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Kilometerlange Rohre, in denen Rohöl aus Russland in die Destillationsanlage und den Visbreaker in die «Total»- Erdölraffinerie in Leuna (Sachsen-Anhalt) transportiert werden, aufgenommen am 12.03.2014. Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa (zu dpa-Zusammenfassung: "Abhängigkeit deutscher Exporteure von Russland ist überschaubar" vom 03.04.2014) +++(c) dpa - Bildfunk+++

© DPA

Steuer auf Handel mit Öl und Gas: So lässt sich die Energiepreis-Explosion stoppen

Eine Besteuerung des Hochfrequenzhandels von Öl und Gas würde Spekulation eindämmen, Preissprünge verhindern und sozialen Frieden sichern. Ein Gastbeitrag.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine kennen die Energiepreise nur noch eine Richtung: nach oben. Doch warum eigentlich? Das Angebot von Erdöl und Gas ist seit Kriegsbeginn nicht gesunken.

Russland liefert sogar etwas mehr Gas als zuvor. Zudem ist der Winter vergleichsweise mild und ohnehin bald vorbei. Trotzdem spielen die Preise verrückt. Der Verdacht liegt nahe: Spekulanten befeuern die Preise auf den Öl- und Gasmärkten ordentlich.

Bereits im Oktober 2021 hat die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor dem Europäischen Parlament die hohe Spekulation beklagt. Sie bekundete gleichzeitig den Willen der EU-Kommission, diese durch eine verstärkte Überwachung der Gas- und Energiemärkte beenden zu wollen. Das Ausmaß der Spekulation zeigte auch der Preissturz des Gas-Terminkontraktes Dutch TTF für die Februar-Lieferung 2022 über die Jahreswende.

Dieser für den europäischen Gaspreis entscheidende Terminkontrakt verlor zwischen dem 22. Dezember 2021 und dem 3. Januar 2022 mehr als 50 Prozent seines Wertes und sank von 176 Euro auf 80 Euro. Plötzlich bessere Aussichten auf die Anlieferung von Flüssiggas in die EU und die auf milderes Wetter hoffen lassende Wetterprognose genügten für den Absturz.

Spekulationen ein wirksames Mittel entgegensetzen

Der Krieg in der Ukraine hat die Preissprünge an den Energiemärkten nun noch einmal drastisch verschärft. Doch wenn reale Knappheitsschocks nicht auszumachen sind, dann treiben offenbar Spekulantinnen und Spekulanten die Preise hoch. Es ist dringender denn je, der Spekulation ein wirksames Mittel entgegenzusetzen. Die Finanztransaktionssteuer wäre ein solches wirksames Mittel. Neben den Einnahmen aus der Besteuerung der Kontrakte verspricht sie auch eine positive Lenkungswirkung.

Claudia Kemfert, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW, fordert eine Transaktionssteuer auf Energiehandel.
Claudia Kemfert, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW, fordert eine Transaktionssteuer auf Energiehandel.

© imago images/Metodi Popow

Eine Finanztransaktionssteuer auf den Handel mit Energiederivaten mindert den Gewinn auf jeder Handelsstufe. Der Anreiz, Terminkontrakte wie den Dutch TTF schnell und zu immer höheren Preisen zu kaufen und zu verkaufen, wird eingedämmt und der Preisauftrieb gedämpft. Der Hochfrequenzhandel hat längst die Energiemärkte erobert. Er rentiert sich nur, weil exzessiv hohe Handelsvolumina in unendlicher Geschwindigkeit bewegt werden können. Ein Mehrwert entsteht dabei nicht.

Der „normale“ Hochfrequenzhandel mit Wertpapieren und Derivaten steht im Verdacht, unerklärliche Börsenabstürze, sogenannte Flash-Crashs, zu verursachen. Den hochfrequenten Maschinenhandel mit Energiederivaten würde eine Finanztransaktionssteuer ziemlich sicher ausbremsen, weil die Handelsgewinne pro Transaktion sehr klein sind. Sie könnten auf null gesenkt und der Maschinenhandel so verhindert werden.

Es würde dem sozialen Frieden helfen

Hohe Ausgaben für Heizen und Mobilität treffen diejenigen am stärksten, die niedrige Einkommen haben. Reichere Haushalte ärgern sich zwar sicher ebenfalls über die hohen Energiepreise, aber sie sind durch diese nicht existentiell bedroht. Wirksam gegen die Finanzspekulation auf den Energiemärkten vorzugehen, ist folglich auch ein Mittel, um den sozialen Frieden im Land zu wahren.

Dorothea Schäfer meint, eine Steuer auf Hochfrequenzhandel von Energie würde sozialen Frieden sichern.
Dorothea Schäfer meint, eine Steuer auf Hochfrequenzhandel von Energie würde sozialen Frieden sichern.

© DIW

Die Profiteure der Finanzspekulation auf den Energiemärkten sind die Händler und Aktionäre der Handels- und beteiligten Finanzunternehmen. Die Finanztransaktionssteuer könnte deren Gewinne zumindest teilweise abschöpfen.

Je mehr die Akteure handeln und zum Preisauftrieb auf den Energiemärkten betragen, desto stärker werden sie zur Kasse gebeten. Umgekehrt werden auf längere Sicht angelegte einmalige Absicherungsgeschäfte von einer Finanztransaktionssteuer mit einem kleinen Steuersatz kaum getroffen.

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Die Einnahmen aus der Besteuerung des spekulativen Handels im Energiebereich würden den Spielraum des Staates erweitern, der unter den Bedingungen der Schuldenbremse durch die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine stark eingeschränkt ist.

Mit den Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer könnten beispielsweise der ÖPNV und die Bahn verbilligt und die energetische Sanierung vorangetrieben werden. Um möglichst schnell wegzukommen von den fossilen Energien, muss das Energiesparen und der Ausbau erneuerbarer Energien staatlich besonders gefördert werden.

Finanztransaktionssteuer als Reaktion auf die Finanzkrise

Die EU-Kommission hat den Mitgliedsländern im September 2011, damals unter dem Eindruck der Weltfinanzkrise und den zutage getretenen Exzessen auf den Finanzmärkten, die Einführung einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer vorgeschlagen.

In den Jahren danach hat die Armada der Lobbyisten, gepaart mit der relativen Ruhe auf den Finanzmärkten, erfolgreich die Umsetzung sowohl des ursprünglichen Vorschlags wie auch der später angestrebten verstärkten Zusammenarbeit von zehn EU-Staaten, die eine Finanztransaktionssteuer einführen wollten, verhindert.

Die Verhandlungen wurden zwar offiziell nie abgebrochen, ein Durchbruch ist aber ebenso wenig gelungen. Die Turbulenzen auf den Energiemärkten und deren soziale Folgen sind ein Weckruf.

Die EU kann den spekulativen Handel auf den Energiemärkten durch eine rasche Einführung der Finanztransaktionssteuer zurückdrängen. Der EU-Vorschlag sah im Derivatehandel für jeden Vertragspartner einen Steuersatz von 0,01 Prozent des Nominalwertes vor. Dieser Satz könnte auch im Handel mit Energiederivaten gelten.

Claudia Kemfert ist Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am DIW Berlin und Professorin an der Leuphana Universität Lüneburg. Dorothea Schäfer ist Forschungsdirektorin für Finanzmärkte am DIW Berlin und außerordentliche Professorin an der Jönköping Business School (Schweden).

Claudia Kemfert, Dorothea Schäfer

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