit 20 Mitarbeitern Projekte mit überregionaler Bedeutung betreut, wie Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erläuterte. Auf das die Gelder auch fließen mögen. Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) ärgert sich über die Bürokratie, die kleinen Unternehmen den Weg zu den Fördertöpfen verstelle. „Das wird eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Legislaturperiode sein, da mal richtig zu vertikutieren und das System schneller zu machen“, sagte Steinbach dem Tagesspiegel. Wer auch immer dann das Ministerium führen wird.

Dem Land geht es gut

Seit gut einem Jahr ist Klaus Freytag Lausitz-Beauftragter des Landes Brandenburg. Kurz vor der Wahl sei „die echte Lage viel besser als die gefühlte“, sagt Freytag und nennt dafür Belege: Für zusätzliche Wissenschaftseinrichtungen und Wissenschaftler würden gerade Räumlichkeiten in Cottbus gesucht, die Bahn baue Kapazitäten auf, und von den knapp 8000 direkt in der Braunkohle Beschäftigten falle sowieso keiner ins Bergfreie, also in die Arbeitslosigkeit. „Trotzdem wählen die alle AfD“, stöhnt Freytag, der bis 1993 als Fachbereichsleiter beim Braunkohlebergamt Köln beschäftigt war und dann nach Brandenburg kam. „Wir müssen Zuzugsgebiet werden“, sagt Freytag über die Lausitz und Brandenburg insgesamt. Fachkräfte sind der Schlüsselfaktor im Strukturwandel.

Rückkehrinitiative in Cottbus

„Bleib hier, komm zurück, komm an“ appelliert die gerade gestartete Rückkehrinitiative „Station Cottbus“. Fast 30 Unternehmen, Verbände und Institutionen, darunter Bahn und der Braunkohlekonzern Leag, das Carl-Thiem-Klinikum und der Cottbusser Altstadtverein, bieten auf einer Plattform Hilfe an. „Nutze unseren Partnerverbund bei der Suche nach einem passenden Arbeitsplatz, einer Wohnung oder Ort für die Kinderbetreuung.“ Ein selbstbewusster Ton wird angeschlagen, der vielleicht symptomatisch ist für den Stimmungswandel. „Probiere Cottbus aus und lass dich überraschen.“

Infrastrukturausbau hat Vorrang

Die Stadt Cottbus sowie die sächsischen und brandenburgischen Landkreise haben die „Wirtschaftsregion Lausitz (WRL)“ gegründet, die sich auch dem Fachkräftethema widmet und dazu beispielsweise mit Schulprojekten die Kinder für naturwissenschaftliche Fächer und Berufe zu begeistern versucht. Das Besondere der WRL ist der länderübergreifende Ansatz, der vor allem für den Ausbau der Verkehrswege zwingend ist. „Infrastruktur schafft Wertschöpfung“ – dieser Leitspruch der Wirtschaftsförderer gilt auch in der Lausitz. Die WRL plädiert für ein Bahnlinie von Cottbus über Spremberg, Schwarze Pumpe und Hoyerswerda nach Bautzen und für Direktanbindungen aus Südbrandenburg zum ICE-Bahnhof nach Riesa. „Arbeitsplatzzentren wie Cottbus und Bautzen als Städte mit den stärksten Einpendlerzahlen müssen besser infrastrukturell verbunden werden“, heißt es in einer Studie.

Dienstleister für China

Wirtschaftsförderer müssen sich im Alltag durch den Förderdschungel schlagen und träumen gerne von großen Würfen. Zum Beispiel die Lausitz als Dienstleister für China. „Containerzüge aus China mit Ladungen für unterschiedliche Empfangsorte in Europa könnten in der Lausitz zusammengestellt werden“, schreibt die WRL. Derzeit gibt es Terminals für den kombinierten Verkehr in Schwarzheide, Elsterwerda und Forst. Weitere Umschlagsplätze sind geplant in Kodersdorf, Königs Wusterhausen und Spremberg. Vielleicht geht tatsächlich was mit den Chinesen. In der Zukunft.

Schwach bei Innovationen

„Die beiden wichtigsten Wachstumsbremsen des Mittelstandes in der Lausitz sind ein vergleichsweise schwaches Innovationssystem und der Fachkräftemangel“, konstatieren die Wirtschaftsförderer. Die Bremsen lösen soll die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, mit ihren 7300 Studenten und 180 Professoren; Tendenz steigend. Die BTU strahlt aus auf die Wirtschaft, indem die Wissenschaftler mit Projekten und Programmen und einem Gründerzentrum den Selbstständigen und Unternehmen helfen. Im Rahmen des Bundesprogramms „Wandel durch Innovation in der Region“ baut die BTU eine „Digitale Reparaturfabrik“ auf. Gemeinsam mit Firmen der Region geht es dabei um die „Gestaltung des Strukturwandels durch Innovationen in Wartung, Instandhaltung und Reparatur“.

Schicksal selbst in die Hand nehmen

Die „Innovationsregion Lausitz (IRL)“, eine mit drei Leuten eher bescheiden besetzte Fördertruppe der regionalen Kammern und Verbände sowie der BTU, agiert wie eine Unternehmensberatung, die Firmen vernetzt. In einer Art Meisterklasse befassen sich derzeit rund 30 Forscher und Entwickler aus zwei Dutzend Unternehmen mit verschiedenen Innovationsprojekten. „Die Lausitzer sollen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen“, formuliert IRL-Chef Hans Rüdiger Lange das Ziel. Wenn in den nächsten Jahren die Geldströme aus Berlin in die Lausitz fließen, müsse unbedingt die ansässige Wirtschaft als „Gegenpol und Gestaltungspartner“ einbezogen werden. „Sonst kriegen wir planwirtschaftliche Strukturen“, befürchtet Lange.

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