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Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur

© Thilo Rückeis/Tsp

Exklusiv

Scheuer zahlt ordentlich drauf: Doppelspitze beim „Funklochamt“ dreimal so teuer wie geplant

Die Kosten für gleich zwei Chefs bei der Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft werden deutlich teurer. Der Rechnungshof hält die ganze Firma für unwirtschaftlich.

Mit ihrer Arbeit, „weißen Flecken“ in der Mobilfunkversorgung in Deutschland zu schließen, hatte die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG) noch gar nicht begonnen, da hatte sie schon ihren wenig schmeichelhaften Spitznamen weg: „Funklochamt“.

Grund zum Spott liefert sie auch jetzt, ein Jahr nach dem Start. Allein die Personalkosten für die Doppelspitze sind auf gut das Dreifache der ursprünglich geplanten Summe gestiegen. So erhält MIG-Geschäftsführer Ernst Ferdinand Wilmsmann ein Bruttojahresgehalt von 162.000 Euro. Plus Versorgungsansprüche, Umzugskosten, Unfallversicherung und Dienstwagen. Das geht aus einer Aufstellung des zuständigen Bundesverkehrsministeriums hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Als zweiter Großverdiener an der Spitze kommt Burkhard Mende mit einem Salär von 190.000 Euro dazu. Ebenfalls plus Versorgungsansprüche, Umzugskosten, Unfallversicherung und Dienstwagen. Somit erhält die Doppel-Geschäftsführung 352.000 Euro.

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Dabei waren eigentlich erheblich geringere Kosten geplant: In einem hauseigenen – nicht öffentlichen Gutachten des Ministeriums von Andreas Scheuer (CSU), das dem Tagesspiegel vorliegt – hatten die eigenen Berater zunächst mit Kosten von nur 100.000 Euro für die Geschäftsleitung gerechnet. Hier waren sie auch von nur einem Geschäftsführer ausgegangen. Stattdessen fällt nun aber durch die zwei Geschäftsführer mit jeweils höheren Gehältern eine Kostensteigerung von in Summe 252.000 Euro an.

Und nicht nur das: Schon vergangenes Jahr war bekannt geworden, dass laut der finalen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für das Verkehrsministerium durch die von der Regierung favorisierte Variante der MIG als Tochter-GmbH der bundeseigenen Maut-Firma Toll Collect (TC) pro Jahr Kosten von 10,5 Millionen Euro anfallen. Aber eine Integration der MIG in die für Mobilfunk zuständige Bundesnetzagentur wäre etwa 350.000 Euro günstiger gewesen. Nun kommen zu dieser Summe noch die Mehraufwendungen für gleich zwei Geschäftsführer in Höhe von 252.000 Euro oben drauf.

In luftiger Höhe arbeiten zwei Männer in Hamburg an einem Mobilfunkmast
In luftiger Höhe arbeiten zwei Männer in Hamburg an einem Mobilfunkmast

© Daniel Reinhardt / picture alliance / dpa

„Die Wirtschaftlichkeit des ganzen Projektes interessiert Minister Scheuer ebenso wenig wie seine eigenen Berechnungen“, sagt der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler dem Tagesspiegel. „Wie schon beim Pkw-Maut-Desaster sind die Kosten für dieses CSU-Prestige-Projekt Scheuer völlig egal. Statt dieses ganzen neuen Funklochamtes hätten die 100 neuen Stellen bei der Bundesnetzagentur mehr bewirkt.“ Diese sei ohnehin für die Aufgaben der MIG zuständig. Kindler rechnet mit einem „Kompetenzgerangel“, die Doppelstrukturen stehen seit der Gründung in der Kritik.

Ziel der neuen Infrastrukturgesellschaft ist es, die immer noch bestehende Funklöcher im Mobilfunknetz zu stopfen. Das sind laut der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung etwa 4440 weiße Flecken, für die ungefähr 5000 Mobilfunkstandorte benötigt werden. Insgesamt sollen 106.000 noch fehlende Haushalte an das 4G-Netz angeschlossen werden. Sie liegen meist in dünn besiedelten Gebieten, wo sich ein Ausbau wirtschaftlich nicht lohnt.

„Bewertungen sind für Dritte nicht nachvollziehbar“

Deshalb soll die MIG unter anderem die Suche nach Standorten für Mobilfunkmasten in diesen bislang unterversorgten Gegenden übernehmen. Dafür betreut sie ein vom Bund aufgesetztes und mit 1,1 Milliarden Euro dotiertes Mobilfunkförderprogramm. Bundesverkehrsminister Scheuer pocht dabei darauf, dass das alles durch eine private Firma organisiert werden soll. Ein entscheidendes Kriterium für die Toll-Collect-Variante sei die „Steuerbarkeit“. Die Führungskräfte der MIG ließen sich dort „direkt ansteuern“, heißt es in der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung seines Hauses.

Anderes sieht es der Bundesrechnungshof. „Bei der vom BMVI vorgelegten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung hat es sich nicht um eine ergebnisoffene Untersuchung gleichrangiger Alternativen gehandelt, sondern um einen Abgleich mit der vom BMVI gewünschten Variante“, heißt es in einem Bericht, der dem Tagesspiegel vorliegt. „Die Bewertungen sind für Dritte nicht nachvollziehbar hergeleitet und damit für den Bundesrechnungshof nicht prüfbar gewesen. Nach seiner Einschätzung kann die Wirtschaftlichkeit der Gründung der MIG hiermit nicht belegt werden.“

Und was sagen die beiden Geschäftsführer zu ihrer Doppelspitze? „Vor meiner Zeit bei Toll Collect war ich unter anderem bei Infineon, Siemens und EADS, bin also gewissermaßen ein Technik-Nerd“, sagte Burkhard Mende im Mai dem Tagesspiegel. Wilmsmann sei derweil ein Experte für Verwaltungsverfahren und Formen. „So bringt jeder seinen Nerd-Bereich ein.“

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