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Etliche Pakete mit online gekauften Produkten werden ausgeliefert.

© AFP

Singles Day Sale in China: Shoppen, um sich aufzuheitern

Chinas größter Schnäppchentag wird dieses Jahr als wichtiger Indikator gesehen, wie es um das Vertrauen der Verbraucher steht - trotz der Corona-Pandemie.

Die Stimmung ist angeheizt. Alle paar Minuten kommen per Smartphone Nachrichten über neue Angebote, bei denen man unbedingt zugreifen soll. So geht es schon seit Ende Oktober. Jedes Jahr aufs Neue stellt Alibaba, Chinas größter E-Commerce-Händler, mit seinem Singles Day Sale am 11.11. neue Verkaufsrekorde auf. Dass die Kauflaune der Konsumenten in China durch die Folgen der Corona-Pandemie getrübt sein könnte, daran besteht offensichtlich kaum Sorge. 

Aber, die Verkäufe am Singles Day sind so etwas wie ein Konjunkturbarometer. Ob die Wirtschaft wächst oder nicht, hängt auch mit dem Konsum der 1,4 Milliarden Einwohner des Landes zusammen. Viele chinesische Unternehmen erzielen am Singles Day Umsätze, die mehr als die Hälfte ihres Jahresumsatzes ausmachen. Doch 24 Stunden reichen dazu nicht mehr, sodass von Alibaba dieses Jahr ein weiteres Rabattschlacht-Zeitfenster schon vom 1. bis 3. November angeboten wurde. Taobao Live, die Live-Streaming-Plattform von Alibaba, verzeichnete in den ersten 30 Minuten der Vorverkaufskampagne vergangene Woche Transaktionen im Wert von rund 7,5 Milliarden US-Dollar. Das ist mehr als Amazon, vergangenes Jahr am Black Friday erzielt hatte. 

Reinigungsmittel und Tierfutter aus dem Ausland

Groß war die Nachfrage vor allem bei Kosmetika, Reinigungsmitteln und Tierfutter aus dem Ausland, so Alibaba. Über 2000 Marken nehmen dieses Jahr beim Singles Day zum ersten Mal teil. Bei den über 200 neuen Luxusmarken dieses Jahr, sind Montblanc, und die Schweizer Schmuck- und Uhrenhersteller Piaget und IWC Schaffhausen zum ersten Mal dabei. Die Luxusmarke Cartier veranstaltete ihre erste Schmuckshow auf Taobao Live auch schon während der Vorverkaufstage und pries dabei ein Collier im Wert von 90 Millionen Yuan (etwa 28 Millionen Dollar) an, während sich 770.000 Zuschauer die zwei-Stündige-Verkaufsshow ansahen. 

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Ein Drittel des globalen Luxuskonsums wird bereits von Chinesen getätigt. In den kommenden Jahren wird ihr Anteil laut Branchenkennern auf 50 Prozent steigen. Um dieses Potenzial zu nutzen, haben Alibaba und das Luxushaus Richemont aus Genf erst am Freitag vergangener Woche verkündet, dass sie jeweils 300 Millionen Dollar für eine Beteiligung an der Luxusplattform Farfetch zahlen wollen und zusätzlich noch 500 Millionen Dollar, um 25 Prozent Anteile an dem Joint-Venture der chinesischen Tochter von Farfetch zu bekommen. „Um Luxusmarken einen verbesserten Zugang zum chinesischen Markt zu ermöglichen und die Digitalisierung der globalen Luxusindustrie zu beschleunigen“, so kommentierte Alibaba die „strategische Partnerschaft“.  

"Racheausgaben" während des Lockdowns

Chinesische Verbraucher haben in den vergangenen Monaten, auch aufgrund der weltweiten Reisebeschränkungen, immer mehr Luxus-Einkäufe ins Internet verlegt. Während des Lockdowns im Land kursierte nach ein paar Wochen der Begriff „Racheausgaben“ in den sozialen Netzwerken. Gerade junge Konsumenten haben nach einem Ventil für die Zeit des Lockdowns gesucht und dabei vor allem Luxusmarken geshoppt, um ihre Stimmung aufzuheitern. 

Coronavirus: Die Karte der Ausbreitung
Coronavirus: Die Karte der Ausbreitung

© Leaflet | Map Tiles

Auch wenn Lipgloss oder Vitamintabletten nicht im Luxuspreissegment mitspielen, sie verkörpern immerhin den Wunsch nach Schönheit und Gesundheit. Gerade Produkte von mittelständischen und kleineren Unternehmen aus Deutschland in diesem Marktsegment erfreuten sich zuletzt großer Nachfrage bei den Chinesen und nutzen vermehrt sogenannte KOLs (Key Opinion Leaders), um ihre Produkte zu vermarkten.  

Das deutsche Kosmetikunternehmen Cosnova (Marken wie Essence und Catrice gehören dazu), konnte dieses Jahr bei einer Rabattaktion in China die Umsätze gegenüber dem Vorjahr um 25 Prozent steigern. Cosnova, wie auch Doppelherz, sehen dabei gleich zwei Vorteile der TMall-Plattform von Alibaba. Zum einen als effektives Markteintrittswerkzeug, zum anderen bei der Nutzung von deren Zahlungs- und Logistikdienstleistungen. 

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„TMall Global ist unser größtes Geschäft in China, und wir erwarten nicht, dass sich dies bald ändern wird“, sagte Axel Jürgensen, Exportleiter bei Doppelherz. Jürgensen sagte, die Partnerschaft zahle sich vor allem bei Verkaufsveranstaltungen wie dem 11.11. Global Shopping Festival und dem TMall Super Brand Day aus, wenn ein LKW nach dem anderen das Werk in Flensburg verlässt und nach China fährt. 

Verbraucher wollen ihren Lebensstil verbessern

Karl Wehner, Geschäftsführer der Märkte Deutschland, Österreich und der Schweiz bei der Alibaba Group erklärt dies damit, dass „dank einer neuen Klasse digitaler deutscher Marken, die durch E-Commerce eine starke Präsenz in China aufbauen“, natürlich auch eine stärkere Nachfrage in China entsteht. „Chinas schnell wachsende und wohlhabende Mittelschicht bringt junge Verbraucher mit unterschiedlichen Bedürfnissen an den Markt“, betonte Wehner. „Diese Verbraucher wollen ihren Lebensstil verbessern, und deutsche Marken sind besonders attraktiv, da sie für hohe Qualitäts- und strenge Fertigungsstandards stehen.“ 

Alibaba wird in vielerlei Hinsicht von seinen Partnerschaften mit den Händlern weltweit profitieren, seien es die Gebühren, die bei den Transaktionen der Schnäppchen-Einkäufe über seine Bezahl-App Alipay anfallen. Firmengründer Jack Ma wird dies ein kleiner Trost sein, nachdem die chinesischen Regulierer vergangene Woche den Börsengang des Finanzarms Ant Group von Alibaba kurzfristig auf Eis gelegt hatten. 

Der Dominanz von Ma im E-Commerce-Sektor kann die chinesische Regierung jedoch kaum mehr den Riegel vorschieben. Der Konsum, der dadurch erst entstehen konnte, ist gleichzeitig einer der wichtigsten Grundlagen für die neue duale Wirtschaftspolitik der Partei, die dadurch versucht den chinesischen Binnenmarkt zu stärken. 

Ning Wang

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