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FDP-Vize Wolfgang Kubicki erhält für seinen Vorschlag viel Widerspruch.

© Thomas Trutschel/picture alliance/photothek

Update

FDP-Politiker schlägt Nord-Stream-2-Öffnung vor: Ukrainischer Außenminister vergleicht Kubicki-Forderung mit „Drogensucht“

Aus Sicht Kubickis gebe es keinen vernünftigen Grund, die Pipeline nicht zu öffnen. Für seinen Vorschlag bekommt er viel Kritik – auch aus der eigenen Partei.

Die von Russland angegriffene Ukraine hat Forderungen von FDP-Vize Wolfgang Kubicki nach einer Öffnung der Ostseepipeline Nord Stream 2 scharf kritisiert. „Die Forderungen einiger deutscher Politiker, Nord Stream 2 für eine kurze Zeit zu starten und später zu schließen, sind völlig irrational“, schrieb der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Freitag auf Twitter. „Das ähnelt einer Drogensucht, wenn jemand sagt: „Nur noch ein letztes Mal!““, kritisierte Kuleba. „Die Sucht nach russischem Gas tötet!“

Kubicki hatte in einem ebenfalls am Freitag veröffentlichten Bericht gefordert: „Wir sollten Nord Stream 2 jetzt schleunigst öffnen, um unsere Gasspeicher für den Winter zu füllen“. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) weiter, es gebe „keinen vernünftigen Grund, Nord Stream 2 nicht zu öffnen“.

Wenn Russlands Präsident Wladimir Putin dann doch nicht mehr Gas liefere, habe Deutschland nichts verloren. „Kommt auf diesem Weg mehr Gas bei uns an, vielleicht sogar die komplette vertraglich zugesicherte Menge, wird das helfen, dass Menschen im Winter nicht frieren müssen und unsere Industrie nicht schweren Schaden nimmt“, betonte Kubicki. Dafür zu sorgen, sei oberste Pflicht der Bundesregierung.

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Genau aus diesem Grund seien andere Pipelines aus Russland ja nicht gekappt worden. „Wenn die Gasspeicher gefüllt sind, können wir Nord Stream 2 ja wieder schließen – und die anderen Pipelines auch, wenn wir unabhängig geworden sind. Aber das sind wir nun mal noch nicht“, sagte Kubicki.

Kubicki will Fracking prüfen

Auf den Hinweis im Interview, dass Putin dies als großen Erfolg ausschlachten würde, sagte der Bundestagsvizepräsident, alles, was dafür sorge, dass mehr Gas hier ankomme, nütze Deutschland mehr als Putin. „Der größte propagandistische Erfolg für Putin wäre es im Übrigen, wenn uns das Gas ausgeht, während er noch gut an uns verdient hat. Das gilt es zu verhindern.“

[Lesen Sie auch: Folgen der Energiekrise: Deutschlands Wirtschaft wird Putins Gasdrosselungen verkraften (T+)]

Die Inbetriebnahme der fertigen Pipeline Nord Stream 2 wurde von der Bundesregierung auf Eis gelegt. Über Nord Stream 1 liefert Russland derzeit nur rund 20 Prozent der möglichen Menge. Der russische Gaskonzern Gazprom macht technische Gründe dafür verantwortlich, die Bundesregierung hält dies für vorgeschoben.

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Kubicki warb ferner dafür, die Möglichkeiten des Frackings in Deutschlands auszuloten, um unabhängiger von Erdgaslieferungen zu werden. „Fracking kann über Jahrzehnte einen erheblichen Beitrag zur Versorgungssicherheit in Deutschland leisten“, sagte der FDP-Politiker.

Beim Fracking wird Gas oder Öl mit Hilfe von Druck und Chemikalien aus Gesteinsschichten herausgeholt. Kritiker sehen hier Umweltgefahren. Die Methode ist in Deutschland verboten, nur Probebohrungen sind erlaubt.

Heftige Kritik an Kubickis Vorschlag

Für seinen Vorschlag erntet Kubicki Kritik – auch aus der eigenen Partei. So geht Bundesfinanzminister Christian Lindner deutlich auf Distanz zu den Äußerungen. Lindner halte den Vorschlag für „falsch und abwegig“, sagte eine Sprecherin seines Bundesfinanzministeriums am Freitag in Berlin. Lindner ist FDP-Vorsitzender. Der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner erklärte, es gebe auch keine Pläne der Bundesregierung zu einer Inbetriebnahme der Pipeline. Eine Wiederaufnahme des Projekts stehe nicht zur Debatte.

Russland setze Energiepolitik als Waffe ein, Projekte wie Nord Stream 2 hätten Deutschland „in eine gefährliche Abhängigkeit gebracht, die jetzt diese schwierige Lage mit sich bringt“, erklärte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem „Spiegel“. „Nord Stream 2 nicht in Betrieb zu nehmen war richtig und ist richtig.“ 

Kubicki glaubt doch nicht wirklich, dass Putins Russland durch NS2 plötzlich Gas liefern würde. Russland braucht doch nur die vorhandenen Kapazitäten zu nutzen, tut es aber aus (kriegs-)politischen Gründen nicht.

schreibt NutzerIn Anton2332

„Auf die Erpressungen eines Aggressors einzugehen, liefert einen weiter voll seiner Willkür aus und schwächt nur die Position Europas“, sagte Partei-Vize Johannes Vogel. Und Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann findet: „Wir könnten uns bei unseren Verbündeten gerade im Baltikum und Osteuropa zurecht nicht mehr blicken lassen und würden im Übrigen jede Selbstachtung verlieren.“

Mehr zur Energie-Krise auf Tagesspiegel Plus:

Der Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff verwies auf Twitter darauf, dass Russland Gas ebenso durch andere Pipelines liefern könne wie Nordstream 1 oder Jamal. Wenn aber Nordstream 2 in Betrieb genommen würde, würde Deutschland damit „im Alleingang den politischen Konsens in Nato und EU zerstören“, was ein „Debakel“ wäre. Parteivorsitzender und Finanzminister Christian Lindner teilte diesen Tweet auf seinem Kanal.

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FDP-Fraktionsvize Gyde Jensen ging ebenfalls auf Distanz zu Kubicki. „Wenn Krieg in Europa herrscht, müssen wir zusammenstehen“, betonte sie auf Twitter. Nordstream 2 sei „schon immer ein Alleingang“ gewesen, mit dem Deutschland „unsere osteuropäischen Nachbarn vor den Kopf stieß“.

„So ein Vorschlag stärkt falsche Narrative“, sagte die Grünen-Verteidigungspolitikerin Sara Nanni am Freitag dem Portal t-online.de mit Blick auf die Politik Russlands. Ihr Parteichef Omid Nouripour wies Kubickis Vorschlag als sinnlos zurück. „Es ist völlig egal, wie viele leere Pipelines da gerade offen sind“, sagte der Grünen-Co-Vorsitzende am Freitag in Berlin der Deutschen Presse-Agentur.

Bundesnetzagentur ruft zum Gassparen auf

Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat unterdessen trotz der Fortschritte beim Befüllen der deutschen Gasspeicher dazu aufgerufen, dringend weiter Gas zu sparen. Man könne sich nicht allein auf die Speicher verlassen, sagte Müller am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“.

[Lesen Sie auch: Wie viel Gas kann Norwegen liefern, Herr Störe?: „Wir produzieren am absoluten Maximum“ (T+)]

„Die alleine würden uns nicht durch einen Winter durchtragen, wenn es besonders kalt wird oder Putin das Gas komplett abdrehen sollte“, betonte Müller mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Aktuell sind die Gasspeicher zu knapp 78 Prozent gefüllt. Laut Verordnung sollten es am 1. September mindestens 75 Prozent, am 1. Oktober mindestens 85 Prozent und am 1. November mindestens 95 Prozent sein.

Trotz der seit Wochen deutlich reduzierten Liefermengen aus Russland sind die deutschen Gasspeicher wieder zu mehr als 75 Prozent gefüllt.
Trotz der seit Wochen deutlich reduzierten Liefermengen aus Russland sind die deutschen Gasspeicher wieder zu mehr als 75 Prozent gefüllt.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Müller verglich die Speicherung mit dem Aufpumpen eines Fahrradreifens. Die ersten Prozent seien die leichtesten. 85 und 95 Prozent zu erreichen, sei dann physikalisch anstrengender.

Den Winter werde man nur mit einem Dreiklang gut managen, mahnte Müller. Neben der Einspeicherung seien das der Bezug aus zusätzlichen Gasquellen und Einsparungen. Man werde über alle Sektoren hinweg mindestens 20 Prozent sparen müssen.

Wenn wir momentan ohnehin noch von russischem Gas abhängig sind, wäre es doch egal, welche Leitung dafür verwendet wird. Ob NS 1 oder NS 2 ändert weder etwas an der Abnahmemenge, noch am Geld, das wir bezahlen müssen.

schreibt NutzerIn mcgyver

„Dann kommen wir ohne eine Mangellage – mit ein bisschen Glück, wenn der Winter normal bleibt – durch die nächsten Monate.“ Müller machte aber zugleich klar, man müsse mindestens zwei Winter bestehen, um danach unabhängig von russischem Gas zu werden.

Der Behördenchef erinnerte daran, dass Privathaushalte nach eindeutiger europäischer Rechtslage bei einer Gasmangellage einen besonderen Schutzstatus genießen, ähnlich wie Krankenhäuser, Schulen, Polizei und ähnliche Einrichtungen. Dennoch rief er private Haushalte eindringlich zum Sparen auf. Jede eingesparte Kilowattstunde beim Gas helfe auch, Reduzierungen oder gar Abschaltungen in der Industrie zu vermeiden. Müller sprach in dem Zusammenhang von einer „Solidarität mit den Arbeitsplätzen“. (dpa)

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