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Auf Distanz – nicht nur wegen der Pandemie. Auch das hübsch arrangierte Ambiente kann nicht über den Zwist von Mohammed bin Salman al Saud (rechts) und Mohammed bin Zayed al Nahyan hinwegtäuschen.

© picture alliance/dpa/Saudi Press

Opec kann sich kaum einigen: Im Öl-Streit zwischen Saudi-Arabien und den Emiraten geht es nicht um Öl

Die Opec ist gelähmt, es entstehen neue Fronten im Nahen Osten. Denn der Kern der Verhandlungen dreht sich um die Zeit nach dem Öl.

Jahrelang waren sie das Power-Duo in der Golf-Region: der 35-jährige saudische Kronprinz Mohammed bin Salman und sein Mentor, der 60-jährige Thronfolger der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Mohammed bin Zayed. Beide sind Gegner des Iran, beide fürchten den politischen Islam, beide sind Verbündete der USA. Doch nun tun sich zwischen dem saudischen Prinzen und seinem Freund am Golf tiefe Gräben auf.

Streit zwischen den beiden Ländern verhinderte vor einigen Tagen eine Einigung des Ölkartells Opec mit seinen Partnern auf eine Anhebung der Fördermenge. Zwar gibt es nun Hinweise auf einen Kompromiss, doch die Rivalität zwischen Saudi-Arabien und den Emiraten wird bleiben und neue Fronten im Nahen Osten schaffen: Auf der Suche nach einer Zukunft über das Ölzeitalter hinaus sind beide Länder zu Konkurrenten geworden.

Mohammed bin Salman, genannt MBS, und Mohammed bin Zayed – genannt MBZ – prägten in den vergangenen Jahren gemeinsam wichtige Entwicklungen in der Region. Sie brachen 2017 den Streit mit dem Emirat Katar vom Zaun, und MBZ unterstützte den Krieg der Saudis im Jemen. Mit Ermutigung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump bauten sie mit Israel eine anti-iranische Front auf.

Die Spannungen traten offen zutage

Doch nun werden MBS und MBZ zu Rivalen. Die Emirate zogen sich 2019 aus dem Jemen-Krieg zurück und ließen die Saudis mit einem Konflikt sitzen, der militärisch nicht zu gewinnen ist. Anfang dieses Jahres setzte Saudi-Arabien eine Versöhnung der Golf-Staaten mit Katar durch, der sich die VAE nur widerwillig anschlossen. Die Emirate einigten sich mit Israel auf einen Friedensvertrag, während sich die saudische Regierung als Hüterin der heiligsten Stätten des Islam mit Rücksicht auf konservative Kräfte im eigenen Land zurückhielt.

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In der Opec traten die Spannungen offen zutage. Als Führungsmacht des Ölkartells wollte Saudi-Arabien in der Gruppe „Opec Plus“ eine Vereinbarung mit Partnern wie Russland über die Fördermenge festzurren. Um die Ölpreise inmitten der einbrechenden Nachfrage während der Corona-Pandemie zu stützen, entschied „Opec Plus“ im vergangenen Jahr, die Fördermenge um zehn Millionen Barrel (159 Liter) pro Tag zu reduzieren – das waren rund zehn Prozent der weltweiten Produktion. Inzwischen fließt wieder mehr Öl: Derzeit werden rund sechs Millionen Barrel pro Tag weniger gefördert als vor der Pandemie.

Der saudische Plan sah vor, die Ölmenge ab August bis zum Jahresende um weitere zwei Millionen Barrel pro Tag zu steigern und dieses Niveau dann bis Ende 2022 zu halten. Doch die VAE lehnten den Vorschlag ab und verhinderten eine Einigung. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete am Mittwoch, es gebe einen Kompromiss, aber die Emirate dementierten.

Neue Bedingungen für internationale Firmen

Auch wenn es vor August doch noch eine Verständigung geben sollte: Der Streit ist Zeichen eines tieferen Zerwürfnisses zwischen MBS und MBZ. Der junge saudische Thronfolger weiß, dass sein Land bisher nur schlecht auf die Zeit nach dem Öl vorbereitet ist. Er will deshalb mehr High-Tech-Firmen, Touristen und Investoren anziehen, doch die VAE sind den Saudis dabei weit voraus: In den Glitzerstädten Abu Dhabi und Dubai finden Investoren sehr gute Geschäftsbedingungen, und Ausländer können einen westlichen Lebensstil führen, der in Saudi-Arabien unmöglich ist.

MBS will aufholen, auch wenn er damit MBZ auf die Pelle rückt. Anfang des Jahres kündigte Riad an, internationale Firmen sollten nur noch von lukrativen saudischen Staatsaufträgen profitieren dürfen, wenn sie ihr regionales Hauptquartier nach Saudi-Arabien verlegen: eine klare Kampfansage an die VAE. Vor einigen Wochen änderten die Saudis ihre Importvorschriften, sodass Einfuhren aus VAE-Freihandelszonen teurer werden. Eine neue saudische Fluggesellschaft soll mit erfolgreichen Airlines wie Emirates konkurrieren.

Gleichzeitig bemüht sich MBS um einen Abbau bürokratischer und gesellschaftlicher Vorschriften, um Investoren anzuziehen. Dazu gehört der Führerschein für Frauen und die Öffnung von Kinos in dem islamisch-konservativen Königreich. Auf dem Geschäftsklima-Index der Weltbank verbesserte sich Saudi- Arabien von Rang 92 im Jahr 2019 auf Platz 62 im vergangenen Jahr. Die VAE liegen auf Platz elf.

Die Rivalität wird nach Ansicht von Experten in den kommenden Jahren noch schärfer werden. Für den saudischen Thronfolger sei ein Erfolg als Reformer entscheidend, schrieb der Nahost-Experte Kristian Ulrichsen in einer Analyse für die US-Denkfabrik GIF. Auch auf der Seite der Emirate könnte der „wirtschaftliche Nationalismus“ weiter zunehmen: Das sei die neue Realität am Golf.

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