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Kampf um die Zinsen: Viele Versicherer werben mit höheren Renditen, wenn Kunden auf Garantien verzichten.

© Getty Images/erhui1979

Trotz Niedrigzinspolitik der EZB: Lebensversicherer versprechen stabile Zinsen

Marktführer Allianz Leben kündigt Gesamtverzinsung von bis zu 3,2 Prozent an. Verbraucherschützer warnen: In Wirklichkeit bekommen Kunden weniger.

Trotz der weiter anhaltenden Zinsflaute und der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) können Lebensversicherungskunden auch im kommenden Jahr mit einer stabilen Verzinsung ihrer Verträge rechnen. Die Branchenführerin Allianz Leben teilte am Montag mit, die Überschussbeteiligung ihrer klassischen Garantiepolicen bei 2,3 Prozent zu halten. Bei Produkten, die keine feste Verzinsung mehr für die gesamte Vertragslaufzeit vorsehen, beträgt die laufende Verzinsung 2,4 Prozent. Die Gesamtverzinsung, die Kunden bekommen, deren Vertrag im nächsten Jahr ausläuft, liegt höher. Sie enthält auch eine Schlussüberschusszahlung und die Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven.

Bei der klassischen Lebens- und Rentenversicherung zahlt die Allianz Leben eine Gesamtverzinsung von 2,9 Prozent und bei den kapitalmarktnahen Lebensversicherungen von 3,2 Prozent. „Dass wir bei einem Nullzinsumfeld eine Gesamtverzinsung von 2,9 beziehungsweise 3,2 Prozent erreichen, ist eine Leistung“, sagte Volker Priebe, Produkt- und Privatkundenvorstand der Versicherung, dem Tagesspiegel. „Dass wir das schaffen, liegt am hohen Anteil chancenorientierter Kapitalanlagen. Damit zahlen sich unsere neuen Garantiemodelle aus.“

Was die Versicherer versprechen

Die Allianz Leben ist unangefochtene Marktführerin im Lebensversicherungsgeschäft. Viele Anbieter richten sich nach den Zahlen der Stuttgarter. Einige Wettbewerber haben allerdings schon in den vergangenen Tagen ihre Überschussbeteiligungen festgelegt: Bei der Axa Leben sind es 2,6 Prozent, bei der Nürnberger und der Swiss Life 2,25 Prozent. Die Berliner Ideal sticht erneut mit einer laufenden Verzinsung von drei Prozent aus dem Feld heraus.

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Die Allianz Leben setzt – wie in der Branche üblich – zunehmend auf Lebensversicherungen, die den Kunden keinen festen Zins mehr für die Vertragslaufzeit versprechen. Selbst die hundertprozentige Rückzahlung der eingezahlten Beiträge wird bei den Tarifen „Perspektive“, „KonfortDynamik“ und „InvestFlex“ nicht mehr garantiert. Je nach Tarif werden nur noch 60, 80 oder 90 Prozent Kapitalerhalt vertraglich zugesichert. Je weniger Zins- und Beitragsgarantien ein Versicherer abgibt, desto weniger Kapital muss er für diese Garantien zurücklegen und desto freier ist er in der Kapitalanlage.

Massenprodukt: Rund 86 Millionen Lebensversicherungsverträge gibt es in Deutschland.
Massenprodukt: Rund 86 Millionen Lebensversicherungsverträge gibt es in Deutschland.

© Jens Büttner/picture alliance /dpa

Den Kunden werden höhere Renditen in Aussicht gestellt. Von den 323 Milliarden Euro Kapitalanlagen der Allianz Leben steckt inzwischen rund ein Drittel in nicht börsennotierten Anlagen wie Immobilien, Infrastruktur und Unternehmensbeteiligungen. Jeder zweite neu geschlossene Vertrag entfällt bei der Allianz mittlerweile auf solche flexiblen Verträge.

Verbraucherschützer: Zinsversprechen nicht wörtlich nehmen

Axel Kleinlein, Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten, warnt Verbraucher aber davor, die versprochene Verzinsung wörtlich zu nehmen. „Die 3,2 Prozent Gesamtverzinsung gibt es nur auf den Sparanteil der Versicherungsprämie“, sagte der Verbraucherschützer dem Tagesspiegel. „Die wirkliche Verzinsung ist viel niedriger.“ Kleinlein forderte die Versicherungsbranche auf, transparenter zu werden und den Kunden reinen Wein einzuschenken. Alles andere sei eine „Irreführung“.

Der Garantiezins sinkt auf 0,25 Prozent

Die private Altersvorsorge befindet sich in einem grundlegenden Wandel. Der Garantiezins, der den Kunden für die gesamte Laufzeit sicher ist, sinkt und verliert an Bedeutung. Während sich Vorsorgesparer bei Lebensversicherungen, die vor dem Jahr 2000 abgeschlossen worden sind, noch heute über eine jährliche Garantieverzinsung von vier Prozent freuen können, bekommen Neukunden derzeit nur noch einen Garantiezins von 0,9 Prozent. Für Verträge, die ab Januar 2022 geschlossen werden, sind es nur noch 0,25 Prozent.

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Konsequenzen hat das vor allem für das Riester-Geschäft. Da bei der staatlich geförderten Altersvorsorge alle eingezahlten Beiträge zu 100 Prozent garantiert sind und die Versicherer mit dem gesenkten Zins Probleme haben, profitabel zu arbeiten, bieten viele Gesellschaften keine neuen Verträge an.

Die Allianz hält an dem Produkt fest. „Allerdings nicht mehr in allen Modellen, sondern nur noch im Rahmen der Perspektive-Verträge“, kündigte Priebe an. Angesichts des sinkenden Garantiezinses ab 2022 sei das derzeit die einzige Möglichkeit.

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