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Süße Verführung: Werbung macht Lust auf Süßes.

© imago images/Westend61

Viele Kinder sind zu dick: Verbraucherminister wollen Werbeverbote für Dickmacher

Die Länder machen Druck. Verbraucherschützer begrüßen das, die Lebensmittelindustrie nicht. Werbung sei nicht Schuld an Übergewicht, sagt sie.

Die Verbraucherschutzminister der Länder haben ein Verbot von an Kinder und Jugendliche gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel gefordert. Der Ressortchef von Schleswig-Holstein, Claus Christian Claussen, forderte den Bund auf, dies zügig umzusetzen. Damit könne ein Beitrag zur Bekämpfung von Übergewicht geleistet werden, sagte Claussen am Freitag nach der zweitägigen Ministerkonferenz in Weimar, deren Vorsitz Thüringen hat.

Cem Özdemir sieht die Länder in der Pflicht

Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) erklärte, damit unterstützten die Länder das Vorhaben der Regierungskoalition, Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt gegenüber Kindern weiter einzuschränken. "Ernährungspräferenzen werden in hohem Maße im Kindesalter geprägt", sagte Özdemir. "Werbung hat einen maßgeblichen und vor allem auch langfristigen Einfluss gerade auf die Altersstufen unter 14 Jahren. Daher ist die Regulierung von Werbung gegenüber Kindern ein wichtiger Ansatzpunkt, um ernährungsmitbedingte Erkrankungen zu vermeiden."

Bndesernährungsminister Cem Özdemir sieht die Länder in der Pflicht.
Bndesernährungsminister Cem Özdemir sieht die Länder in der Pflicht.

© IMAGO/photothek

Der Ernährungsminister spielte den Ball aber an die Länder zurück. Den Ländern komme bei der Medienregulierung eine besondere Verantwortung zu. Der Bund werde sich daher mit der Koordination der Rundfunkkommission austauschen.

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Die Verbraucherorganisation Foodwatch sieht das anders. Sie wies auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten hin, wonach Özdemir umfassende Werbebeschränkungen als Bundesgesetz auf den Weg bringen könnte. Ein Umweg über den Medienstaatsvertrag sei nicht notwendig.

Ärzte fordern seit langem Beschränkungen

Fachorganisationen und Ärzteverbände fordern seit Jahren eine Beschränkung der Junkfood-Werbung, darunter auch die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), in der zahlreiche Organisationen vertreten sind. „Die Verbraucherschutzministerinnen und -minister der Bundesländer empfehlen, süßen, salzigen und fettigen Snacks die rote Karte zu zeigen. Dieser Schritt ist längst überfällig.", sagte Barbara Bitzer, Sprecherin des Wissenschaftsbündnisses DANK und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). "Die Zeit des Abwartens ist vorbei. Die Ampelregierung muss ihren Ankündigungen im Koalitionsvertrag sowie der Empfehlung der Bundesländer nun endlich Taten folgen lassen und Werbung für Junkfood einen Riegel vorschieben.“

Gefährlich: Wenn Kinder zu dick sind, steigt das Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Krankheiten.
Gefährlich: Wenn Kinder zu dick sind, steigt das Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Krankheiten.

© picture alliance / dpa/ Ralf Hirschberger

Corona hat das Problem verschärft

Wie entscheidend umfassende Werbebeschränkungen für Ungesundes für die Kindergesundheit sind, zeigten kürzlich erneut die Ergebnisse einer DAG-Elternbefragung, betonte Bitzer: Demnach ist jedes sechste Kind während der Corona-Pandemie dicker geworden, ein Viertel isst mehr Süßwaren als zuvor und fast die Hälfte bewegt sich weniger. Gemeinsam mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) und dem AOK-Bundesverband hatte DANK bereits im Februar einen konkreten Vorschlag für umfassende Werbebeschränkungen für ungesunde Lebensmittel erarbeitet. Die Organisationen fordern, dass Influencer-Werbung für Ungesundes komplett untersagt werden sollte. Zudem soll es Werbeverbot für Ungesundes zwischen 6 und 23 Uhr für TV, Streaming und Radio geben. Für Plakatwerbung sollte eine 100-Meter-Bannmeile im Umkreis von Kitas, Schulen und Spielplätzen gelten. 

SPD, Grüne und FDP haben sich in ihrem Koalitionsvertrag geschrieben, die an Kinder gerichtete Werbung für Ungesundes beschränken zu wollen. Einen Gesetzesentwurf gibt es bislang nicht.

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Das sagt die Lebensmittelindustrie

Die Lebensmittelindustrie sieht die Entwicklung "mit Sorge" und wirft der Regierung vor, "die Menschen in Deutschland erziehen zu wollen". Es gebe keinen Kausalzusammenhang zwischen dem Schauen von Lebensmittelwerbung und der Entstehung von Adipositas. Sinnvoller wäre es, die Menschen zu animieren, einen gesunden Lebensstil zu leben. Dazu gehöre Bildung und Aufklärung von Klein an, damit bereits die Jüngsten lernen, was zu einer ausgewogenen Ernährung gehört und wie sie mit Werbung umgehen müssen, betonte der Spitzenverband der Lebensmittelindustrie am Freitag. (mit dpa)

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