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Passanten gehen an einem Modegeschäft am Hackeschen Markt vorbei. Der Textilhandel hat in Berlin besonders große Probleme.

© Carsten Koall/dpa

Umsatz im Einzelhandel bricht ein: FDP will kurzfristig mit verkaufsoffenen Sonntagen helfen

Im Juni sanken die Umsätze im Einzelhandel um 8,8 Prozent – so stark wie seit 28 Jahren nicht mehr. Die Konsumstimmung ist auf einem Tiefpunkt.

Die Menschen in Deutschland haben im Juni deutlich weniger eingekauft als vorher. Inflationsbereinigt fiel der Umsatz der Einzelhändler im Vergleich zum Vorjahresmonat um 8,8 Prozent. Das ist der größte Rückgang seit 28 Jahren. Wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte, sanken die Umsätze auch im Vergleich zum Vormonat preisbereinigt um 1,6 Prozent.

Angesichts steigender Lebenshaltungskosten dürfte der Trend anhalten. „In den kommenden drei Monaten ist vor diesem Hintergrund mit Konsumzurückhaltung zu rechnen“, hieß es vom Handelsverband Deutschland (HDE).

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Nominal – also in absoluten Zahlen und ohne Berücksichtigung der Inflation – sanken die Umsätze im Vergleich zum Vorjahr um 0,8 Prozent. Das bedeutet, die Kunden gaben fast die gleiche Summe wie im Vorjahr aus – wegen der hohen Teuerungsrate von 7,6 Prozent im Juni bekamen sie aber weniger für ihr Geld.

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Die Einzelhändler wiederum müssen ihre drastisch gestiegenen Kosten mit ähnlich hohen Einnahmen wie im Vorjahr decken. Die Differenz zwischen den nominalen und realen Ergebnissen spiegele die hohen Preissteigerungen im Einzelhandel wider, teilten die Statistiker mit.

Die Zurückhaltung der Kunden betrifft fast alle Branchen. Mit einem preisbereinigten Minus von 10,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr traf es den Textilhandel besonders hart. Zwar sind die Sommermonate im Modehandel traditionell umsatzschwach. Doch Axel Augustin, Sprecher des Handelsverbandes Textil Schuhe Lederwaren, erklärte: „Die Leute halten sich auch beim Kauf von Bekleidung zurück.“

27 Prozent befürchten, dass das Geld nicht mehr reicht

Auch zwei Corona-Gewinner bekommen die schlechte Stimmung zu spüren. Im Lebensmittelhandel lagen die Umsätze im Juni real um 7,2 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Im Onlinehandel brachen die Erträge sogar um 15,1 Prozent ein.

Eine Umfrage des HDE untermauert die Krise. Der monatlich erscheinende und auf einer Befragung von 1600 Personen beruhende Konsumklimaindex hat im August einen Allzeittiefstand erreicht, wie der Verband am Montag mitteilte. Die Menschen in Deutschland seien derzeit bei Einkäufen und Anschaffungen so zurückhaltend wie lange nicht mehr, hieß es.

Auch in den kommenden drei Monaten sei mit einer schwachen Konsumstimmung zu rechnen. Erst vor Kurzem hatte eine repräsentative Umfrage des Verbandes ergeben, dass inzwischen mehr als ein Viertel der Bevölkerung (27 Prozent) große Angst hat, mit dem Geld nicht mehr auszukommen.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Reinhard Houben, will den Händlern mit politischen Maßnahmen helfen. „Dem stationären Einzelhandel ist kurzfristig durch mehr verkaufsoffene Sonntage geholfen“, sagte er dem Tagesspiegel.

Handel in Berlin und Brandenburg fordert Klarheit bei Corona-Maßnahmen

Die Steigerung der Kosten für Strom und Wärme führe dazu, dass Konsumenten nicht nur große private Investitionen aufschieben, sondern auch beim täglichem Konsum sparen. Deshalb müsse die Politik weitere Entlastungen auf den Weg bringen.

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„Für die Bundesregierung gilt es durch steuerliche Entlastungen, wie dem Abbau der Kalten Progression, dafür zu sorgen, dass den Bürgerinnen und Bürgern mehr Netto vom Brutto bleibt und ihre Kaufkraft trotz Inflation nicht sinkt“, sagte Houben.

Der Handelsverband Berlin-Brandenburg (HBB) warnte davor, dass die nötige Erholung nach der Coronakrise ausbleiben könnte. „Wir kommen aus einer Krise, die nicht überwunden ist“, sagte HBB-Sprecher Phillip Haverkamp. „Wir sehen die Entwicklung mit Besorgnis und spüren sie auch in Berlin und Brandenburg.“ Bei der Grundversorgung und Lebensmitteln hätten die Kunden versucht zu sparen, indem sie auf Produkte der Eigenmarken der Handelsketten umgestiegen seien.

Doch besonders der Textilhandel steht laut Haverkamp „enorm unter Druck“. Dort hätte es schon in der Coronakrise Rückgänge von bis zu 30 Prozent gegeben. Mit Blick auf eine neue Corona-Welle im Herbst und neue Schutzmaßnahmen fordert der HBB deshalb klare Strukturen, um nicht von weiteren Einschränkungen überrascht zu werden.

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