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Günstig ins Internet? Das geht oft nur, wenn man sich lange bindet.

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Telefon, Fitness, Strom, Partnersuche: Zwei-Jahres-Verträge sollen auch in Zukunft erlaubt sein

Fast ein Jahr lang haben Justiz- und Wirtschaftsministerium über faire Verbraucherverträge gestritten. Jetzt gibt es einen Kompromiss.

Was viele nicht mehr für möglich gehalten haben, ist jetzt doch geschehen: Nach fast einem Jahr haben Bundeswirtschafts- und -justizministerium ihren Streit über ein Gesetz zu fairen Verbraucherverträgen beigelegt. Am Mittwoch wird das Kabinett den Entwurf von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) verabschieden, erfuhr der Tagesspiegel am Dienstag aus Regierungskreisen.

"Wir machen Schluss mit unfairen Vertragslaufzeiten, und wir machen Schluss mit Überrumpelung am Telefon", hatte Lambrecht kürzlich bei der Haushaltsdebatte im Bundestag angekündigt. Verbraucherinnen und Verbraucher müssten darauf vertrauen können, "dass sie nicht über den Tisch gezogen werden". Nun soll das per Gesetz sichergestellt werden.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte eigentlich mehr gewollt.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte eigentlich mehr gewollt.

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Das neue Gesetz will gleich mit einer Vielzahl von Geschäftsmethoden aufräumen, die Verbraucher benachteiligen. Viele Menschen leiden darunter, dass ihnen am Telefon teure Gas- oder Stromlieferverträge aufgeschwatzt werden, die sie eigentlich gar nicht wollen. Künftig sollen solche Verträge erst dann wirksam werden, wenn die Kundinnen oder Kunden sie im nachhinein schriftlich bestätigen.

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Internetportale werden gestärkt

Rückenwind soll das neue Gesetz auch der wachsenden Branche von Internetdienstleistern geben, die Kunden bei Problemen mit Vermietern, Fluggesellschaften oder Arbeitgebern helfen. Solche Legal Techs wie wenigermiete.de lassen sich dabei die Ansprüche der Verbraucher abtreten und gehen dann gegen die Anbieter vor. Diese versuchen, das zu verhindern, indem sie im Kleingedruckten Abtretungen untersagen. Solche Abtretungsausschlüsse sollen künftig unwirksam sein, wenn es sich - wie in den meisten Fällen - um Geldforderungen handelt, steht im Entwurf.

Lambrecht wollte 24-Monats-Verträge verbieten

Dreh- und Angelpunkt der Reform ist jedoch die Frage, wie lange Fitnessstudios, Partnervermittler oder Telefonfirmen Verbraucher vertraglich an sich binden dürfen. Das Problem: Günstige Tarife oder das neue, billige Smartphone als Beigabe gibt es fast nur, wenn man sich für 24 Monate bindet. Doch selbst dann ist oft nicht Schluss. Denn bislang gilt, dass sich Zwei-Jahres-Verträge automatisch um ein weiteres Jahr verlängern können, wenn die Kunden nicht drei Monate vorher kündigen. Viele vergessen das jedoch und bleiben in ihrem alten Vertrag, obwohl es längst bessere Angebote gäbe.

Jeder vierte Kunde, ergab eine kürzlich veröffentlichte Umfrage des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) hatte in den vergangenen zwei Jahren Probleme mit ungewollten Vertragsverlängerungen. Ein Fünftel der Befragten hat Verträge abgeschlossen, die sie in der Form gar nicht wollten.

Stromverträge, die am Telefon geschlossen werden, sollen künftig vom Kunden schriftlich bestätigt werden müssen.
Stromverträge, die am Telefon geschlossen werden, sollen künftig vom Kunden schriftlich bestätigt werden müssen.

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Eigentlich hatte Lambrecht 24-Monats-Verträge ganz verbieten wollen. Fitnessstudios oder Energielieferanten sollten maximal Verträge über ein Jahr anbieten dürfen. Eine automatische Verlängerung sollte für höchstens drei Monate möglich sein, die Kündigungsfrist auf einen Monat reduziert werden. So stand es in ihrem Eckpunktepapier.

Doch der Union und dem CDU-geführten Bundeswirtschaftsministerium ging das zu weit. Längere Verbraucherverträge seien nicht per se schlecht, gibt etwa der verbraucherpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak, zu bedenken. Kunden würden in Form von niedrigen Preisen und Treuerabatten profitieren. Und während das Bundesjustizministerium lange Verträge verbieten wollte, hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in seiner geplanten Reform des Telekommunikationsgesetzes (TKG) verankert, dass für Telefon und Internet Zwei-Jahres-Verträge weiterhin möglich sein sollen. Die Firmen sollen so Planungssicherheit bekommen, um den dringend benötigten Ausbau von Gigabitnetzen bewältigen zu können.

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Zwei-Jahres-Verträge sollen nun doch bleiben

Nach elfmonatigen Verhandlungen haben sich die Ministerien nun auf einen Kompromiss geeinigt. Danach sollen 24-Monats-Verträge auch weiterhin zulässig sein. Eine Vertragslaufzeit von einem bis zu zwei Jahren soll aber nur dann erlaubt sein, wenn Verbraucher für dieselbe Leistung auch einen kürzeren Vertrag von bis zu einem Jahr bei demselben Anbieter abschließen können. Dieser Vertrag darf höchstens 25 Prozent teurer sein. Eine entsprechende Regelung ist jetzt auch für das Telekommunikationsmodernisierungsgesetz vorgesehen.

Soll sich der Vertrag automatisch um drei Monate bis zu einem Jahr verlängern, muss das Unternehmen den Kunden vorwarnen. Das soll frühestens vier und spätestens zwei Monate vor Vertragsende geschehen. Die Kündigungsfrist reduziert sich auf einen Monat.

Verbraucherschützer sind enttäuscht

Verbraucherschützer hatten sich mehr erhofft. "Sollte die Regelung zu den Erstvertragslaufzeiten genauso lauten wie im aktuellen Entwurf zum Telekommunikationsmodernierungsgesetz, wäre keine wirkliche Erleichterung für Verbraucherinnen und Verbraucher geschaffen", sagte der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Klaus Müller, dem Tagesspiegel. "Damit wären 2-Jahres-Verträge weiter möglich und nur Verbraucher mit größerem Budget könnten sich kürzere Verträge leisten". Eine faire Lösung für alle sähe anders aus, kritisiert Müller. "Dabei sollten gerade in der Corona-Krise alle Verbraucher vor ungewollten Kosten geschützt werden, vor allem die finanzschwachen Verbraucher."

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