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Gut gebucht: Bei den Sommerzielen liegt Mallorca vorn.

© imago images/localpic

Tui-Deutschlandchef Stefan Baumert: „Es gibt weniger Last-Minute-Schnäppchen“

Trotz der steigenden Kosten schließt der Reiseveranstalter nachträgliche Preiserhöhungen und Kerosinzuschläge aus. Mehr Flüge von Berlin.

Der Tui-Konzern ist Europas größter Reiseveranstalter. Stefan Baumert ist seit Oktober vergangenen Jahres für das Deutschlandgeschäft zuständig. Die Kunden kommen zurück, sagt er. Auch Malle ist wieder da. Ist also alles wieder so wie vor Corona?

Herr Baumert, die Lebenshaltungskosten steigen, viele Menschen müssen sparen. Tun sie das auch beim Urlaub?
Nein, bisher nicht. Wir sehen einen großen Nachholeffekt. Im Februar lagen die Buchungen über dem Vor-Corona-Niveau - und die Durchschnittsreisepreise auch.
Woran liegt das?
Die Menschen wollen Urlaub nachholen und verreisen länger.. Viele buchen aber auch höherwertigere Zimmerkategorien oder Extras wie Ausflüge. Ich glaube, das bleibt. An Komfort gewöhnt man sich schnell.

Stefan Baumert ist seit einem halben Jahr Chef von Tui Deutschland.
Tui-Deutschland-Chef Stefan Baumert

© promo

Verteuert die Inflation das Reisen?
Bisher schlägt die Preissteigerung noch nicht auf unsere Pauschalreiseangebote durch, die Verträge für den Sommer mit Hotels und Airlines sind ja bereits gemacht. Aber ich denke, dieses Jahr wird es weniger Last-Minute-Schnäppchen geben. Bei den tagesaktuellen Preisen gibt es wegen der hohen Energiekosten kaum Spielraum für Discounts.
Gibt es noch Frühbucherrabatte?
Es gibt noch vereinzelte Angebote bis Ende März. Die Kinderfestpreise, bei denen Kinder ab 99 Euro mitreisen konnten, sind aber Ende Februar ausgelaufen.
Müssen Frühbucher befürchten, dass sie noch nachträglich eine Preiserhöhung bekommen?
Für bereits gebuchte Reisen schließe ich das aus.

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Was ist mit Kerosinzuschlägen?
Die Airlines haben ihren Kerosinbedarf zum Teil gesichert, aber nicht zu 100 Prozent. Ich denke für die Pauschalreise wird es keine direkten Kerosinzuschläge geben, aber die tagesaktuellen Flugpreise werden steigen.
Sind Mietwagen in diesem Sommer genauso teuer wie im vergangenen Jahr?
Mietwagen, aber auch Camper sind knapp und teuer. Die Preise dürften zwar nicht ganz so hoch sein wie im vergangenen Jahr, aber sie liegen deutlich über dem sonst üblichen Niveau. Die Lieferengpässe in der Autoindustrie wirken sich auch auf das Mietwagengeschäft aus. Man sollte unbedingt frühzeitig buchen.

Früher nach Griechenland: Die Saison startet dieses Jahr schon im April, nicht erst im Mai.
Früher nach Griechenland: Die Saison startet dieses Jahr schon im April, nicht erst im Mai.

© Foto: Andrea Warnecke/dpa-tmn

Was gibt eine Familie im Schnitt für Urlaub in den Sommerferien aus?
Eine Woche all-inclusive, für zwei Erwachsene und zwei Kinder geht das bei 2000 Euro los. Die meisten buchen aber für 2500 bis 3500 Euro die Woche - das sind dann Vier-Sterne-Hotels in Spanien oder der Türkei. Für die Mehrheit unserer Gäste ist der Urlaub die größte Investition des Jahres.
Das ist viel Geld. Wer im Februar bucht, weiß nicht, wie die Welt im Juli oder August aussieht. Wie kann man sich absichern?
Man sollte Flextarife buchen. Die kosten nicht viel mehr, aber man kann bis 15 Tage vor Abreise kostenlos stornieren oder umbuchen. Zwei von drei Kunden wählen inzwischen einen solchen Tarif. Die Menschen möchten flexibel reagieren können.

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Ist die Reisesehnsucht größer als die Angst vor Corona oder dem Krieg?
Nach zwei Jahren Corona scheint die Pandemie beherrschbar zu sein. Im Moment gibt es ja kein Land, das in Deutschland als Hochrisikogebiet eingestuft ist. Das heißt kein Reiserückkehrer muss derzeit in Quarantäne. Die Kriegsnachrichten sind aber natürlich sehr bedrückend. Bisher wirkt sich der Krieg, den wir auf das Schärfste verurteilen, aber nicht auf das Buchungsverhalten aus.
Die Reiseregeln sind von Land zu Land unterschiedlich. Brauchen wir zumindest in der EU einheitliche Vorschriften?
Ja. Die Menschen brauchen Planungssicherheit. Je einheitlicher, desto besser, zumindest in der EU.
Der Osterurlaub steht vor der Tür. Gibt es Ziele, die jetzt schon ausgebucht sind?
Ostern ist sehr gut gebucht. Wir haben 120 zusätzliche Flüge mit Tuifly nach Mallorca, Ägypten, Türkei und die Kapverdischen Inseln aufgelegt. Bestimmte, besonders begehrte Zimmer sind eigentlich weg, aber es gibt noch genügend Angebote.
Wohin reisen die Menschen?
Auf die Kanaren, nach Ägypten, und wegen der guten Skibedingungen buchen viele jetzt auch noch kurzfristig Österreich. Für Griechenland haben wir den Saisonstart von Mai auf April vorgezogen.
Im Sommer wollen die meisten nach Mallorca, Haben sie nach zwei Jahren die Nase vom Deutschland-Urlaub voll?
Nein, beides ist gut gebucht. Die deutschen Küsten sind ja jeden Sommer voll. Voller als voll geht nicht. Aber Mallorca ist zurück.
Also alles wieder auf Anfang?
Nein, Mallorca verändert sich und will weg vom Partytourismus. Am Ballermann und in Magaluf dürfen die Hotels keine Alkohol-Flatrates mehr anbieten. Was die Reiseziele angeht, sehen wir eine Rückkehr zu den Evergreens.
Hat Corona nichts verändert?
Doch die Menschen legen mehr Wert auf Sicherheit, Flexibilität und Information. Man muss ja ständig auf dem Laufenden bleiben, welche Corona-Regeln für die Einreise und den Urlaub vor Ort gelten.
Bieten Sie noch Ihre Covid-Versicherung an, die bei einer Infektion am Urlaubsort hilft?
Die Versicherung, die wir über einen externen Partner eingekauft haben, gibt es so nicht mehr, denn wir haben die wichtigsten Bestandteile in unser kostenloses "Tui-Protect" überführt und den Schutz erweitert. Wenn man vor Ort in Quarantäne muss, organisieren wir den Rückflug und bezahlen die Mehrkosten. Wer in den letzten zwei Wochen vor Abreise einen positiven Test hat und in Quarantäne muss, bekommt von uns einen Teil der Stornokosten ersetzt.

Freie Plätze in der Türkei: Bleiben dieses Jahr die Touristen aus Russland weg?
Freie Plätze in der Türkei: Bleiben dieses Jahr die Touristen aus Russland weg?

© Marius Becker/dpa

Warum fliegt Tuifly nicht vom BER? Haben Sie Angst vor Chaos?
Wir konzentrieren uns in Deutschland auf fünf Abflughäfen, Berlin ist nicht dabei. Am BER gibt es ein starkes Angebot von Low-Cost-Carriern und die Kaufkraft in Berlin ist nicht so hoch wie etwa in Düsseldorf oder München, die Tuifly anfliegt. Außerdem kommen wir in Berlin schnell in Schwierigkeiten, wenn Flüge aus unseren Sommerbadezielen verspätet sind und das Nachtflugverbot näher rückt. Wir reservieren für unsere Berliner Kunden exklusive Kontingente bei anderen Airlines, etwa bei Eurowings und Easyjet. Wir haben dieses Jahr so viele Plätze für Berlin eingekauft wie noch nie.
Was heißt das konkret?
Es sind 30 Prozent mehr als 2019. Wir haben 230.000 Flüge eingekauft, für 115.000 Urlauber. Unsere Gäste fliegen ja nicht nur hin sondern meistens auch zurück. Jetzt hoffen wir, dass die Berliner das auch buchen.
Deutsche Airlines dürfen nicht über Russland fliegen. Was heißt das für deutsche Urlauber?
Betroffen wären Ziele in China oder Japan, aber für deutsche Reisende die an beliebte Strände in Thailand oder auf Bali reisen, ändert sich nichts.
Bieten Sie noch Ziele in Russland an?
Es ist alles gestrichen. Wir hatten allerdings sowieso keine Städtereisen in Russland im Programm, Tui Cruises hatte aber Kreuzfahrten nach St. Petersburg angeboten. Die Route wird jetzt verlegt, auch wenn manche Reisende das bedauern.
Russen und Ukrainer reisen traditionell gern in die Türkei. Bleiben dort jetzt Betten frei und können Bundesbürger hier auf Last-Minute-Schnäppchen hoffen?
Es kann sein, dass sich viele Russen wegen des Verfalls des Rubels keinen Urlaub leisten können. Außerdem kann es sein, dass russische Airlines nicht mehr auf Flugzeuge zurückgreifen können, die sie bei westlichen Gesellschaften geleast haben. Der Spielraum bei den Preisen ist aber beschränkt. Die Inflation liegt in der Türkei bei 50 Prozent, der Kursverfall der türkischen Lira fängt das nicht ganz ab. Ich will aber nicht ausschließen, dass wir mehr Kontingente in der Türkei bekommen.

Der einstige Tui-Großaktionär, der Russe Alexej Mordashov, steht auf der Sanktionsliste und hat seine Beteiligungen neu geordnet. Die neuen Verhältnisse zu überblicken, ist schwierig.
Der einstige Tui-Großaktionär, der Russe Alexej Mordashov, steht auf der Sanktionsliste und hat seine Beteiligungen neu geordnet. Die neuen Verhältnisse zu überblicken, ist schwierig.

© dpa/Swen Pförtner

Ohne die Milliarden des russischen Großaktionärs Alexej Mordashov hätte der Tui-Konzern die Coronakrise womöglich nicht überlebt. Jetzt steht Mordashov auf der Sanktionsliste und hat seine Beteiligungen neu geordnet. Wie wichtig ist es für den Konzern, dass er bei der Stange bleibt?
Unsere Liquidität ist heute sehr gut, wir verfügen über drei Milliarden Euro Cash. Das Geschäft ist zurück und wir erwarten einen sehr guten Sommer. Herr Mordashov ist seit 15 Jahren Aktionär und hat auch in der Pandemie beide Kapitalerhöhungen begleitet. Er hat den Aufsichtsrat nach den Sanktionen verlassen. Er hält jetzt weiter 4,1 Prozent. Die restlichen 29 Prozent werden nach den der TUI vorliegenden Stimmrechtsmitteilungen nicht mehr von ihm kontrolliert.
Was hat die Staatshilfe des Bundes bislang gekostet?
Der Großteil der Finanzhilfe besteht aus verzinsten Kreditlinien. Wir haben in 2021 einschließlich der Optionsanleihe insgesamt rund 140 Millionen Euro Zinsen gezahlt. Und es werden noch mehr.. Ich denke, der Staat hat das Geld der Steuerzahler mit der Unterstützung für uns vermehrt. Und wir waren wirklich dankbar für die Hilfe.

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