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Ist das Kunst? Keine Galerie, sondern ein Polestar-"Space" in Hamburg. Auch in Berlin geht die Volvo-Tochter jetzt an den Start. Foto: promo

© promo

Vermarktung von Elektroautos: Design-Space statt Autohaus

Zeitgemäßer Vertrieb bringt das Fahrzeug zum Kunden, nicht umgekehrt. Tesla hat es vorgemacht, Polestar und deutsche Autobauer ziehen nach.

Beim Betreten des „Space“ fühlt sich der Besucher an Stanley Kubricks Film “2001 Odyssee im Weltraum“ erinnert. Gleißendes Licht, weißer Boden, weiße Decke, im Zentrum zwei weiße und ein matt-graues Auto, sonst fast nichts. Metall-Schubladen wie Schließfächer, darin Materialien und Komponenten zum „Berühren und Fühlen“. Ein schlichter Tisch mit eingelassenem Bildschirm. Hier kann, wer will, in wenigen Minuten sein Auto konfigurieren und bestellen – einen elektrischen Polestar.

In der Mitte Berlins, in der Neuen Schönhauser Straße, hat der Autobauer, eine Tochter von Volvo, seinen Verkaufsraum, den „Space“, eröffnet. Es ist der siebte und vorerst letzte in Deutschland. Im hippen Herzen der Hauptstadt bietet Polestar Autos wie Designobjekte an. „Wir verabschieden uns von herkömmlichen Autohäusern“, erklärt das Unternehmen. Gelegen in zentraler Lage, ohne Verkaufspersonal, „ohne Druck“. Im Untergeschoss, wo früher Jeans verkauft wurden, gibt es Platz für Events – nach Corona.

Im Gespräch mit Markus König wird deutlich, dass hier nicht alles schöner Schein ist, sondern jemand künftig auch Geschäfte machen will. König ist Volvo- Händler aus Berlin, ein bodenständiger, 100 Jahre alter Familienbetrieb, der als Franchise-Unternehmer den Polestar- Space in Mitte in Eigenregie betreibt, mit eigenem Personal – und auf eigenes Risiko. Verdient wird an Provisionen. „Wir probieren etwas Neues aus“, sagt König.

Nicht alles funktioniert online

Das Auto kommt zum Kunden, nicht umgekehrt. Dabei funktioniert nicht alles online. „Die Leute wollen sich reinsetzen, anfassen, ausprobieren“, sagt die Polestar- Sprecherin. „Und es gibt immer noch viele Fragen rund um die Elektromobilität, das Laden, die Wallbox.“ Auf dem Hof parken Fahrzeuge zum Probefahren. Die beiden Mitarbeiter im Verkaufsraum verstehen sich als Assistenten. Um Rabatte wird hier nicht gefeilscht, bestellt und verkauft wird auf der Website, zum Festpreis.

Das hybride Vertriebskonzept ist nicht ganz neu. Polestar, ein Joint Venture von Volvo und dem chinesischen Autobauer Geely, treibt es nur auf die Spitze. Ein paar Kilometer weiter, in der Mall of Berlin, präsentiert sich Tesla ebenfalls puristisch. Im Autogeschäft hat Tesla vorgemacht, wie man die Early Adopter an das (lange Zeit neue) Thema Elektroauto heranführt. Allerdings versteckt sich der US-Elektropionier eher in einer Ecke des Shopping-Centers, auf deutlich kleinerer Fläche. Am Kurfürstendamm hat Tesla einen weiteren kleinen Showroom.

Die deutschen Autobauer sind zumindest auf bestem Wege und inzwischen oft kreativer als Tesla. Mercedes hat zum Beispiel mit der – coronabedingt – digitalen Premiere der elektrischen S-Klasse EQS deutlich mehr Publikum erreicht als mit einer analogen Veranstaltung. Daimler- Vertriebschefin Britta Seeger spricht von einer „Lernkurve“. Nun rotiert die Werbetrommel für die Luxuslimousine im neuen Wohlfühl-Sound. „Design für die Sinne“ zum Einstiegspreis von 100 000 Euro. Mitte April startete die EQS-Kampagne, die sich bewusst abhebt vom etwas verstaubten Style früherer S-Klasse- Claims. „This is for you, electric pioneers“, spricht Mercedes die neue Zielgruppe an. Natürlich bleibe das physische Erleben des Fahrzeugs „absolut essentiell“, sagte Seeger in einem Interview. Deswegen seien trotz aller Digitalisierung Händler und Showrooms „total wichtig“.

Porsche eröffnet Pop-up Stores

Porsche setzt ebenfalls auf neue Vertriebsideen, bei denen das Auto zum Kunden kommt. Im Zentrum: der elektrische Porsche Taycan. Im vergangenen Jahr wurde in Sindelfingen zusammen mit der Hahn-Gruppe der erste „Pop-up Store“ in Deutschland eröffnet. Mit „Porsche NOW“ wolle man „in einer lockeren, urban gestalteten Atmosphäre“ vermehrt Zielgruppen ansprechen, die bisher wenig Berührungspunkte mit der Marke Porsche hatten oder den Gang zum klassischen Händler scheuen, erklärte der Hersteller. Weitere Pop-up Stores in Innenstädten und Einkaufszentren sollen folgen.

Die Hersteller folgen dem Trend nicht freiwillig. „Die traditionellen Vertriebsmodelle in der Automobilindustrie sind in Gefahr“, analysierte unlängst eine Studie des Beratungsunternehmens Accenture. So geraten komplexe und teure Vertriebsstrukturen ins Wanken. Zu beobachten ist dies beim Stellantis-Konzern. Am Mittwoch kündigte der Opel-Mutterkonzern, der aus der Fusion von PSA und Fiat Chrysler entstand, alle rund 1000 Händlerverträge in Deutschland. Das Vertriebs- und Servicenetz soll effizienter und profitabler werden. Konzernchef Carlos Tavares hofft, mit einheitlichem Direktvertrieb auf digitalen Kanälen die Vertriebskosten senken zu können.

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