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Martin Winterkorn ist wegen der Dieselbetrugsaffäre angeklagt.

© John MACDOUGALL / AFP

VW und Winterkorn: Der perfekte Abschied vom Dieselschmutz

Dass VW Schadenersatz von seinen Ex-Chef verlangt, ist dramaturgisch top. Und passt zum sauberen E-Auto-Konzern, der man jetzt sein will. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Henrik Mortsiefer

Mehr als fünf Jahre nach Bekanntwerden des Dieselskandals kommt der Aufsichtsrat von Volkswagen zu dem Ergebnis, dass Martin Winterkorn büßen muss. Die 2015 abgegebene Ehrenerklärung der Aufseher für den Ex-Chef gilt nicht mehr. „Herr Prof. Winterkorn“ hatte – anders als der Aufsichtsrat damals kundtat – offenbar doch Kenntnis von den Manipulationen an Dieselfahrzeugen.

Weil er intern und öffentlich nicht rechtzeitig sagte, was er wusste, stürzte der VW-Konzern 2015 in den größten Skandal seiner Geschichte. Und mit ihm Millionen Kunden, Vertragspartner, Behörden und die Politik. 32 Milliarden Euro hat Volkswagen für die „Dieselthematik“, die man inzwischen auch in Wolfsburg Skandal nennen darf, zurückgestellt. Für einen (sehr viel kleineren) Teil des Schadens soll Martin Winterkorn nun zahlen.

In die Dramaturgie der Vergangenheitsbewältigung bei Volkswagen passt die Entscheidung des Aufsichtsrats perfekt. Nach Jahren der Aufklärung, personellen Neuaufstellung, juristischen und finanziellen Aufarbeitung kann Herbert Diess noch weiter aus dem Schatten seines Vor-Vorgängers treten. Ein Strafverfahren gegen ihn selbst und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch stellte die Staatsanwaltschaft Braunschweig 2020 ein. VW zahlte neun Millionen in die Staatskasse.

Diess kann den Dieselskandal im Rückblick als ein Glück im Unglück für das Unternehmen betrachten, denn er ließ ihm keine Wahl: Volkswagen musste sich grundlegend ändern. Und so kam es. Diesel war gestern, heute ist der VW-Konzern sauber, transparent und der Zukunft zugewandt. Mit dieser Botschaft ist Diess unterwegs. Natürlich ist das nur ein Teil der Wahrheit.

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Aber der strategische Wandel und die Bereitschaft zur Erneuerung, für die (nicht nur) Diess als Volkswagen-Chef steht, sind glaubwürdig. Kein Autobauer aus der alten Verbrenner-Welt setzt konsequenter auf Elektromobilität, kein CEO der Autobranche ist kommunikativer als Herbert Diess. Inzwischen wird dem Wolfsburger Riesenkonzern mit weltweit fast 700 000 Beschäftigten sogar zugetraut, den Vorreiter Tesla zu überholen. Der Pensionär Winterkorn (73) wirkt vor diesem Hintergrund wie eine Gestalt aus einem versunkenen Jahrhundert. Aber die Welt wird noch von ihm hören, wenn er die Millionen an Schadenersatz zahlt. Und ab September, wenn der Diesel-Prozess gegen ihn und vier weitere VW-Manager startet. Der Vorwurf lautet: gewerbs- und bandenmäßiger Betrug im Dieselskandal.

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